Die OECD empfiehlt die Privatisierung der Swisscom. Und das SECO prüft eifrig den Vorschlag: hoffentlich ohne dieser ideologischen Empfehlung tatsächlich zu folgen! Travail.Suisse erwartet vom SECO, dass es die OECD in dieser Frage ins Leere laufen lässt und den heutigen Status der Swisscom stärkt.
Es brauchte nur einer Empfehlung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), und schon reagierte das SECO, indem es den Vorschlag zur Privatisierung der Swisscom im Rahmen seines Berichts für die Neue Wachstumspolitik zur Prüfung entgegennahm. Es solle überprüft werden, ob die Swisscom in ihrem angestammten Bereich der Telekommunikation in der Lage sei, schnell genug zu agieren, und zu welchem Preis. Es gelte, die Digitalisierung der Wirtschaft nicht zu verpassen. Es gehe auch darum, einen eventuell auftretenden Interessenskonflikt anzusprechen, der eintritt, wenn öffentliche Einrichtungen im Bereich der Digitalisierung diversifizieren – wie etwa das Beispiel der neuen gemeinsamen Werbeplattform von Swisscom, Ringier und der SRG zeigt. Für die OECD verfüge die ehemalige Monopolistin Swisscom über grössere Marktanteile als ihre Konkurrenten; daher sei sie zu privatisieren.
Die Empfehlung der OECD ist stark ideologisch geprägt und lässt die Schweizer Wirklichkeit mit der wichtigen Rolle der Randregionen ausser Acht. Es ist übrigens auch nicht die erste Empfehlung der OECD an die Schweiz, bei der die Organisation die Schweizer Realität verkennt: Davon zeugt die kürzlich vorgebrachte Empfehlung zum höheren Rentenalter, die sowohl die Situation auf dem Arbeitsmarkt unberücksichtigt lässt als auch die in der Schweiz im Vergleich zu anderen Industrienationen weniger problematische Situation im Bereich der Demografie. 1
Ideologisch geprägter Vorschlag der OECD
Es scheint, dass der Vorschlag der OECD auch den Status der Swisscom verkennt. Der Bund mag mit seinem Aktienanteil von 51 Prozent der Mehrheitsaktionär sein, die Ex-Monopolistin ist als börsenkotiertes Unternehmen mit einem Börsenwert von ca. 26 Milliarden Franken aber schon lange kein Staatsbetrieb mehr. Der Bund garantiert der Swisscom die unternehmerische Freiheit und legt lediglich die strategischen Ziele für einen bestimmten Zeitrahmen fest – in diesem Fall bis 2017 (2014–2017). Anders formuliert: Die Swisscom unterscheidet sich kaum von anderen Anbietern ausser – und das ist wesentlich – bezüglich des von ihr zu erfüllenden Auftrags, wonach sie der gesamten Bevölkerung qualitativ hochstehende Telekommunikationsdienstleistungen zu einem vernünftigen Preis gewährleisten muss (Grundversorgung). Dieser Grundversorgungsauftrag hindert die Swisscom indes nicht im Geringsten daran, in ihren Kerngeschäften Telekommunikation und Informatik punkto Innovation marktführend zu sein.
Mit anderen Worten: Durch eine Privatisierung würde die Swisscom nicht an Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft gewinnen, denn mit ihrem aktuellen Status ist sie gegen die Konkurrenz im Bereich Telekommunikation und für den rasanten technologischen Fortschritt bestens gewappnet. Um den Marktgegebenheiten noch besser gerecht zu werden, können gegebenenfalls die vorgegebenen strategischen Ziele immer noch revidiert werden – jedoch ohne den Service public infrage zu stellen. Zudem wird das Fernmeldegesetz (FMG) in regelmässigen Abständen revidiert, um den Entwicklungen im Telekommunikationsbereich Rechnung zu tragen. Dies ist übrigens aktuell der Fall, denn am 11. Dezember 2015, im Nachgang zu seinem Bericht vom November 2014 zur Entwicklung im schweizerischen Fernmeldemarkt und den damit verbundenen gesetzgeberischen Herausforderungen, hat der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur ersten Etappe der Revision des FMG eröffnet.
Vorschlag von 2006 zur Privatisierung wurde zu Recht fallen gelassen
Unter Hans-Rudolf Merz an der Spitze des Finanzdepartements war im Jahr 2006 ein Vorschlag zur Privatisierung der Swisscom in die Vernehmlassung geschickt worden. Die damals vom Bundesrat vorgebrachten Argumente zur Privatisierung umfassten drei Ebenen: Zum einen das finanzielle Risiko, das die Swisscom angeblich darstellte, zum anderen die Tatsache, dass die Grundversorgung weitflächig garantiert sei, und zum dritten die Konsolidierung der Stellung des Unternehmens in einem sehr dynamischen Marktumfeld.
Zehn Jahre später hat sich keines der damals vorgebrachten Argumente als stichhaltig erwiesen, und das obwohl die Swisscom nicht privatisiert worden ist. Die Swisscom stellt kein finanzielles Risiko dar, sondern ermöglicht vielmehr dem Bund, aus den Dividenden bedeutende Gewinne einzustreichen, die eine Stärkung des Service public erlauben. Ausserdem hat die Swisscom gezeigt, dass sie es versteht, mit dem öffentlichen Gut verantwortungsvoll umzugehen, und hat Umsichtigkeit bei ihrer Wachstumsstrategie bewiesen. Wäre sie privatisiert worden, hätte sie am Markt aggressiver auftreten müssen, was das Risiko finanzieller Rückschläge und schlimmstenfalls des Konkurses erhöht hätte. Sie hätte mehr Anreize gehabt, gewagte Auslandinvestitionen zu tätigen.
