Die Konzernverantwortungsinitiative fördert menschenwürdige Arbeit und verbessert das Image der Schweizer Wirtschaft
In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft müssen die Konzerne ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Konzernverantwortungsinitiative trägt dazu, diese Verantwortung zu stärken und die Ausbeutung von Arbeitnehmenden und die Zerstörung der Umwelt zu verhindern. So werden der Wohlstand und damit auch gute Arbeitsbedingungen und gute Arbeitsplätze in der Schweiz langfristig gesichert.
Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt», meist Konzernverantwortungsinitiative genannt, verpflichtet Konzerne mit Sitz in der Schweiz, auch im Ausland die international anerkannten Menschenrechte sowie die internationalen Umweltstandards zu respektieren. Diese Bestimmung der Initiative ist für die Angestellten von grösster Bedeutung, da sie die acht Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) umfasst, wie die Gewährleistung der Ausübung der Gewerkschaftsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen, die Nichtdiskriminierung oder das Verbot der Zwangsarbeit und der Kinderarbeit.
Es braucht ein Gesetz, da die Selbstregulierung an ihre Grenzen stösst
Viele Konzerne brüsten sich mit ihrer sozialen Verantwortung – sie veröffentlichen Hochglanzberichte und Verhaltenskodizes für ihre Lieferanten. Allerdings sind die Kontrollen vor Ort mangelhaft, sodass Arbeitnehmende weiterhin ausgebeutet oder die Rechte der indigenen Völker nach wie vor verletzt werden. So hat etwa ein Holcim-Werk auf den Philippinen festangestelltes Personal durch Angestellte von Subunternehmern ersetzt, was die Bau- und Holzarbeiter Internationale (BWI) Ende 2019 dazu bewogen hat, in der Schweiz wegen der Verletzung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen Klage einzureichen. Gemäss einer Studie von Solidar Suisse aus dem Jahr 2019 hat Nestlé Palmöl von Plantagen in Malaysia bezogen, wo viele Kinder beschäftigt sind, was den Verhaltenskodex von Nestlé schlicht ins Lächerliche zieht. Es geht um unfaire Wettbewerbsvorteile. Die freiwillige Selbstregulierung oder gar internationale Instrumente wie die Leitsätze der Vereinten Nationen zu Unternehmen und Menschenrechten reichen nicht mehr aus, weil sie aus rechtlicher Sicht nicht bindend sind. Genau deshalb braucht es eine neue verbindliche Gesetzgebung.
Präventive Wirkung der Wiedergutmachung
Die Konzerne dürfen nicht einerseits von den guten Rahmenbedingungen unseres Landes profitieren und gleichzeitig im Ausland mit unwürdigen Arbeitsbedingungen gegen internationales Recht verstossen. Personen, die von der Tochtergesellschaft eines Schweizer Konzerns geschädigt wurden, müssen eine Entschädigung verlangen können. Das von der Initiative vorgesehene Vorgehen ist vernünftig; der Konzern haftet nicht, wenn er beweisen kann, dass er der Tochtergesellschaft Anweisungen erteilt und Kontrollen durchgeführt hat. Die geschädigte Person muss ihrerseits auch belegen, dass sie einen Schaden erlitten hat und dass der Konzern oder seine Tochtergesellschaft dafür verantwortlich ist. Diese Kriterien haben somit eine präventive Wirkung, die die Sorgfaltspflicht der Unternehmen stärkt, was wiederum positiven Einfluss auf die menschenwürdige Arbeit hat.
Allergrösste Mehrheit der KMU nicht betroffen
Die Initiative betrifft alle multinationalen Unternehmen, die ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung in der Schweiz haben (rund 1500 Unternehmen), schliesst jedoch KMU (bis 250 Angestellte) aus, sofern ihr wichtigster Tätigkeitsbereich sich nicht in einem Hochrisikosektor befindet (z. B. Handel mit Gold oder Diamanten). Trotz häufiger gegenteiliger Behauptungen nimmt die Initiative die kleinen und mittleren Unternehmen als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft von den Regelungen aus.
