Kita-Initiative verbessert die Vereinbarkeit – jetzt unterschreiben!
Im Bereich der Familienpolitik wird momentan viel über die familienergänzende Kinderbetreuung diskutiert. Auf Seiten der Sozialpartner, im Parlament wie auch im Volk ist das Bedürfnis nach mehr Plätzen in Kindertagesstätten und Tagesschulen ein grosses Thema. Mit den vielen geflüchteten Familien aus der Ukraine ist das Thema im Moment tragischerweise noch akuter geworden. Für Travail.Suisse muss die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden. Deshalb ist Travail.Suisse Teil des Bündnisses, das im März die Kita-Initiative lanciert hat. Sie will für Kinder Verbesserungen erreichen, Eltern besser bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen und den Mitarbeitenden in der Betreuung bessere Arbeitsbedingungen bringen.
Am 1. Februar 2023 ist Schluss mit der Förderung der Kita- und Tagesschulplätze durch den Bund, weil das mehrmals befristete Impulsprogramm am 31. Januar 2023 ausläuft. Es wurden schon mehrere Anläufe unternommen, damit rechtzeitig eine Anschlusslösung beschlossen werden kann. Das war auch das Ziel meiner Motion, die ich im März 2019 als Nationalrat eingereicht habe. Die Motion verlangte vom Bundesrat, in Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden ein flächendeckendes, kohärentes und für die Eltern bezahlbares, qualitativ gutes familienergänzendes Kinderbetreuungsangebot für Kinder ab drei Monaten bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit zu schaffen. Mit einem Rahmengesetz wären Kitas und Tagesschulen zu einem staatlichen Angebot geworden. Meine Motion wurde leider in der Frühlingssession 2021 mit 85 zu 98 Stimmen bei sechs Enthaltungen abgelehnt. Der Nationalrat wollte Kitas nicht als Service public definieren.
Kita-Gesetz im Parlament noch nicht geboren
Der zuständigen Kommission des Nationalrates, der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N), ist bewusst, dass ohne einen Entscheid des Parlamentes, ab Februar 2023 Kitas nicht mehr gefördert werden können. Eine parlamentarische Initiative für ein Nachfolgegesetz ist in Ausarbeit und geniesst breite Unterstützung. Die Arbeiten benötigen aber mehr Zeit, weshalb die WBK-N vorschlägt, das Impulsprogramm bis Ende 2024 ein erneutes Mal weiterzuführen. Noch steht der Entscheid aus, aber es ist zu erwarten, dass sowohl National- als auch Ständerat zustimmen werden. Der Erfolg des Impulsprogramms ist in vielen Gemeinden und Städten sichtbar: Ohne die zusätzlichen Mittel im Umfang von insgesamt 430 Millionen Franken wären in den letzten 19 Jahren nicht 68'500 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen worden. Nur dank des Impulsprogramms kann der Bund einen wichtigen Startbeitrag für die Eröffnung oder Erweiterung einer Institution der familienergänzenden Kinderbetreuung leisten.
Chancengerechtigkeit dank früher Förderung verbessern
Dass Investitionen nötig und sinnvoll sind, hat die Schweizer UNESCO-Kommission in einer viel beachteten Studie unterstrichen. Die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung, kurz «Frühe Förderung», manifestiert den Start für lebenslanges Lernen. Diese Politik soll allen Kindern ein gesundes Aufwachsen ermöglichen und die Familien unterstützen, sie aber keinesfalls ersetzen. Es ist eine öffentliche Aufgabe, dass alle Kinder Zugang zu qualitativ guten Angeboten der frühen Förderung erhalten, die für die Familien auch bezahlbar sind. Letztlich ist es ein wichtiger Beitrag für Chancengerechtigkeit für alle Kinder, damit sie gute Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung erhalten.
Gleichstellung durch bessere Vereinbarkeit
Die heutige Generation der Eltern sind gut ausgebildet und erwerbstätig. Studien zeigen, dass mit der Geburt des ersten Kindes, ein Elternteil – meist die Mutter – die Erwerbstätigkeit aufgibt oder mit einem kleinen Teilzeitpensum weiterarbeitet. Für die Gleichstellung der Geschlechter braucht es deshalb mehr Kitas und Tagesschulen – dies auch eine Forderung des Frauenstreiks. Der Bedarf der Schweizer Wirtschaft an gut ausgebildeten Fachkräften unterstützt diese Forderung, auch aufgrund der demografischen Entwicklung. Wenn Eltern die Möglichkeit haben, ihre Kinder extern betreuen zu lassen, können sie mehr arbeiten. In der Schweiz arbeiten viele Frauen, aber eben in kleinen Teilzeitpensen. Von den erwerbstätigen Müttern nutzen rund 66 Prozent familienergänzende Kinderbetreuung, bei rund 41 Prozent stehen auch die Grosseltern zur Verfügung.
