Deutliches Ja zum Vaterschaftsurlaub
Am 27.09.2020 haben die Stimmberechtigten in aller Deutlichkeit Ja zur Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs gesagt. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, und seit über 10 Jahren massgeblicher Motor hinter dem Anliegen, ist hocherfreut über das Abstimmungsresultat. Mit diesem wichtigen Schritt hat für Travail.Suisse die Arbeit an einer Politik der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erst begonnen.
Mit dem überwältigenden Volksmehr hat heute die Stimmbevölkerung einen Meilenstein in der Schweizer Familienpolitik gesetzt. Die eidgenössische Volksinitiative „Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie“ ist mit der Annahme des indirekten Gegenvorschlags erledigt. Das Ziel, die Einführung eines gesetzlichen Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz, wird Realität.
Falls der Bundesrat die Änderung des Erwerbsersatzgesetzes auf Neujahr in Kraft setzt, haben ab dem 1. Januar 2021 endlich alle Väter ein Recht auf 10 freie Arbeitstage, die sie innert 6 Monaten nach der Geburt ihres Kindes am Stück oder tageweise beziehen können. „Für die Arbeitnehmer und deren Familien wird künftig der Start ins Familienleben erleichtert. Das ist ein kleiner Schritt zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und ein Zeichen für die Gleichstellung“, sagt Adrian Wüthrich, Präsident von Travail.Suisse.
Ein Recht für alle Väter
Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet Travail.Suisse für einen Vaterschaftsurlaub für alle Arbeitnehmer in der Schweiz. Im Jahr 2016 haben die vier Dachverbände Alliance f, männer.ch, Pro Familia Schweiz und Travail.Suisse zusammen mit mehr als 200 Organisationen die Vaterschaftsurlaubs-Initiative lanciert. „Die Unterstützung aus der Bevölkerung war von Anfang an sehr gross. Das Abstimmungsresultat überrascht uns deshalb nicht“, sagt Wüthrich. „Voraussichtlich ab 1. Januar 2021 wird kein Vater mehr einen Tag nach der Geburt wieder im Büro oder auf der Baustelle stehen müssen. Ohne unsere Volksinitiative wäre der Vaterschaftsurlaub noch lange nicht Realität“, sagt Wüthrich. Die breite, zivilgesellschaftliche Allianz hat einen konstruktiven Diskurs zum Thema Familien- und Vereinbarkeitspolitik in der Schweiz in Gang gebracht. „Dieser Diskurs muss jetzt weitergeführt werden. Es braucht zwingend bessere Rahmenbedingungen für Arbeitnehmende mit Familien“, sagt Adrian Wüthrich.
Nächste Schritte in Richtung bessere Vereinbarkeit
Travail.Suisse will sich zusammen mit den zehntausenden von Menschen und hunderten von Organisationen weiterhin für eine echte Familien- und Vereinbarkeitspolitik in der Schweiz einsetzen. Der Vaterschaftsurlaub ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Der Schweiz droht jedoch ein grosser Fachkräftemangel. Frauen werden aufgefordert, nach der Baby-Pause schneller und zu höheren Pensen wieder zu arbeiten. Gleichzeitig geht es aus gleichstellungspolitischen Gründen auch darum, die Aufteilung von Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen Frauen und Männer gerechter aufzuteilen. Mit der Alterung der Gesellschaft werden auch pflegende und betreuende Angehörige wichtig. „Damit die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöht werden kann, müssen stabile und finanzierte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss zwingend verbessert werden“, sagt Wüthrich. In den kommenden Wochen wird Travail.Suisse mit seinen Mitgliedsorganisationen klären, welche Schritte in Richtung tragfähiger Familien- und Vereinbarkeitspolitik als nächstes in Angriff genommen werden sollen.
Eine Elternzeit wie sie aufgrund der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige bis Mitte 2022 in allen EU-Ländern eingeführt wird, ist eine der möglichen Massnahmen, um den gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre Rechnung zu tragen. Immerhin hat die Schweiz als letztes Land in Europa endlich auch einen Vaterschaftsurlaub, bleibt damit aber weiterhin Schlusslicht und familienpolitisches Entwicklungsland.