Irreführende Aussage des Bundesrates: Nein, die Schweiz macht keinen Alleingang!
Für den Bundesrat «wäre eine solch weitgehende Haftung in dieser Form international einmalig und würde weit über das Ziel hinausschiessen»(1). Das entspricht allerdings nicht der Realität. Denn die Entwicklung, den Konzernen eine Sorgfaltspflicht und die Regeln der zivilen Verantwortung aufzuerlegen, ist bereits in vielen Ländern im Gang. Frankreich hat 2017 das «Loi de vigilance» eingeführt, das den Forderungen der schweizerischen Initiative entspricht, da es ebenfalls einen Mechanismus der zivilen Wiedergutmachung umfasst. In Grossbritannien, in Kanada und in den Niederlanden können Geschädigte bereits vor Gericht eine Entschädigung einfordern, wie dies die Initiative verlangt. In der Europäischen Union wird 2021 eine neue Richtlinie erwartet, die eine Haftpflicht umfassen soll. Wenn sich die Schweiz also weiterhin gegen eine solche Regelung sperrt und nicht auf die internationale Tendenz einschwenkt, könnte dies dem guten Ruf unseres Landes schaden. Falls die Initiative an der Urne verworfen werden sollte, tritt ein indirekter Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft. Allerdings wäre dies eine reine Alibiübung, da der Vorschlag nur die Sorgfaltspflicht der Konzerne in den Bereichen Erz und Kinderarbeit betrifft und sie lediglich zur Veröffentlichung eines Berichts verpflichtet, womit der Missbrauch nicht eindämmt wird.
Gerechtere Wettbewerbsregeln: gut für die Beschäftigung und die Arbeitsbedingungen
Die Gegner drohen bei einer Annahme der Initiative mit Stellenabbau. Doch die Konzerne haben im Allgemeinen bereits Sorgfaltsmechanismen eingeführt. Es geht nun vor allem darum, dass sie auch angewandt werden. Die damit verbundenen Kosten halten sich in Grenzen. Kommt hinzu, dass nur die Tochtergesellschaften betroffen sind und – mit einigen wenigen Ausnahmen – nicht die Lieferanten. Es ist nicht ersichtlich, wie die Initiative unter diesen Bedingungen der Beschäftigung schaden könnte. Ganz im Gegenteil: Verantwortungsbewusste Konzerne werden von der Öffentlichkeit positiver wahrgenommen, was ihren Geschäftsgang und indirekt auch die Beschäftigung fördert. Die Initiative begünstigt ausserdem einen gerechteren Wettbewerb in der Weltwirtschaft, wenn das Sorgfaltsprinzip konsequenter angewandt wird. Das führt zu einem besseren Arbeitnehmendenschutz in den weltweiten Produktionsketten.
Sensibilisierung und Mobilisierung der Arbeitnehmenden in der Schweiz
Zum Glück unterstützen auch viele Unternehmen und bürgerliche Politiker die Initiative, weil sie verstanden haben, welche Vorteile sie für den Wirtschaftsplatz Schweiz hat. Allerdings verfügen die Gegner über enorme finanzielle Mittel, die sie im Kampf gegen die Initiative einsetzen. Deshalb müssen wir uns bis zum Schluss für die Initiative mobilisieren. Travail.Suisse und die Syna, beides Mitglieder der breiten Allianz der Zivilgesellschaft, die die Initiative unterstützt, werden im Rahmen einer internen Kampagne ihre Mitglieder sensibilisieren und mobilisieren. Dafür steht unter anderem ein Flyer mit Aussagen von Angestellten, welche die Initiative unterstützen, weil sie in verantwortungsbewussten Unternehmen arbeiten oder aus ethischer Sicht einwandfreie Produkte kaufen wollen, zur Verfügung. Mobilisieren wir uns also bis zum Schluss, um der Initiative am 29. November zum Sieg zu verhelfen.