Sozialpartner einig – Bundesrat bremst
Nicht umsonst war ein Pfeiler bei der Fachkräfteinitiative des Bundesrats die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Leider haben sich die Sozialpartner und Bundesrat Schneider-Ammann in mehreren Gesprächen 2017 auf keine konkreten Massnahmen einigen können. Schon damals waren Arbeitgeberverband, Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse gleicher Meinung: Es braucht mehr Investitionen in die familienergänzende Kinderbetreuung. Zahlen der OECD zeigen, dass im Jahr 2018 nur die Hälfte der Kinder zwischen drei und fünf Jahren an einem Angebot der frühkindlichen Bildung und Betreuung teilnahmen, dieser Anteil ist nur in der Türkei kleiner. Der OECD-Durchschnitt beträgt 87 Prozent. Im internationalen Vergleich fällt auf: Die Kosten für einen Kita-Platz sind in der Schweiz für die Eltern sehr hoch. Der Bundesrat hat sich in den letzten Jahren einzig zu einem Beitrag in der Höhe von 100 Millionen Franken durchringen können, um den Kantonen Anreize zu schaffen, die Kita-Tarife für die Eltern zu senken (vor einem Jahr hat er weitere 80 Millionen beim Parlament beantragt, weil der Bedarf gross ist). Die Verfassung bremst den Bundesrat nicht: Ein Rechtsgutachten zeigt, dass der Bund mit der aktuellen Verfassung tätig werden darf. Ein umfassender Artikel für die Familienpolitik wurde vor neun Jahren an der Urne vom Schweizer Stimmvolk mit 54 Prozent angenommen, scheiterte aber am erforderlichen Ständermehr.
Investitionen in Kitas lohnen sich für die Allgemeinheit
Die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung erfordert zusätzliche finanzielle Mittel. Travail.Suisse hat 2018 in einem Aktionsplan 5 Milliarden Franken für die kommenden zehn Jahre gefordert. Diese Summe ist im Grunde bescheiden: Die OECD-Länder investieren drei Mal mehr in die familienergänzende Kinderbetreuung als die Schweiz. Kein Wunder: Studien zeigen, dass jeder investierte Franken, der in Kitas investiert wird, der Allgemeinheit durchschnittlich 3 bis 4 Franken und der öffentlichen Hand zwischen 1,6 und 1,7 Franken einbringt. Die Kita-Initiative macht deshalb jetzt Druck, dass wieder ein Ruck durch die Schweiz geht.
Kita-Initiative jetzt unterschreiben
Ein Ruck für mehr Kitas und Tagesschulen ist jetzt nötig. Travail.Suisse unterstützt die Volksinitiative aus voller Überzeugung und ist dem Bündnis der Initiative beigetreten. Als Vertreter von Travail.Suisse bin ich Mitglied im Initiativkomitee. Die Initiative fordert folgendes: Sie bringt einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Sie fordert von Bund und Kantonen ein ausreichendes, bedarfsgerechtes und qualitativ gutes Angebot für die Kinderbetreuung ab Ende des Mutterschaftsurlaubs bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit. Dabei sollen künftig die Kosten für die Eltern maximal zehn Prozent ihres Einkommens betragen dürfen. Damit dies nicht zu Lasten des Personals geht, fordert die Initiative eine Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen für das Betreuungspersonal. Die konkrete Umsetzung wird dabei nicht vorgegeben, so wie es sich für eine Volksinitiative gehört. Die Zielsetzung ist aber klar: Die familienergänzende Kinderbetreuung soll in der ganzen Schweiz zu einem Service public-Angebot werden. Für die Arbeitnehmenden, für die Gleichstellung, für die Wirtschaft, für die Gesellschaft und die Chancengerechtigkeit: Die Kita-Initiative ist nötig. Travail.Suisse empfiehlt diese zur Unterschrift!