Kitakosten für Eltern – ist ein neues Kindergeld die Lösung?
Die Kosten der institutionellen familienergänzenden Kinderbetreuung sind ein Dauerthema. Die ständerätliche WBK schlägt nun einen neuen Weg vor: eine neue Familienzulage für die Kinderbetreuung. Dieser Vorschlag hat zwar den Vorteil, dass die Umsetzung in einem bekannten und bewährten Rahmen vereinfacht wird, wirft aber die Frage auf, ob die Kommission wirklich gewillt ist, die Ziele der ursprünglichen parlamentarischen Initiative zu erfüllen. Travail.Suisse wird im Rahmen der laufenden Vernehmlassung Stellung nehmen zum Vorschlag der WBK-S.
2021 hat die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) die parlamentarische Initiative 21.403 eingereicht, weil das Angebot an institutionellen Betreuungsplätzen nach wie vor ungenügend und sehr teuer ist, was viele Eltern davon abhält, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder in einem höheren Pensum zu arbeiten. Die parlamentarische Initiative fordert, das Impulsprogramm zur Förderung der Schaffung von familienergänzenden Betreuungsplätzen durch eine dauerhafte Unterstützung durch den Bund zu ersetzen. Die parlamentarische Initiative wurde von beiden Kommissionen (WBK-N und WBK-S) angenommen. Eine Subkommission erarbeitete daher zwischen Mai 2021 und April 2022 einen ersten Entwurf, der im März 2023 mit einigen Änderungen vom Nationalrat verabschiedet wurde. Nun lag es an der Kommission des Ständerats, weiter an der Vorlage zu arbeiten.
Kontroverse Finanzierung der Betreuungszulage
Anstatt das gleiche Prinzip der indirekten, von den Kantonen zu organisierenden Finanzierung an die Eltern zu übernehmen, will die Kommission über das bestehende und direktere System der Familienzulagen (FZ) eine neue Betreuungszulage schaffen. In der Vernehmlassung zum ersten Gesetzesentwurf der nationalrätlichen Kommission war kritisiert worden, dass eine indirekte Unterstützung des Bundes an die Eltern in Kombination mit bestehenden kantonalen oder kommunalen Unterstützungsleistungen schwierig umzusetzen sei. Der neue Entwurf der ständerätlichen Kommission will diese Problematik überwinden, indem er auf einen bewährten Mechanismus zurückgreift, nämlich den der Familienzulagen, die derzeit von gut 1’000 Familienausgleichskassen verwaltet werden. Dies ist positiv hervorzuheben. Entgegen den Ausführungen der Kommission, verfolgt die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung aber nicht nur wirtschaftliche Ziele: Sie erfüllt mehrere soziale Ziele (Sozialisierung, Integration usw.), die für Kinder, Familien und die Gesellschaft als Ganzes von Bedeutung. Es ist daher nicht sinnvoll, die finanzielle Unterstützung an die Erwerbstätigkeit zu koppeln. Die institutionelle Kinderbetreuung ist in erster Linie ein Service public, der der gesamten Gesellschaft zugutekommt. Als solche sollte sie grösstenteils vom Bund finanziert werden.
Ein Minderheitsantrag Herzog schlägt eine paritätische Finanzierung durch Arbeitgebende und Arbeitnehmende vor, mit dem Ziel, eine Mitfinanzierung des Bundes in Höhe von einem Drittel der Gesamtkosten einzuführen. Heute werden die Familienzulagen ausschliesslich von den Arbeitgebenden und den Selbstständigen bezahlt (mit Ausnahme des Wallis). Insgesamt bezahlen die Arbeitgebenden dafür jährlich 6,6 Milliarden Franken und die Mehrheit der Kommission ist der Ansicht, dass auch die Finanzierung der Betreuungszulagen ausschliesslich in der Verantwortung der Arbeitgebenden liegen soll. Der vorliegende Entwurf der Kommission übernimmt diesen Grundsatz, während die Minderheit Herzog eine paritätische Finanzierung vorschlägt. Man kann den Schachzug verstehen – denn eine neue, allein von den Arbeitgebenden finanzierte Zulage scheint derzeit politisch chancenlos – aber das würde bedeuten, dass die Arbeitnehmenden mit der einen Hand bezahlen müssten, was sie mit der anderen erhalten. Das ist Unsinn.
