Der Gesetzesentwurf zur Unternehmenssteuerreform sieht vor, die Sonderregelungen für Unternehmen mit kantonalem Steuerstatus abzuschaffen. Dies ist im Grundsatz zu begrüssen, da eine solche Sonderbesteuerung der Steuergerechtigkeit widerspricht und international nicht mehr akzeptiert wird. Leider beinhaltet der Entwurf aber keine Massnahmen zur Eindämmung des schädlichen Steuerwettbewerbs. Dieser wird sich nach der Abschaffung der kantonalen Steuerregimes verschärfen und bei der öffentlichen Hand Steuereinbussen in Milliardenhöhe verursachen. Mit der Einführung eines Mindeststeuersatzes für Unternehmensgewinne liesse sich vermeiden, dass die Steuerreform verheerende Folgen für die öffentlichen Finanzen und den Service Public hat.
Inwiefern besteht überhaupt ein Zusammenhang zwischen dem Gesetzesentwurf zur Unternehmenssteuerreform und den Gewinnsteuersätzen? Diese Frage stellt sich, weil weder die Höhe der Bundesgewinnsteuer von 7,9 Prozent noch die kantonalen Gewinnsteuersätze direkt Teil der Reform sind.
Doch auch wenn die Kantonssteuern auf Unternehmensgewinne offiziell nicht von der Reform betroffen sind, spielen sie darin eine zentrale Rolle. Ohne Gegenmassnahmen wird die Reform nämlich eine allgemeine Senkung der Gewinnsteuern auf das schweizweit tiefste Niveau der Innerschweizer Kantone nach sich ziehen. Der Mechanismus ist einfach: Die Kantone VD und GE, in denen die Unternehmen mit kantonalem Sonderstatus einen bedeutenden Teil zu den Einnahmen aus der Gewinnsteuer beitragen (> 30%), haben bereits angekündigt, dass sie ihren Steuersatz von derzeit 24 bzw. 23 auf 13 bzw. 14 Prozent für alle Unternehmen senken wollen! Sie werden ihre Sätze somit dem Niveau der Kantone mit den tiefsten Steuern anpassen, wie Luzern (12 Prozent) oder Zug (14 Prozent). Damit wird sich der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen massiv verschärfen, da auch die Kantone, die wenige oder keine Unternehmen mit Sonderstatus haben, ihre Steuern senken müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies wird eine Abwärtsspirale auslösen und sämtliche Kantone dazu bewegen, die Sätze sehr tief anzusetzen, nämlich im Bereich der Kantone mit den niedrigsten Steuersätzen. Die Gemeinwesen würden dadurch Einbussen in Milliardenhöhe erleiden. Für die Bevölkerung bedeutet dies einen Abbau des Service public und/oder Steuererhöhungen. In beiden Fällen würde also die Bevölkerung die Unternehmenssteuerreform finanzieren!
Es ist bedauerlich, dass der Bund die Kantone nicht dazu anhält, ihre Steuersätze so zu harmonisieren, dass die Reform keine wesentlichen Mindereinnahmen verursacht, sondern sie im Gegenteil dazu ermutigt, ihre Unternehmenssteuersätze zu senken. Der Reformentwurf ist somit einseitig auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ausgerichtet, ohne andere Dimensionen wie die Finanzlage der Kantone und den Service public zu berücksichtigen. Naiv ist auch die im Erläuternden Bericht zum Entwurf geäusserte Ansicht (S. 26), es sei davon auszugehen, «dass sich die Kantone bei ihren Gewinnsteuersatzsenkungen massvoll verhalten werden».
Mindeststeuersatz: wichtige und sinnvolle Massnahme
Eine horizontale Steuersolidarität zwischen den Kantonen ist eine Illusion. Deshalb muss der Entwurf einen Mindeststeuersatz für die Unternehmensgewinne beinhalten, denn nur so entsteht ein ausgewogenes Paket, das nicht ein weiteres Mal die Unternehmen auf Kosten der Bevölkerung bevorzugt.
Bei der Festlegung des Zinssatzes sind mehrere Kriterien zu berücksichtigen, allen voran die Auswirkung auf die Steuereinnahmen von Bund und Kantonen und das Ziel, eine Abwanderung ausländischer Unternehmen mit kantonalem Sonderstatus zu vermeiden. Wenn der Steuersatz zu tief angesetzt wird (z.B. bei 15%), werden zwar weniger Unternehmen abwandern, die Steuereinbussen für Kantone und den Bund sind dann aber zu hoch. Bei einem zu hohen Steuersatz (z.B. 18-20%) würden zu viele Unternehmen abwandern – und mit ihnen viele Mitarbeitende mit hohen Löhnen, was noch grössere Steuerausfälle und auch negative indirekte Auswirkungen auf andere Wirtschaftssektoren zur Folge hätte.
