SGK-Entscheid gefährdet Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit in der Schweiz
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Heute hat die SGK des Nationalrats entschieden, dass der Status der Selbständigkeit vom Parteiwillen abhängen soll. Damit könnten in Zukunft tausende von Arbeitnehmenden zur Selbständigkeit gedrängt werden. Sie wären damit nicht mehr gegen Arbeitslosigkeit, Unfall oder Lohnausfall bei Krankheit versichert. Die Arbeitgebenden müssten für sie keine Beiträge mehr in die berufliche Vorsorge einzahlen und arbeitsgesetzliche Bestimmungen würden komplett wegfallen. Auch der Lohnschutz würde ausgehöhlt. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, verurteilt diesen bespiellosen Angriff auf die soziale Sicherheit, die Arbeitsbedingungen und den Lohnschutz in der Schweiz. Der Nationalrat muss diesen Entscheid dringend korrigieren.
Die SGK-N hat heute den Entscheid dazu gefällt, wie die parlamentarische Initiative Grossen umgesetzt werden soll. Sie schlägt dem Nationalrat vor, dass bei der Feststellung der Arbeitnehmendeneigenschaft neu ausschlaggebend sein soll, ob sich jemand als selbständig deklariert. Für Travail.Suisse hingegen ist klar, dass die Frage der Selbständigkeit immer aus dem tatsächlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber geklärt werden muss und nicht über den Parteiwillen. Diese Praxis ist heute etabliert und es besteht kein Handlungsbedarf. Die gesetzliche Anpassung wie sie die SGK-N vorsieht, wäre deshalb ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden Konsequenzen für die Arbeitnehmenden und die soziale Sicherheit in der Schweiz.
Über Arbeitsmodelle der Scheinselbständigkeit konnten sich bereits Plattformmodelle wie Uber einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Sie engagierten Personen in einem arbeitgeberähnlichen Verhältnis, konnten die Vorgaben des Arbeitsgesetzes ignorieren und sparten sich die Sozialversicherungsbeiträge. Heute können solche Geschäftsmodelle gerichtlich überprüft und richtiggestellt werden. Mit der von der Kommission vorgeschlagenen Gesetzesänderung würde das «Modell Uber» für alle Branchen legalisiert.
Angriff auf die soziale Sicherheit der Arbeitnehmenden und ihre Institutionen
Für die Sozialversicherungen in der Schweiz stellt der Entscheid der SGK-N eine fundamentale Gefahr dar. Jeder Arbeitgeber könnte seine Angestellten in Zukunft als Selbständige deklarieren und so einen wesentlichen Teil der Sozialversicherungskosten einsparen. Arbeitnehmende wären dementsprechend nicht mehr gegen Arbeitslosigkeit, Unfall und Lohnausfall bei Krankheit versichert. Zudem müssten die Arbeitgebenden keine Beiträge mehr in die AHV, die IV und die berufliche Vorsorge einzahlen. Damit würde nicht nur die soziale Sicherung der Arbeitnehmenden ausgehöhlt, sondern auch die betroffenen Institutionen in Frage gestellt. «Der Vorschlag der SGK-Mehrheit stellt eine massive Gefahr für die soziale Sicherheit der Arbeitnehmenden in der Schweiz dar», sagt Edith Siegenthaler, Leiterin Sozialpolitik bei Travail.Suisse.
Arbeitsgesetz hinfällig – Lohnschutz in Frage gestellt
Die Eigenschaft als Arbeitnehmende verpflichtet Arbeitgeber das Arbeitsgesetz einzuhalten und die orts-, berufs- und branchenüblichen Löhne zu respektieren. Mit der von der SGK-N vorgeschlagenen gesetzlichen Änderung hätten Arbeitgebende in Zukunft die Möglichkeit, Arbeitnehmende zu einer Einwilligung in die Selbständigkeit zu drängen. Damit würden für diese Arbeitnehmenden beispielsweise keine Höchstarbeitszeiten, keine Ruhezeiten und keine Beschränkung der Überstunden mehr gelten. Auch hätten sie beispielsweise keinen Anspruch mehr auf Ferien oder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Minimale Löhne etwa in Gesamtarbeitsverträgen, Normalarbeitsverträgen oder kantonale gesetzliche Mindestlöhne müssten ebenfalls nicht mehr eingehalten werden. «Die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Grossen ist ein beispielloser Angriff auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden und den Lohnschutz», so Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse.
Travail.Suisse kann den Vorschlag der SGK in keiner Art und Weise gutheissen und wird sich vehement dafür einsetzen, dass diese Änderung nicht in Kraft tritt.