Vor allem aber würde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, der sich auf andere Kinderzulagen ausweiten könnte. Einige Fraktionen im Parlament haben bereits mehrfach gezeigt, dass sie für die Erreichung politischer Ziele gerne die Salamitaktik anwenden. Die Einführung einer paritätischen Finanzierung für eine neue Familienzulage ist ein trojanisches Pferd. Für Travail.Suisse muss diese Strategie so schnell wie möglich gestoppt werden. Eine Mitfinanzierung durch den Bund vorzusehen, ist hingegen ein guter Vorschlag. Eine Übernahme von 50 Prozent der Gesamtkosten sollte das Ziel sein, damit die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung ein echter Service public ist. Auch wenn die Koppelung der finanziellen Unterstützung der Eltern an deren Erwerbstätigkeit grundsätzlich fragwürdig ist, so entlastet eine substanzielle Mitfinanzierung durch den Bund auch die alleinige Belastung der Arbeitgebenden.
Missachtung der ursprünglichen Ziele – eine Strategie, um das Projekt zum Scheitern zu bringen?
Ein Vergleich der Ziele der parlamentarischen Initiative 21.403 mit den Zielen der WBK-S Ständerates ist aufschlussreich. Die parlamentarische Initiative 21.403 «Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung» verfolgt die Ziele, die Kosten zu Lasten der Eltern zu senken, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, eine dauerhafte finanzielle Unterstützung der institutionellen familienergänzenden Kinderbetreuung durch den Bund vorzusehen und die frühkindliche Bildung zu verbessern.
Der Vernehmlassungsentwurf der WBK-S verfolgt hingegen völlig andere Ziele. Für die Kommission des Ständerats stehen die wirtschaftlichen Ziele im Vordergrund, d.h. die Ziele der Wirtschaft, die mit dem herrschenden Arbeits- und Fachkräftemangel zu kämpfen hat. Ein weiteres erklärtes Ziel ist es, «einen massgeblichen Beitrag zur Haushaltbereinigung in den Finanzplanjahren [zu] leisten.» Die Kommission fordert, dass sich der Bund seine Mehrbelastung von den Kantonen zurückerstatten lässt.
Der Kommission scheinen die oft untragbare finanzielle Belastung der Eltern, die die externe Betreuung von Kindern mit sich bringt, und die daraus resultierenden Vereinbarkeitsprobleme gleichgültig zu sein. (2018 zeigte eine Untersuchung der Universität Neuenburg, dass durchschnittlich 66,5 % der Kosten für die externe Kinderbetreuung auf die Eltern entfallen, wobei es starke regionale Unterschiede gibt.) Selbst die Qualität der institutionellen Betreuung, die in den Programmvereinbarungen des ersten Entwurfs vorgesehen war, wurde von der Mehrheit der Kommission aus Spargründen gestrichen. Dies, obwohl eine Studie von Infras gezeigt hat, dass Mütter ihren Beschäftigungsgrad nur dann erhöhen, wenn die Betreuungsqualität steigt.
Daraus lässt sich schliessen, dass es der Kommission nicht darum geht, die Probleme der zu hohen Kosten der institutionellen Kinderbetreuung für die Eltern, des immer wiederkehrenden Mangels an Betreuungsplätzen und der daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf anzugehen und so gegen den Arbeitskräftemangel wirksam zu bekämpfen. Wenn es hingegen das Ziel ist, die parlamentarische Initiative 21.403 zum Scheitern zu bringen, dann ist die Kommission auf dem richtigen Weg.
Es ist bedauerlich, dass die WBK-S der extremen Spardoktrin des Bundesrats folgt. Für Travail.Suisse muss die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung zum Service public gehören, genau so wie der Zugang der Kinder zur kostenlosen obligatorischen Schulbildung. Hier muss die öffentliche Hand mutig grosse Summen investieren. Wie bei jeder Investition werden Rückflüsse erwartet, was den politischen Mut zur Verschuldung erlaubt, die aufgrund der langfristig steigenden Erwerbstätigkeit der Mütter nur vorübergehend sein wird. Travail.Suisse wird sich in seiner Vernehmlassungsantwort dafür einsetzen, dass die aktuellen und zukünftigen Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewahrt werden.