Verhandlungsresultat Schweiz - Europa: Positive Entwicklungen bei den inländischen Diskussionen zum Lohnschutz, aber kein Durchbruch
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Der Bundesrat hat heute erste Massnahmen präsentiert, auf welche sich die Sozialpartner einigen konnten, um das Lohnschutzniveau im Inland zu sichern. Damit wurden erste konkrete Schritte in die richtige Richtung gemacht. Ein Durchbruch ist das Resultat aber nicht. Für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, braucht es zwingend weitere konkrete innenpolitische Kompensationsmassnahmen, insbesondere im Bereich der Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen.
Bundesrat Parmelin hat im Anschluss an die heutige Bundesratssitzung erste Massnahmen präsentiert, auf die sich die Sozialpartner einigen konnten. Auch die Kantone haben ihre aktive Mitarbeit zugesichert. Es handelt sich bei den Massnahmen um positive Schritte hin zu einer Absicherung des heutigen Lohnschutzniveaus unter neuen Voraussetzungen. Von einem Durchbruch zu sprechen, wäre allerdings deutlich zu früh. «Die innenpolitische Einigung bewegt sich weiterhin auf einem schmalen Grat», so Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse.
Aus den Verhandlungen mit der Europäischen Union für eine Erneuerung der bilateralen Abkommen resultiert eine bedeutende Schwächung des schweizerischen Lohnschutzes. So müsste gemäss dem Abkommen die Voranmeldefrist auf vier Tage verkürzt werden oder die Kaution nur noch bei Verstössen erhoben werden. Das Abkommen sieht auch die Anwendung ausländischer Spesenregelungen vor. Zudem müssten in Zukunft neue Regelungen im Entsenderecht dynamisch übernommen oder bei einer allfälligen Streitschlichtung entsprechende verhältnismässige Gegenmassnahmen in Kauf genommen werden. Dabei sichert die EU der Schweiz mit einer Klausel zu, dass sie trotz Dynamisierung keine Verschlechterungen des Lohnschutzes übernehmen muss.
Die Verschlechterungen, welche aus dem Verhandlungsergebnis im Lohnschutz resultieren, erfordern innenpolitische Kompensationen. Anderweitig würde der Lohnschutz deutlich geschwächt. Vorgesehen sind aktuell neben einer Modernisierung und Zentralisierung des Meldesystems insbesondere eine stärkere Anwendung präventiver Lohnschutzmassnahmen und die Nicht-Anwendung ausländischer Spesenregelungen. Auf diese Massnahmen konnten sich die Sozialpartner bisher einigen. In den kommenden Wochen folgen harte Verhandlungen über die genaue Umsetzung.
Ein zentraler Baustein für den Lohnschutz sind die allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge. Sie definieren minimale Löhne und Arbeitsbedingungen, an die sich alle Unternehmen einer Branche halten müssen. Die Sozialpartner kontrollieren gemeinsam die Einhaltung der Bestimmungen und sanktionieren Unternehmen, die sich nicht daran halten. «Die geltende Gesetzgebung stellt sehr hohe und nicht mehr zeitgemässe Anforderungen an die Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen. Diese müssen zwingend der heutigen Zeit angepasst werden», so Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse.
Die Gewerkschaften haben in den innenpolitischen Diskussionen weitere Lücken im Lohnschutz thematisiert. So wird etwa das Instrument der Normalarbeitsverträge, mit welchen in Branchen ohne Gesamtarbeitsverträge, in denen wiederholt missbräuchliche Lohnunterbietungen festgestellt wurden, in den Kantonen kaum angewendet. Eine konsequente Anwendung dieses Instruments würde den Lohnschutz auch in Branchen ohne etablierte Sozialpartnerschaft verbessern. Dringend notwendig wären auch Massnahmen, um temporäre Angestellte besser vor der Willkür von schlechten Arbeitgebern zu schützen. Auch hier konnte bisher keine Einigung erzielt werden.
In den kommenden Diskussionen zwischen den Sozialpartner braucht es deshalb weitere Einigungen in zentralen Bereichen des Lohnschutzes, damit ein austariertes Gesamtpaket möglich wird, dem Travail.Suisse zustimmen kann.