Die Arbeit geht weiter: Sozialpartnerschaft in Corona-Zeiten
Teile der Wirtschaft werden stillgelegt, die Zahl der Arbeitnehmenden in Kurzarbeit steigt gegen eine Million. In anderen Bereichen geht die Arbeit weiter, gerade die Arbeitnehmenden in der Grundversorgung halten die Gesellschaft am Laufen. In dieser Krise ist der Einsatz der Gewerkschaften und Personalverbände wichtig: Lohnfortzahlung und Einhaltung der Gesundheitsempfehlungen fallen nicht vom Himmel. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, lebt die Sozialpartnerschaft auch in Krisenzeiten.
Es fing in China an, breitet sich auf der ganzen Welt aus und beschäftigt in diesen Monaten die Menschen auf der ganzen Welt: das Coronavirus. Die unbekannte Situation hinterlässt ein Gefühl von Ohnmacht und Angst. Viele Regierungen setzen in dieser ausserordentlichen Lage Notrecht ein. In der Schweiz agiert der Bundesrat auf Basis des Epidemiengesetzes per Verordnung. Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus werden historisch einmalige Einschränkungen der Freiheit akzeptiert. Am 16. März hat der Bundesrat die „ausserordentliche Lage“ ausgerufen und das öffentliche Leben bis am 19. April stark reduziert. Die Häufigkeit von Übertragungen soll reduziert und Übertragungsketten sollen unterbrochen werden. Die besonders gefährdeten Personen müssen geschützt und die Kapazitäten in den Spitälern der Schweiz nicht überlastet werden. Wenn sich zu viele Menschen gleichzeitig anstecken, nimmt die Anzahl der schwer betroffenen Menschen zu stark zu und es hätte nicht mehr genügend Intensivpflegeplätze in den Spitälern. Die Bilder aus Italien haben nachdenklich gemacht. Sie waren wohl auch Katalysatoren, damit die Bevölkerung die Empfehlungen des Bundesrates und des Bundesamts für Gesundheit (BAG) grossmehrheitlich einhält. Wenn sich alle solidarisch an die Massnahmen halten, gelingt es, das Virus einzudämmen.
Travail.Suisse fordert soziale Sicherheit ein – von Bundesrat und Unternehmen
Die Bevölkerung ist aufgerufen, zu Hause zu bleiben und ansonsten Abstand zu halten. Das tönt einfach, ist aber für die moderne und mobile Gesellschaft eine Herausforderung. Gerade für Familien mit Kindern ist der Alltag mit den Schulschliessungen eine Belastung. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird trotz Homeoffice noch schwerer zu organisieren als in normalen Zeiten. Die Teile der Wirtschaft mit Kundenkontakt, die nicht für die alltägliche Versorgung nötig sind, wurden vom Bundesrat geschlossen. Viele Arbeitnehmende haben keine Arbeit mehr. Travail.Suisse hat deshalb bei diversen Gesprächen mit dem Bundesrat gefordert, neben der Gesundheit auch für die soziale Sicherheit zu sorgen und die Löhne zu garantieren. Mit rund 42 Milliarden Franken hat der Bundesrat ein enorm grosses Hilfspaket beschlossen. Zum Vergleich: Das Rettungspaket für die UBS in der Finanzkrise benötigte 6 Milliarden Franken vom Bund und 54 Milliarden Franken von der Nationalbank. Der Bund wird beim Corona-Hilfspaket allerdings kein Gewinn machen wie später beim UBS-Paket. Die Mittel werden benötigt, um Löhne zu zahlen und den Unternehmen flüssige Mittel zur Verfügung zu stellen. So sollen Arbeitnehmende und Unternehmen weiterhin ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen können. Travail.Suisse begrüsst, dass der Bundesrat die richtigen Abfederungsmassnahmen getroffen hat. Dank der gut organisierten Verwaltungen auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden können die Entscheide rasch umgesetzt werden. Nicht nur die Gesellschaft läuft einen Marathon, sondern auch die involvierten Akteure vom Bundesrat bis zu den Sachbearbeitenden in den Arbeitsämtern. Kurzarbeit ist das Instrument der Stunde: Die Unternehmen sollen damit 80 Prozent der Löhne erstattet erhalten. Gut aufgestellte Unternehmen können so freiwillig weiterhin 100 Prozent des Lohns zahlen. Wo dies nicht möglich ist, erhalten sie mindestens 80 Prozent des Lohns. In diesem (Normal-) Fall müssen die Arbeitnehmenden eine Lohneinbusse von einem Fünftel in Kauf nehmen. Damit können jene mit den tiefen Löhnen ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten. Travail.Suisse hat deshalb gefordert, dass bis zu einem bestimmten Einkommen 100 Prozent Kurzarbeit bezahlt wird. Bis jetzt wollte der Bundesrat darauf nicht eintreten. Trotzdem bleibt die Erwartung klar: Die Unternehmen sollen das Instrument Kurzarbeit nutzen und so auf Entlassungen verzichten. Wenn die Corona-Massnahmen gelockert werden und Arbeiten wieder in allen Branchen möglich ist, werden sie gute Fachkräfte umso mehr benötigen.
Gewerkschaften und Personalverbände gerade in Krise wichtig
Auf ein totales Ausgehverbot hat der Bundesrat bisher verzichtet. Es ist möglich, Lebensmittel einzukaufen, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, anderen Menschen zu helfen und zur Arbeit zu gehen. Viele haben die Möglichkeit, im Homeoffice zuarbeiten - auch in Unternehmen, die bisher behaupteten, das sei nicht möglich. Klar ist: Die Gesellschaft muss weiter versorgt werden.
Doch damit beginnt die Gratwanderung. Die BAG-Empfehlungen müssen zwingend eingehalten werden, ist das nicht möglich, muss der Betrieb schliessen. Diese Fürsorgepflicht der Arbeitgeber muss von den staatlichen Behörden durchgesetzt werden. Dass fehlbare Unternehmen nicht gebüsst werden ist unverständlich. Noch weniger nachvollziehbar ist es, wenn die Arbeitnehmenden für die Fehler ihrer Arbeitgeber gebüsst werden (geschehen im Verkauf – Personal wurde gebüsst, als es Waren verkaufte, die der Grossverteiler nicht mehr hätte verkaufen lassen dürfen).
Travail.Suisse fordert die Unternehmen auf, den Gesundheitsschutz ernst zu nehmen. Die Kantone müssen zwingend mehr Kontrollen vor Ort durchführen. Die Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmendenorganisationen - kurz der Sozialpartnerschaft – muss auch in der ausserordentlichen Lage funktionieren. Mit dem Notrecht beschliesst der Bundesrat Massnahmen, die unmittelbar wirken und die bei einem normalen Gesetzesprozess Jahre benötigen würden.
Auch Travail.Suisse ist hier gefordert. Die Sistierung des Arbeitsgesetzes für das Spitalpersonal konnte trotz massivem Druck leider noch nicht rückgängig gemacht werden. Immerhin hat aber der Bundesrat klargemacht, dass die zeitlichen und finanziellen Entschädigungen trotzdem geschuldet sind. Auch in der Berufsbildung sind die Sozialpartner gefordert: Abschlüsse müssen trotz Corona ermöglich werden. Die Sozialpartnerschaft lebt, mehr denn je. Sie trägt die Hoffnung, dass die Gesellschaft den Ausnahmezustand gut übersteht und die Arbeitnehmenden ihre Arbeitsstellen nicht verlieren. Travail.Suisse und seine Mitgliedsorganisationen setzen sich täglich für sie ein.