Die Grundversorgung konnte aufrechterhalten werden. Bei einer Privatisierung hätte, falls kein privater Anbieter bereit gewesen wäre, die Grundversorgungskonzession zu übernehmen, die Gewährleistung des Grundversorgungsauftrags auf dem Verordnungsweg zu viel Bürokratie, weniger Effizienz und schlechteren Leistungen bei der Grundversorgung geführt; zumal letztere aufgrund des technologischen Fortschritts und den sich immer weiterentwickelnden Bedürfnissen der Kunden immer umfassender wird. Und was die Konsolidierung der Stellung des Unternehmens angeht, so zeigt die aktuelle Situation der Swisscom hinlänglich, dass die Ex-Monopolistin ein gut geführtes Unternehmen ist, das sich in einem dynamischen Markt bestens gegen seine Konkurrenz zu behaupten weiss – ohne privatisiert zu sein.
Die im Jahr 2006 angeführten Vorteile der Privatisierung erweisen sich zehn Jahre später als haltlos – die negativen Auswirkungen einer potenziellen Privatisierung der Swisscom dagegen bleiben hochaktuell! Erstens: Die Gewährleistung der Grundversorgung würde gefährdet, denn ein privater bzw. privatisierter Anbieter folgt nicht mehr dem gleichen Service-public-Gedanken, da die Gewinnoptimierung jegliches Handeln bestimmt. Selbst durch gesetzliche Bestimmungen mit dem Zweck, einen Anbieter zu zwingen, den Grundversorgungsauftrag zu übernehmen, könnte das anvisierte Ziel nicht vollständig erreicht werden, denn der Bund hätte keinen Einfluss mehr auf die Geschäfte des Unternehmens. Zudem führt die Gewährleistung der Grundversorgung auf dem Gesetzes- oder Verordnungsweg zu komplexen und langwierigen Verfahren, die der rasanten Entwicklung beim technologischen Fortschritt zuwiderlaufen.
Die grössten Leidtragenden einer privatisierten Swisscom wären die Randregionen. Sicher: Ein privatisiertes Unternehmen könnte die durch eine Konzession festgelegten Minimalleistungen erbringen, es würde jedoch einen darüber hinausgehenden Service nur denjenigen Kunden und Regionen anbieten, die in genügendem Masse lukrativ sind. Doch um neue Unternehmen und Einwohner anzulocken, sind die Randregionen für ihre Telekommunikationsinfrastruktur noch viel stärker auf Spitzentechnologie angewiesen als die urbanen Zentren. Die Folge wäre eine noch stärkere Polarisierung in der Raumplanung – zum Nachteil der Randregionen. Durch einen Rückzug aus der Swisscom könnte der Bund ausserdem keinen Einfluss mehr nehmen auf die strategischen Ziele, die ja gerade diesen Gedanken des Service public garantieren.
Eine Privatisierung schwächt die aktuell guten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft
Die Privatisierung könnte auch einen Aufkauf durch ein grosses ausländisches Unternehmen zur Folge haben, denn die Swisscom ist sehr rentabel. Dieses Szenario wäre den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes nicht zuträglich, denn ein solcher Aufkauf würde den Standort Schweiz im Bereich Forschung und Entwicklung von Telekommunikationstechnologien schwächen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein ausländischer Telekommunikationsriese die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Swisscom in der Schweiz belassen würde, wenn er selber schon über solche Einheiten verfügt. Der ausländische Telekommunikationsmulti wiederum könnte auf dem Schweizer Markt seine neuen Produkte und Dienstleistungen absetzen und so seine Gewinne aus den Investitionen in die eigene Forschung und Entwicklung steigern. Dies hätte schwerwiegende Folgen für die Beschäftigungssituation in der Schweiz, wodurch die Steuereinnahmen sinken würden. Der Bund würde durch den Verkauf seiner Anteile ein nettes Sümmchen einstreichen, wäre längerfristig jedoch auf der Verliererseite, denn er bekäme keine Dividenden mehr. Und der Steuerzahler müsste am Ende für die Grundversorgung tiefer in die Tasche greifen.
Gefährdung der Sozialpartnerschaft
Der Grundsatz der Sozialpartnerschaft ist eine treibende Kraft für das Wirtschaftswachstum der Schweiz. Dies hat sich gerade im Fall der Swisscom bewahrheitet, als das ehemalige Staatsunternehmen bei der Öffnung des Telekommunikationsmarktes in ein liberalisiertes Service-public-Unternehmen umgewandelt wurde. Trotz der leider unvermeidbaren, schmerzlichen Umstrukturierungen in dieser Umbruchphase wurden mit entsprechenden Sozialplänen für die ca. 5000 betroffenen Angestellten vertretbare Lösungen gefunden. Die strategischen Ziele des Bundesrates, an deren Beratung die Sozialpartner beteiligt sind, legen zudem auch den Rahmen für eine moderne und soziale Personalpolitik fest. Eine Privatisierung der Swisscom würde die Sozialpartnerschaft untergraben und zum Einfallstor werden für die Abschaffung von Punkt 3 der durch den Bundesrat vorgegebenen strategischen Ziele (personalpolitische Ziele).
Angesichts der Beschäftigtenzahlen bei Swisscom sowie der durch die Telekommunikation getriebenen Weiterentwicklung der Bereiche Wirtschaft, Soziales und Raumplanung nimmt die Swisscom in der Schweiz einen hohen Stellenwert ein. Mit einer Privatisierung würde die Unternehmenskultur der Swisscom von der Sozialpartnerschaft abgekoppelt. Doch es ist gerade diese Sozialpartnerschaft, die, trotz aller Attacken, weiterhin eine wesentliche Rolle für gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen in der Schweiz spielt.