10 Tage Vaterschaftsurlaub kommen vors Stimmvolk
Am 23. Januar lief die Frist zur Einreichung des Referendums gegen die Gesetzesänderung für 10 Tage Vaterschaftsurlaub ab. Im letzten Moment reichte ein Komitee aus Kreisen der SVP über 55‘000 beglaubigte Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Damit muss das Stimmvolk entscheiden, ob Väter in der Schweiz weiterhin Anrecht auf einen Tag oder neu auf 10 Tage Vaterschaftsurlaub haben sollen. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, wird gemeinsam mit vielen Verbündeten eine engagierte Ja-Kampagne organisieren.
Am 27. September 2019 war es endlich soweit: Der Nationalrat hat mit 129 zu 66 Stimmen bei 2 Enthaltungen und der Ständerat mit 31 zu 11 Stimmen bei 3 Enthaltungen dem Gegenvorschlag zur Vaterschaftsurlaubs-Initiative in der Schlussabstimmung zugestimmt. Während 20 Jahren wurden diverse Vorstösse diskutiert und nie fand sich eine Mehrheit für einen pragmatischen Schritt. Es brauchte den Druck der Vaterschaftsurlaubs-Initiative, die Travail.Suisse zusammen mit über 160 weiteren Organisationen 2016 lancierte. 10 Tage waren das Maximum, das im Parlament als Gegenvorschlag rauszuholen war. Die von der Initiative geforderten 20 Tage wurden zuvor im Ständerat mit 29 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung und im Nationalrat mit 120 zu 67 bei 5 Enthaltungen abgelehnt. Das Initiativkomitee beschloss am 2. Oktober, die Initiative bedingt zurückzuziehen. Die Mehrheit kam zur Einschätzung, dass es schwierig wird eine Mehrheit von Volk und Ständen zu gewinnen, wenn breite Kreise das Anliegen nicht unterstützen und sowohl ein Ja wie ein Nein die Diskussion über eine Elternzeit erschweren würden.
Referendum von Wirtschaft nicht ergriffen
Ein Referendum zum Gegenvorschlag hatte lange niemand angekündigt, die Sozialpartnerverbände der Arbeitgeber - Gewerbeverband und Arbeitgeberverband – verzichteten. Jean-François Rime, Präsident des Gewerbeverbandes, hat im Tagesgespräch auf Radio SRF 1 am 16. Januar 2020 gesagt, dass sein Verband die 10 Tage Vaterschaftsurlaub unterstütze. In etlichen Unternehmen und dank guter Gesamtarbeitsverträge erhalten viele Väter bereits einen mehrtägigen Vaterschaftsurlaub. Die Erhebungen von Travail.Suisse zur Entwicklung des Vaterschaftsurlaubs in den grössten GAV und bei der öffentlichen Hand zeigen, dass es in vielen Branchen dank den Sozialpartnern überhaupt einen Vaterschaftsurlaub gibt, dass die Entwicklung aber sehr langsam vorwärts geht (siehe Factsheet Vaterschaftsurlaub in den Gesamtarbeitsverträgen, der öffentlichen Verwaltung und in den grösseren Unternehmen).
Die Unternehmen haben also auf die Bedürfnisse der heutigen Väter reagiert. Politisch bleibt der Vaterschaftsurlaub umstritten: Im letzten Moment haben Einzelpersonen mit grosser Unterstützung der SVP doch das Referendum ergriffen. Offenbar will die SVP zeigen, dass sie die bessere Vertreterin der Anliegen der Wirtschaft ist. Allerdings richtet sich das Referendumskomitee nicht mit Argumenten gegen den Vaterschaftsurlaub, sondern warnt vor weiteren Lohnabzügen. Gemäss letzten Berechnungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen sind für die 10 Tage Vaterschaftsurlaub Ausgaben von 229 Mio. Franken pro Jahr zu rechnen. Der Bundesrat muss den EO-Beitragssatz wieder auf 0,5 Lohnprozente erhöhen (0.25 für Arbeitgeber und 0.25 für Arbeitnehmende). Erst seit 2016 werden 0,45 Lohnprozente erhoben, weil mit der Armeereform weniger Diensttage geleistet werden. Die Lohnabzüge steigen somit nicht auf eine noch nie da gewesene Höhe wie das die Referendumsführenden angeben. Auch wird kein neues Sozialwerk geschaffen, weil die Kosten für die 10 Tage wie für Mutterschaft und Militärdienst über die bewährte Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert werden.
Gemäss Umfrage 83 Prozent für Vaterschaftsurlaub
Für ein Ja an der Urne sieht es gut aus. Eine repräsentative Umfrage des LINK-Instituts im Auftrag des Vereins „Vaterschaftsurlaub jetzt!“ vom September 2019 zeigt, dass 83 Prozent „für“ oder „eher für“ einen bezahlten Vaterschaftsurlaub sind. Von den Befürwortenden wünschen sich über 70 Prozent mehr als zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Am stärksten ist die Ablehnung in der Deutschschweiz und bei den über 60jährigen. Dass der Vaterschaftsurlaub den Nerv der Zeit trifft und ein grosses Bedürfnis der Bevölkerung ist, haben auch die Referendumsführer gemerkt. Sie bekundeten grosse Mühe, die Unterschriften zu sammeln. So hat die Geschäftsstelle des Vereins „Vaterschaftsurlaub jetzt!“ in den letzten Wochen viele Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürger erhalten, die mitgeteilt haben, dass mit unwahren Argumenten für das Referendum Unterschriften gesammelt werde. Travail.Suisse verurteilt das Sammeln von Unterschriften unter falschen und unwahren Angaben. Dieses Vorgehen schadet dem Vertrauen in die Politik.
Travail.Suisse plant Abstimmungskampagne und gründet Ja-Komitee
Die Abstimmung über den Vaterschaftsurlaub wird nun am 27. September oder am 29. November stattfinden. Es wird einzig über den Gegenvorschlag an der Urne entschieden. Die Vaterschaftsurlaubs-Initiative kann vom Initiativkomitee nur zur Abstimmung gebracht werden, wenn der Gegenvorschlag von zwei Wochen vom Volk abgelehnt würde. Es wäre wenig wahrscheinlich, dass es nach dieser Abstimmung Sinn machen würde über vier Wochen abzustimmen. Mit dem bedingten Rückzug behält sich das Initiativkomitee diese Möglichkeit offen. Travail.Suisse wird die Planung der Abstimmungskampagne vorantreiben und ein breites, überparteiliches Abstimmungskomitee für den Vaterschaftsurlaub gründen. In allen Kantonen sollen Komitees vor Ort ebenfalls für eine breite Mobilisierung sorgen. Die präsentierte Lösung ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt für die Väter in der Schweiz. Wird sie abgelehnt, so haben die Väter weiterhin nur Anrecht auf einen einzigen Tag, was oft nicht einmal für die Geburt reicht. Im Gesetz würde der Vaterschaftsurlaub weiterhin fehlen und die Schweiz bliebe ein Sonderfall: In allen europäischen Ländern ist ein Vaterschaftsurlaub oder eine Elternzeit im Gesetz vorgesehen. In rund zwei Jahren müssen alle EU-Staaten neben dem Mutterschaftsurlaub, einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub und eine Elternzeit von acht Wochen für Mutter und Vater vorsehen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann mit dem Vaterschaftsurlaub ein wenig verbessert werden.
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