Stärkung der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung
Die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung erbringt eine wichtige Leistung für die Arbeitnehmenden in der Schweiz. Mit einer nationalen Strategie und einem Pilotprojekt wird sie weiter gestärkt – eine langjährige Forderung von Travail.Suisse. Entscheidend wird dabei aber sein, dass die Finanzierung nachhaltig gesichert und in der BFI-Botschaft verankert wird.
Dass sich die Arbeitswelt kontinuierlich ändert, ist keine neue Erscheinung, dass diese Änderungen durch die Digitalisierung aber schneller vonstattengehen, hingegen schon. Die nachhaltige Integration der Arbeitnehmenden in den Arbeitsmarkt wird deshalb je länger je mehr zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Dass gerade ältere Arbeitnehmende hier grosse Befürchtungen haben, hat die überdurchschnittliche hohe Zustimmung zur Masseneinwanderungsinitiative in diesen Alterskategorien im Jahr 2014 gezeigt. Zwischen 2015 und 2021 fanden sechs Konferenzen zum Thema «Ältere Arbeitnehmende» statt. Das verfolgte Ziel dieser nationalen Konferenzen war eine möglichst optimale Erwerbsintegration älterer Arbeitnehmender in den Schweizer Arbeitsmarkt, um dadurch zugleich das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmenden zu reduzieren.
Travail.Suisse hat sich im Rahmen dieser Konferenzen früh auf bildungspolitische Fragestellungen konzentriert. Die vermehrte Unterstützung beim lebenslangen Lernen und der Stärkung der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BSLB) gehören zu den prioritären Forderungen von Travail.Suisse. Ein wichtiger Durchbruch konnte 2018 erreicht werden. In diesem Jahr haben die Verbundpartner der Berufsbildung gemeinsam das Leitbild «Berufsbildung 2030» erarbeitet. Es versteht sich als Orientierungsrahmen für die Weiterentwicklung der Schweizer Berufsbildung in den nächsten Jahren. So wird festgehalten, dass die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung künftig als Anlaufstelle in allen beruflichen Veränderungssituationen von Erwachsenen dienen soll, gerade auch für ältere Arbeitnehmende.
Nationale Strategie der BSLB und Pilotprojekt «viamia»
Eine Stärkung der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung wie sie im Leitbild «Berufsbildung 2030» festgehalten wurde, musste in der Folge konkretisiert werden, was über zwei Stossrichtungen geschah. Mit einer nationalen Strategie soll die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung gestärkt werden, indem gemeinsame Ziele auf kantonaler und nationaler Ebene definiert und die Dienstleistungen gesamtschweizerisch auf vergleichbarem qualitativem Niveau erbracht werden können. Damit soll den immer anspruchsvolleren Herausforderungen (Zunahme Heterogenität der Zielgruppen, komplexere Fragestellungen, benötigtes spezifischen Fachwissen usw.) begegnet werden und die Wirkung der Berufs-, Studien-, und Laufbahnberatung in der Schweiz erhöht und optimiert werden. In fünf strategischen Stossrichtungen sind diverse Massnahmen auf unterschiedlichen Ebenen vorgesehen. Die Palette reicht vom Aufbau von Laufbahnkompetenzen bei Jugendlichen, über Informations- und Beratungsangebote für Erwachsene und der Bereitstellung von interaktiven Tools zur Selbstinformation, bis zur Entwicklung einer gemeinsamen Marke mit einheitlichen Kommunikationsinstrumenten bei den Kantonen. Zentral ist in der nationalen Strategie auch die Weiterentwicklung der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Neben einer nationalen Forschungsagenda zur Erhöhung der Forschungserkenntnisse, der Stärkung des internationalen Netzwerkes und Dialogs und einer Definition eines Kompetenzprofils für die Ausbildung der Berufs-, Studien und Laufbahnberatenden umfasst dies auch einen übergeordneten Rahmen und Konzepte für die Personalentwicklung, das Wissensmanagement und die Weiterbildung von Fachpersonen.
Die aktive Gestaltung der eigenen Laufbahn ist eine wichtige Kompetenz für Arbeitnehmende, dies gilt umso mehr durch den sich beschleunigenden Wandel in der Arbeitswelt. Aus den Konferenzen «ältere Arbeitnehmende» ist das politische und sozialpartnerschaftliche Commitement entstanden, dass Arbeitnehmende ab 40 Jahren regelmässig eine Standortbestimmung vornehmen sollen, bei der die berufliche und persönliche Situation analysiert und unter Einbezug der sich verändernden Erfordernisse des Arbeitsmarktes reflektiert wird. Anstehende berufliche Veränderungen oder ein allfälliger Weiterbildungsbedarf können so rechtzeitig ermittelt und persönliche Schritte zum Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit geplant werden. Im Rahmen des vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) subventionierten Pilotprojektes «viamia» entstand ein kostenloses Abklärungs- und Beratungsangebots für Arbeitnehmende ab 40 Jahren. Das Pilotprojekt wurde 2021 in 11 Kantonen gestartet und extern evaluiert.
Die Evaluation zeigte eine sehr hohe Kundenzufriedenheit. Anpassungsbedarf wurde von interviewten Fachpersonen vor allem bei der Weiterentwicklung des Angebots für spezielle Zielgruppen wie Wiedereinsteiger/innen und Niedrigqualifizierte ausgemacht. Mit entsprechenden Anpassungen des Angebots steht «viamia» seit Anfang 2022 Personen ab 40 Jahren in sämtlichen Kantonen zur Verfügung.
Nachhaltige Finanzierung der BSLB als Ziel
Travail.Suisse begrüsst die Stärkung der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung ausdrücklich. Diese Unterstützung kann den Arbeitnehmenden helfen, sich im Dschungel der Aus- und Weiterbildungen des schweizerischen Bildungssystems zurechtzufinden, rechtzeitig Veränderungen in der Arbeitswelt zu antizipieren und so die Integration in den Arbeitsmarkt längerfristig sicherzustellen. Entscheidend wird sein, wie die nationale Strategie jetzt umgesetzt wird – denn eine Strategie ist immer nur so wirkungsvoll wie deren Umsetzung. Ausserdem werden die kostenlosen Standortbestimmungen und Laufbahnberatungen über «viamia» nur bis 2024 zu 80% durch den Bund finanziert. Es braucht deshalb jetzt die ersten Schritte, um eine nachhaltige Finanzierung durch den Bund im Rahmen der BFI-Botschaft 2025-2028 sicherzustellen. Gelingt dies nicht, droht auch die nationale Strategie zur Harmonisierung des Angebots und der Leistungen zu scheitern. Ein für die Arbeitnehmenden kostenloses Angebot zu regelmässigen Standortbestimmungen und Laufbahnberatungen sind eine notwendige Voraussetzung, um im zukünftigen digitalisierten Arbeitsmarkt bestehen zu können. Weiter braucht es aber auch klare Verbesserungen bei der Finanzierung der direkten und indirekten Bildungskosten und der Vereinbarkeit mit den Weiterbildungszeiten beim lebenslangen Lernen. Wenn zukünftig noch stärker eine dauernde Aus- und Weiterbildung notwendig wird – nicht um sich individuelle Karriereträume zu verwirklichen, sondern nur schon, um mit den Veränderungen im Arbeitsmarkt Schritt zu halten – dürfen die Arbeitnehmenden mit dieser Verantwortung nicht allein gelassen werden. Nur wenn es gelingt, die Kosten von Aus- und Weiterbildungen für Erwachsene breit zu verteilen und die Vereinbarkeit zu verbessern, wird das lebenslange Lernen breit zum Tragen kommen.