Um das inländische Fachkräftepotenzial zu fördern, hat der Bundesrat zwei neue Massnahmen zur beruflichen Integration in der Schweiz lebender ausländischer Personen erlassen. Die Zielgruppe mit Zugang zu Integrationsvorlehren soll erweitert werden und den Arbeitgebern sollen Finanzhilfen gewährt werden. Für eine möglichst nachhaltige Integration fordert Travail.Suisse die Entrichtung von Löhnen, die den Branchen-Gesamtarbeitsverträgen (GAV) entsprechen, sowie entsprechende Überprüfungen der Arbeitsbedingungen.
Der Bundesrat hat im Mai 2019 einen Katalog mit sieben Massnahmen erlassen, um das inländische Fachkräftepotenzial zu fördern. Zwei dieser Massnahmen beziehen sich auf die Integration von in der Schweiz lebenden ausländischen Personen und werden vom Staatssekretariat für Migration (SEM) von 2021 bis 2023 umgesetzt. Die erste Massnahme soll das momentane Pilotprogramm «Integrationsvorlehre» weiterführen, wobei andere Zielgruppen sowie weitere Berufsfelder einbezogen werden. Die zweite Massnahme sieht Einarbeitungszuschüsse für schwer vermittelbare Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene vor. Diese zwei neuen Massnahmen ergänzen das nationale Dispositiv zur Förderung der beruflichen Integration für in der Schweiz lebende ausländische Personen: Die Integrationsagenda ist seit Mai 2019 in Kraft und weitere Programme laufen. Travail.Suisse unterstützt die Fortschritte zur Förderung der beruflichen Integration ganz allgemein. Einerseits müssen die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegrationsangebote einem immer breiteren Zielpublikum geöffnet werden, um Fälle von Verdrängung oder Diskriminierung zu verhindern. Andererseits verdient jede Integrationsmassnahme, die eine effektive Verrichtung einer Arbeit impliziert, einen Lohn. Dieser Lohn muss dem im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der entsprechenden Branche festgelegten Betrag entsprechen, um Wettbewerb oder Lohndumping zu verhindern und ein gewisses Lebensniveau zu gewährleisten.
Die Integration muss über integrative Programme erfolgen
Seit 2018 erlaubt es das Pilotprogramm «Integrationsvorlehre» (INVOL) einer gewissen Anzahl von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen, eine vorbereitende Ausbildung zu absolvieren, bevor sie eine Lehrstelle antreten. Dieses Programm wird verlängert und unter dem Namen INVOL+ nun auch auf Personen ausserhalb des Asylbereichs, die aus den Staaten der Europäischen Union (EU/EFTA) und aus Drittstaaten stammen, ausgeweitet. Neue Branchen, in denen Fachkräftemangel herrscht – insbesondere der Pflegebereich und die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) –, werden zur Liste der betroffenen Berufsfelder hinzugefügt. Travail.Suisse begrüsst diese Art des Engagements, die das Angebot der INVOL noch integrativer macht, indem es vermehrt auf den Bedürfnissen der Personen als auf deren Status basiert. Es wird insbesondere wichtig sein, dass eine Gleichstellung der Geschlechter gewährleistet ist, indem Berufsbranchen, in denen mehr Männer als Frauen arbeiten, nicht bevorzugt werden. Da Migrantinnen und andere Personenkategorien auf dem Arbeitsmarkt wegen ihres Ausländerstatus oder ihres Geschlechts eher dem Risiko verschiedener Diskriminierungen ausgesetzt sind, ist besonders darauf zu achten, dass die Vorlehrangebote hinsichtlich der Geschlechter ausgewogen sind. Die integrativen Programme, die es erlauben, eine grosse Bevölkerungsgruppe basierend auf ihren Bedürfnissen und nicht auf ihren Status einzubeziehen, ermöglichen nicht nur eine Förderung der Integration, sondern auch, dass Fälle von Verdrängung und Diskriminierung verhindert werden.
Ein GAV-konformer Lohn als Grundlage für die Integration
Um Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen, die auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar sind, einen nachhaltigen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wird das SEM ab 2021 ein Pilotprogramm mit dem Namen «Finanzhilfen für Arbeitgeber» lancieren. Das Programm sieht vor, den Arbeitgebern Einarbeitungszuschüsse zu gewähren, damit jedes Jahr 300 schwer vermittelbare Personen ihre Fähigkeiten verbessern und ihre Chancen auf eine nachhaltige Anstellung mit einem unbefristeten oder längerfristigen Arbeitsvertrag steigern können. Die betreffende Zielgruppe bezieht sich auf Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, die allenfalls bereits Berufserfahrung und ausreichende Sprachkenntnisse haben, jedoch nicht über die Kompetenzen für eine spezifische Stelle in einem Unternehmen verfügen. Travail.Suisse unterstützt dieses Projekt, das es dem Arbeitgeber, der für eine bestimmte Stelle jemanden anstellt, ermöglichen wird, diese Person gemäss dem im Branchen-GAV vorgesehenen Lohn zu entlöhnen. Dieses Vorgehen, das im Bereich der Arbeitslosen- und der Invalidenversicherung bereits angewandt wird, dient als wirksame Prävention, damit keine billigen Arbeitskräfte zu prekären Arbeitsbedingungen angestellt werden. So kann auch die von den Personen effektiv geleistete Arbeit aufgewertet werden und die langfristigen Integrationschancen können dank dem schrittweisen Vorgehen gesteigert werden. Eine berufliche Integration, die den GAV-Lohn berücksichtigt, erlaubt es zudem, ein Lebensniveau zu bieten, das eine Abhängigkeit von der Sozialhilfe verhindert. Es wäre daher wünschenswert, dass künftig noch mehr Personen von diesem Pilotprogramm künftig profitieren könnten und das Programm eine grössere Sensibilisierung bei Kantonen und Regionen bewirken könnte.
Die Rolle der Gewerkschaften in diesem Verfahren
Die Gewerkschaften müssen im Rahmen der nationalen und kantonalen Dialoge, sei es in tripartiten oder in paritären Kommissionen, weiterhin informiert werden. Es ist insbesondere wichtig, die Massnahmen zu kennen, über die der Jobcoach verfügt, der mit der Betreuung von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen bei ihrer Integration betraut ist. Denn der Jobcoach vermittelt zwischen den Unternehmen, dem Kanton und der angestellten Person. Damit die Kontrollmassnahmen verstärkt und an die verschiedenen Situationen der Arbeitsmarktintegration angepasst werden können, sind die Informationen des Jobcoachs von grundlegender Bedeutung. Momentan ist es nicht immer einfach, die verschiedenen Zielgruppen und die Kriterien für den Zugang zu einer Integrationsmassnahme eines spezifischen Programms oder der Integrationsagenda zu erfassen. Das Spektrum der Fachkompetenzen der Personen variiert und ist manchmal schwer messbar. Deshalb braucht es eine klare Definition der verschiedenen Zielgruppen und eine Kohärenz bei den diversen Massnahmen zur Integration der in der Schweiz lebenden ausländischen Personen. Die Gewerkschaften spielen auf jeden Fall eine wichtige Rolle, und ihre Präsenz fungiert als Schutz vor Missbrauchsrisiken.