Steuergeschenke für Grossunternehmen? Jetzt reichts! Nein zur Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben (StG).
Eidgenössische Abstimmungen vom 13. Februar 2022
Das Ende der Coronakrise ist noch lange nicht in Sicht, und nun soll eine Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben Grossunternehmen und Grossaktionäre noch mehr begünstigen. Das ist inakzeptabel. Legen wir ein deutliches Nein in die Urne. Wenn dieses Vorhaben nicht gestoppt wird, fehlt das Geld für grundlegende Aufgaben zum Wohle aller, etwa für die Vereinbarung von Familie und Beruf, für Forschung und Bildung oder für den Ausbau öffentlicher Infrastrukturen.
Mit der Unternehmenssteuerreform und der AHV-Finanzierung (STAF), die vom Stimmvolk im Mai 2019 angenommen wurden, wurde die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz enorm gestärkt. Es gibt daher keinen Grund, weitere Schritte in diese Richtung zu machen, da so der finanzielle Handlungsspielraum des Bundes eingeschränkt würde.
Stempelabgaben sind eine Steuer, die vom Bund erhoben wird und bestimmte Finanztransaktionen betrifft. Sie sind ein Ersatz dafür, dass der schweizerische Finanzsektor keine MWST auf seinen Produkten und Transaktionen entrichtet und dass es keine Kapitalgewinnsteuer gibt. So gleichen die Stempelabgaben immerhin einen Teil der Privilegien des Finanzsektors aus.
Es gibt drei Arten von Stempelabgaben: die Emissionsabgabe auf Eigenkapital, die Umsatzabgabe (beim Handel mit Wertpapieren) und die Abgaben auf Versicherungsprämien. Seit 2009 setzen die Bürgerlichen alles daran, die Stempelabgaben schrittweise abzuschaffen. Travail.Suisse lehnt jegliche Abschaffung von Stempelangaben ab, da daraus grosse Steuerausfälle resultieren würden.
Salamitaktik
Die Abstimmungsvorlage betrifft die Emissionsabgabe auf Eigenkapital. Sie kommt zur Anwendung, wenn eine Gesellschaft Kapital emittiert. Die Steuer beträgt 1 % auf inländischen Beteiligungsrechten wie Aktien, Stammeinlagen oder Genossenschaftsanteilen. Diese Stempelabgabe generiert 250 Millionen an Einnahmen pro Jahr, d. h. etwas über 10 % der gesamten Einnahmen der verschiedenen Stempelabgaben. Die parlamentarischen Beratungen haben gezeigt, dass das Parlament sich nicht auf die Aufhebung dieser Abgabe beschränken, sondern alle Stempelabgaben abschaffen will, was zu Steuereinbussen von rund 2,2 Milliarden Franken führen würde. Das ist eine Salamitaktik und erklärt, weshalb das Referendum gegen die Gesetzesänderung ergriffen wurde. Die geplante Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben ist also ein erster Schritt hin zur Abschaffung aller Stempelabgaben. Wenn der erste Teil der Vorlage jetzt nicht gestoppt wird, wird der Druck, sämtliche Stempelabgaben aufzuheben, sehr gross bleiben.
Es ist unanständig, den Grossunternehmen und den reichen Aktionären weitere Geschenke zu machen, während die tiefen und mittleren Einkommen, viele Selbstständige und mehrere Branchen von der COVID-19-Krise mit voller Wucht getroffen wurden. Und es ist noch nicht ausgestanden. Denn lassen wir uns nicht täuschen: Die Profiteure einer solchen Reform sind die Konzerne, die Banken, die Versicherungen und die Holdings, aber nicht die KMU. Wenn eine Gesellschaft neu gegründet wird oder wenn ihr Kapital aufgestockt wird, gibt es eine Befreiungsgrenze von 1 Million Franken für die Emissionssteuer. Bei einer Restrukturierung gilt die Befreiung gar für 10 Millionen Franken.
Abbau von Service public und keine positive Bilanz für die Beschäftigung
Wenn der öffentlichen Hand in einem ersten Schritt rund 250 Millionen Franken und anschliessend möglicherweise gar 2 Milliarden Franken entgehen, ist mit einem Abbau des Service public zu rechnen, etwa mit Kürzungen bei der Bildung, bei den Krankenkassenprämienverbilligungen, bei den familienergänzenden Betreuungsangeboten. Aber auch die Schweizer Wirtschaft würde bestraft. Denn die Steuerausfälle infolge der Aufhebung der Stempelabgaben führen zu einer Schwächung der Ausgaben und der Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastrukturen, von denen auch die Wirtschaft für ihre Entwicklung abhängig ist. Die Aufhebung der Stempelabgaben könnte Stellen im Finanzsektor generieren. Doch die Bilanz wäre insgesamt nicht positiv, da im öffentlichen Sektor wegen des Leistungsabbaus im Service public keine weiteren Stellen geschaffen oder gar welche gestrichen würden.
Sehr teure Steuergeschenke zu Weihnachten!
Allerdings sollten die Stempelabgaben nicht alleine betrachtet werden. Ihre Aufhebung ist Teil einer allgemeinen und wiederkehrenden Tendenz, die Besteuerung der Grossunternehmen oder des Finanzplatzes Schweiz immer weiter zu senken. Neben der Aufhebung der Emissionsabgabe hat das Parlament in seiner Herbstsession die Aufhebung der Industriezölle (Verlust von 500 Millionen Franken) und im Laufe der Wintersession die Verrechnungssteuerreform gutgeheissen (mit einem einmaligen Verlust von 1 Milliarde Franken und jährlichen Verlusten von 200 Millionen Franken – die bei einer Anhebung der Zinsen weit höher ausfallen könnten). Das ist ein sehr teures Weihnachtsgeschenk für die Grossunternehmen und die reichen Aktionäre!
Mit einem Nein am 13. Februar 2022 kann die Bevölkerung ein klares Zeichen setzen: Statt die Besteuerung der Unternehmen immer weiter zurückzufahren, braucht es dieses Geld für die Aufgaben für die Gesellschaft, aber auch für die nationale Wirtschaft, etwa für mehr erschwingliche Plätze in der familienergänzenden Betreuung, für soziale Massnahmen im Zuge der Dekarbonisierung der Wirtschaft und für die Erneuerung der Infrastrukturen.