Aufgeben ist keine Option
Siege: wenige. Niederlagen: zu viele. So lassen sich die drei Wochen der kürzlich zu Ende gegangenen Herbstsession zusammenfassen. Es waren Wochen, in denen alles schief zu laufen schien. Die Umwelt- und Sozialpolitik leidet unter den neuen Mehrheitsverhältnissen, die gestärkt aus den eidgenössischen Wahlen 2023 hervorgegangen sind. Doch der Kampf geht weiter. Warum eigentlich? Weil immer noch die Überzeugung da ist, für eine gerechte Sache zu kämpfen. Und vor allem das Bewusstsein, der Zeit oft voraus zu sein. Errungenschaften, bevor sie mehrheitsfähig werden, brauchen jemanden, der sie vorantreibt und verteidigt, wenn noch niemand an sie glaubt. Denken wir an den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch an gesellschaftliche Errungenschaften wie die Ehe für alle oder den Vaterschaftsurlaub.
Das ist der Geist, der uns nicht aufgeben lässt, auch nicht angesichts des Gegenwinds in diesen Zeiten. Und schliesslich sind da auch noch die Siege und Freuden, selbst in widrigen Zeiten.
So hat der Nationalrat der Einführung der Individualbesteuerung zugestimmt. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung. Dieses Steuersystem beseitigt die Benachteiligung des Zweiteinkommens in der Familie, oft das der Frauen. Auf diese Weise können mehr Frauen erwerbstätig bleiben, was nicht nur ihre finanzielle Unabhängigkeit fördert, sondern auch zu höheren Alterseinkommen führt. Die Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen ist auch ein Mittel gegen den akuten Fachkräftemangel, der viele Unternehmen in arge Bedrängnis bringt. Die Vorlage geht nun an den Ständerat, wo sie feinjustiert werden muss, um Steuerausfälle zu verhindern: In Zeiten von Sparmassnahmen können wir uns Mindereinnahmen von einer Milliarde Franken pro Jahr nicht leisten.
Typisch für die Schweiz ist auch, dass sich eklatante Niederlagen im Parlament in überwältigende Siege an der Urne verwandeln können. Von grosser Bedeutung war die klare Ablehnung der Reform der beruflichen Vorsorge durch die Stimmbevölkerung. Die Reform hätte Rentenkürzungen und Beitragserhöhungen zur Folge gehabt, die vor allem die mittleren Einkommen benachteiligt und die Situation der Frauen und der tiefen Einkommen verschlechtert hätten, ohne – wie von den Befürwortern behauptet – angemessene Lösungen zu bieten. Jetzt bietet sich die Gelegenheit für eine ausgewogene Reform, einen echten Kompromiss zwischen den Sozialpartnern, der allen Generationen angemessene Renten garantiert und die Situation derjenigen verbessert, die in Teilzeit arbeiten oder ihre berufliche Laufbahn aus familiären Gründen unterbrechen. Sie bietet auch die Möglichkeit, die hohen Verwaltungskosten in den Pensionskassen zu senken und für mehr Transparenz bei der Verwaltung der Pensionskassengelder zu sorgen.
Kurzum: Auch in schwierigen Zeiten gehen wir einen Schritt vorwärts oder vermeiden zumindest einen Schritt zurück. Und auch wenn es sich manchmal anfühlt, wie in der Wüste zu predigen, wir wissen, dass selbst die Wüste früher oder später erblüht. Dies erfordert Einsatz, Engagement und Geduld. Manchmal dauert es Jahre, oft Jahrzehnte. So ist die Demokratie: langsam, zäh und manchmal ein wenig taub. Aber sie funktioniert, und am Ende erreicht man (fast) immer sein Ziel. Und wir sind hier, um Sie (und uns) daran zu erinnern, dass Aufgeben nie eine Option war.