Travail.Suisse schlägt einen Mindeststeuersatz von 17 Prozent vor. Mit einem solchen Satz dürften die Steuerausfälle von Bund und Kantonen gering ausfallen. Der steuerliche Handlungsspielraum der Kantone würde dadurch zwar beschränkt, der Steuerwettbewerb aber nicht ganz ausgeschaltet. Denn bei einem geringeren Steuergefälle zwischen den Kantonen aufgrund eines Mindestsatzes hätten Kantone mit derzeit höheren Steuersätzen mehr Spielraum. Schliesslich würde sich der Mindeststeuersatz insofern positiv auswirken, als Auswüchse beim Steuerwettbewerb eingedämmt, der Wettbewerb aber nicht ganz ausgeschaltet würde. Denn eigentlich wird der Steuerwettbewerb vielmehr ohne Mindeststeuersatz beseitigt, da im Falle einer Abschaffung der kantonalen Steuerre-gimes ohne diese Massnahme die Gefahr gross ist, dass alle Kantone Sätze im Bereich von 13 Prozent wählen!
Bei einem Mindeststeuersatz von 17 Prozent würde der Steuersatz in 9 Kantonen und Halbkantonen steigen (LU, OW, NW, AR, AI, SZ, ZG, UR, SH), und zwar zwischen 1 Prozentpunkt (SH) und 4,8 Prozentpunkten (LU). In drei Kantonen (GL, TG, GR) würde sich praktisch nichts ändern. Die übrigen 14 Kantone müssten ihre Steuersätze bei einem einheitlichen Satz nicht unbedingt ändern, abgesehen von den Kantonen, die sowohl hohe Steuersätze als auch einen grossen Anteil von Unternehmen mit Sonderstatus haben (VD, GE und ev. BS).
Der Bund sollte zur Einsicht kommen, dass eine solche Lösung auch in seinem Interesse wäre, weil er dann weniger hohe Ausgleichsbeiträge überweisen müsste, als es der Entwurf der Unternehmenssteuerreform III vorsieht. Ausserdem könnten die Zahlungen gezielter an Kantone ausgerichtet werden, die ihre Steuersätze deutlich senken müssen (insbesondere VD, GE), aber auch an Kantone, die ihre Sätze deutlich anheben müssten, namentlich in der Innerschweiz, falls in diesen
Kantonen die zusätzlichen Einnahmen aufgrund der höheren Steuersätze nicht ausreichen, um Einbussen beim Steuersubstrat infolge der Abwanderung von Unternehmen mit Sonderstatus zu kompensieren.
Bei einem Mindeststeuersatz von 17 Prozent ist damit zu rechnen, dass gewisse Unternehmen, die sich aus vorwiegend steuerlichen Gründen in der Schweiz niedergelassen haben, ins Ausland abwandern werden. Doch es ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Firmen bleiben würde, weil die Schweiz aufgrund der übrigen Standortfaktoren im internationalen Wettbewerb um die Niederlassung von Unternehmen ganz vorne mithalten kann.
Bei einem Mindeststeuersatz von 17 Prozent dürften ausserdem die Kantone mit den höchsten Steuersätzen die Steuern tendenziell senken, sodass unser Land insgesamt im internationalen Vergleich steuerlich sehr wettbewerbsfähig bleibt. Die Steuern in der Schweiz wären mit einem solchen Satz noch immer deutlich tiefer als in den wichtigsten Konkurrenzländern der Schweiz, d.h. in Westeueropa und den USA.
Die Unternehmenssteuerreform kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Finanzlage der meisten Kantone prekär ist und bereits Sparmassnahmen ergriffen wurden, welche die Bevölkerung direkt betreffen, insbesondere Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich. In einer Volksabstimmung dürfte ein Reformprojekt, das direkt auf Kosten der Bevölkerung geht, keine Chance haben. Ein Mindestgewinnsteuersatz würde dafür sorgen, dass die Reform keine hohen Steuerausfälle zur Folge hat und der finanzielle Spielraum von Bund und Kantonen nicht weiter beschnitten wird. Gleichzeitig ist er als Massnahme zu sehen, die gewährleistet, dass die Bevölkerung der Reform zustimmt.