Ein Jahr revidiertes Gleichstellungsgesetz – ein Jahr RESPECT8-3.CH
Auch 40 Jahre nach der Verankerung der Lohngleichheit in der Bundesverfassung, werden Frauen beim Lohn empfindlich diskriminiert – um satte 7.7 Mrd. Franken pro Jahr. Mit der Plattform RESPECT8-3.CH hilft Travail.Suisse mit, das zahnlose revidierte Gleichstellungsgesetz effizienter und effektiver zu gestalten. Bereits haben sich über 70 Unternehmen darauf als Vorreiter der Lohngleichheit registriert und erhöhen auf diese Weise Tempo und Transparenz bei der Erreichung der Lohngleichheit. Logib, das Analysetool des Bundes, ermöglicht ab sofort allen Unternehmen bereits ab zwei Mitarbeitenden die Überprüfung der Lohngleichheit – die Zeit der Ausreden ist damit definitiv vorbei.
Es ist beschämend, dass auch 40 Jahre nach der Verankerung des Prinzips «gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» in Artikel 8 Absatz 3 der Bundesverfassung die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern nicht einmal annähernd erreicht ist. Immerhin anerkennt die Politik den Handlungsbedarf und hat auf den 1. Juli des letzten Jahres das revidierte Gleichstellungsgesetz in Kraft gesetzt.
Mit dieser Revision sind Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die Unternehmen haben genau ein Jahr Zeit (bis zum 30. Juni 2021), um eine interne Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Diese Analyse muss mittels einer wissenschaftlichen und rechtskonformen Methode durchgeführt werden. Dazu stellt der Bund das Standard-Analyse-Tool Logib gratis zur Verfügung. Die Unternehmen haben anschliessend ein weiteres Jahr Zeit, um die Analyse von einer zugelassenen Revisorin bzw.einem zugelassenen Revisor oder einer Vertretung der Arbeitnehmenden überprüfen zu lassen. Als letzte Etappe sieht das Gesetzvor, dass das Unternehmen seine Mitarbeitenden sowie seine Aktionärinnen und Aktionäre über das Resultat der Analyse informiert. Dafür hat das Unternehmen ein weiteres Jahr Zeit (vgl. Abbildung).
Abbildung: Fristen der Lohnanalyse im revidierten Gleichstellungsgesetz
Quelle: Gleichstellungsgesetz; eigene Darstellung
Diese langen Übergangsfristen machen das Schneckentempo bei der Umsetzung der Lohngleichheit deutlich. Daneben gibt es drei weitere gravierende Mängel, welche die Revision des GlG zu einer eigentlichen Alibiübung verkommen lassen. Erstens sind keine Kontrollen zur Einhaltung des Gesetzes vorgesehen. Die genannten Fristen sind zwar im Gesetz verankert, deren Einhaltung wird jedoch nicht kontrolliert. Zweitens erfolgen bei Verstössen gegen die Lohngleichheit keine Sanktionen. Und drittens wurde der Geltungsbereich des Gesetzes zu stark eingeschränkt. Nur eine kleine Minderheit der Schweizer Unternehmen hat mehr als 100 Mitarbeitende. So betrifft das Gesetz gerade einmal 0.9% der Schweizer Unternehmen und nur 46% aller Arbeitnehmenden.
Versagen von Politik und Wirtschaft
Zwei Negativmeldungen haben in den letzten Monaten aufschrecken lassen. Zuerst hat das Bundesamt für Statistik die neusten Zahlen aus der Lohnstrukturerhebung präsentiert, welche zeigen, dass der diskriminierende Anteil der Lohnunterschiede weiter zugenommen hat. Die Wirtschaft scheint somit bei der Minderung der Lohndiskriminierung zu versagen. Weiter hat es der Ständerat in der letzten Session verpasst, eine Verbesserung beim zahnlosen Gleichstellungsgesetz zu verabschieden. Eine parlamentarische Initiative, die immerhin eine Übermittlung der Analyseergebnisse an den Bund und damit ein Mindestmass an Transparenz forderte, hatte im männlich dominierten Ständerat keine Chance und wurde abgelehnt. Auch die Politik versagt also bei der Aufgabe, auf dem Weg zur Erreichung von Lohngleichheit endlich vorwärts zu machen. Umso wichtiger bleibt deshalb das gewerkschaftliche Engagement.
Mit dem Inkrafttreten des revidierten Gleichstellungsgesetzes haben Travail.Suisse und die angeschlossenen Verbände Syna, transfair, OCST, SCIV und Hotel & Gastro Union die Plattform RESPECT8-3.CH lanciert. Auf dieser können sich Unternehmen registrieren, welche bei der Lohngleichheit schneller vorwärts machen, als vom Gesetz gefordert. Sie zeigen damit Sensibilität für die Thematik und präsentieren sich als Zugpferde der Lohngleichheit.
RESPECT8-3.CH: Positiver Zwischenstand und Ende der Ausreden
Fast ein Jahr nach Lancierung der Plattform lässt sich ein positives Fazit ziehen. Rund 70 Unternehmen haben sich auf der weissen Liste von RESPECT8-3-CH registriert und sind somit Vorreiter der Lohngleichheit. Auffällig ist, dass 88 Prozent dieser Unternehmen über einen Gesamtarbeitsvertrag verfügen. Wenig überraschend scheint sich eine Sozialpartnerschaft positiv auf die Bereitschaft für mehr Lohngleichheit auszuwirken. Weiter gehören 62 Prozent zu den Grossunternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitenden. Bemerkenswert sind aber die 12 Prozent der registrierten Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden – diese gehören nicht zum Geltungsbereich des Gleichstellungsgesetzes und müssten von Gesetzes wegen keine Lohnanalyse durchführen. Drei von vier Unternehmen sind bisher bei der Durchführung der Analyse, also der ersten Etappe stehen geblieben, die Überprüfung der korrekten Anwendung (Revision) und die Mitteilung der Ergebnisse an die Mitarbeitenden (Kommunikation) stehen noch aus.
Mit dem 1. Juli 2021 wird der Zeitpunkt erreicht, an dem es keine Ausreden mehr gibt, sich nicht bei RESPECT8-3.CH zu registrieren. Dann ist die im Gesetz festgeschriebene Frist erreicht, um eine Lohnanalyse durchzuführen. Mit anderen Worten: Jedes Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden, das zwischen dem 1.7.2020 und dem 30.6.2021 keine Überprüfung der Lohngleichheit vorgenommen hat, ist nicht mehr mit dem Gleichstellungsgesetz konform. Zudem hat das Eidgenössische Büro für Gleichstellung (EBG) vor einigen Tagen das Modul 2 ihres kostenlosen Standard-Analysetools Logib veröffentlicht. Dieses ist für Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden anwendbar, so dass jetzt auch kleine Unternehmen ihre Löhne überprüfen, sich bei RESPECT8-3.CH registrieren und so einen Beitrag zur Erreichung der Lohngleichheit leisten können.