Die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative), über die am 25. November abgestimmt wird, ist so gefährlich, dass bereits viel darüber geschrieben wurde und sich viele Gegnerinnen und Gegner allen Lagern für die Nein-Kampagne engagieren. Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments haben sich ebenfalls gegen die Initiative ausgesprochen. Wichtig ist jetzt, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern aufzuzeigen, inwiefern diese Initiative ihren Rechten und ihren Arbeitsbedingungen schaden kann.
Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, empfiehlt seinen Mitgliedsverbänden die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) zur Ablehnung. Diese antidemokratische Initiative will, dass das Verfassungsrecht Vorrang vor dem Völkerrecht hat. Dies würde dazu führen, dass die internationalen Verträge, die die Schweiz abgeschlossen hat, allenfalls neu verhandelt oder gekündigt werden müssen. Diese Initiative ist gefährlich und würde bei einer Annahme nicht nur die europäischen und die internationalen Beziehungen der Schweiz, sondern auch und insbesondere die Rechte der Arbeitnehmenden untergraben. Aus diesem Grund wird sich Travail.Suisse für die Ablehnung der Selbstbestimmungsinitiative engagieren und den Arbeitnehmenden deren negative Auswirkungen auf ihre Rechte aufzuzeigen.
Das Völkerrecht betrifft verschiedene Arbeitnehmendenrechte
Im Alltag vieler Arbeitnehmenden in der Schweiz illustrieren mehrere Beispiele die Rolle und die Bedeutung des Völkerrechts. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), die die Schweiz ratifiziert hat, legen Grundrechte fest. Der Schutz der Grundrechte, die sowohl in der Verfassung als auch in den internationalen Normen verankert sind, kommt den Arbeitnehmenden zugute. Beispiele für solche Grundrechte sind die Vereinigungsfreiheit, das Zutritts- und das Informationsrecht im Betrieb, die Gleichstellung von Mann und Frau und der Schutz vor gewerkschaftsfeindlichen Entlassungen.
In konkreten Situationen, wo die Angestellten oder ihr Unternehmen in der Schweiz eine Verbindung zu anderen Ländern haben, spielt das internationale Recht bei der Rechtsstellung von Privatpersonen ebenfalls eine entscheidende Rolle. In Bezug auf die AHV oder andere Sozialversicherungen können die Arbeitnehmenden etwa den Rechtsbestimmungen des von der Schweiz abgeschlossenen Freizügigkeitsabkommens sowie anderer internationaler Regelungen oder Übereinkommen unterstehen. Falls das schweizerische Recht und das Recht eines anderen europäischen Staates wegen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit in beiden Ländern zur Anwendung kommen, können die betroffenen Arbeitnehmenden dank einer Regelung der Europäischen Union eine AHV-Rente beziehen, wie wenn sie ausschliesslich in der Schweiz gearbeitet hätten. Zudem untersteht der Export eines in der Schweiz hergestellten Produkts, das die Existenz gewisser in der Schweiz tätiger Unternehmen bestimmt und damit die Arbeitsbedingungen und die Stellen vieler Arbeitnehmenden schützt, dem Völkerrecht. Dank des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) darf ein Unternehmen in der Schweiz, das z. B. seine Uhren ins Ausland exportiert, diese weiterhin ohne Einschränkung in mehreren Ländern verkaufen. Dieser Vorteil kommt in der Regel auch den Angestellten dieses Unternehmens zugute.
Das Völkerrecht heute
In Anbetracht der zahlreichen Beispiele ist es unabdingbar, die Rechte zu wahren, mit welchen sich die Arbeitnehmenden für würdige Arbeits- und Lohnbedingungen wehren können. In einem Umfeld, wo die Globalisierung sowohl in der Privatsphäre als auch auf dem Arbeitsmarkt voranschreitet, müssen internationale Beziehungen gepflegt werden, um Normen zum Schutz der Interessen von Staat und Bevölkerung zu erhalten. In der Schweiz gibt es eine Besonderheit: Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger können sich zu zahlreichen internationalen Abkommen äussern und an Volksabstimmungen entscheiden, ob sie für unser Land die Vor- und Nachteile des jeweiligen Abkommens akzeptieren. Ausserdem werden die Abkommen, die die Schweiz zu ratifizieren beschliesst, im Vorfeld ausgehandelt, damit sie an die Situation im schweizerischen Recht angepasst werden können. Das Völkerrecht ist also kein aufgezwungenes und autoritäres Recht, sondern entsteht im Gegenteil in Verhandlungen sowie aus einem Konsens unter den Staaten.
Diese Initiative ablehnen heisst seine Rechte wahren!
Für die Arbeitnehmenden ist es daher im Hinblick auf die Abstimmung vom 25. November 2018 wichtig, den Kontext des Völkerrechts zu verstehen, aber auch, welche Aspekte des Berufslebens betroffen sein könnten. Ausserdem darf auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass ein grosser Teil des Völkerrechts Teil des schweizerischen Rechts ist, weil die Grundrechte mehrheitlich in der Bundesverfassung verankert sind. Beim Völkerrecht handelt es sich also nicht um ausländisches Recht, sondern um ein Recht, das an die Bedingungen in der Schweiz angepasst wurde. Wenn man übrigens seine Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) verteidigen oder geltend machen will, fällen Richterinnen und Richter aus den Unterzeichnerstaaten der EMRK die Urteile. Auch die Schweiz stellt einen Richter im EMGR – daher ist die Bezeichnung «fremde Richter» irreführend. Um gewisse konkrete Rechte zu wahren und sie weiterhin sowohl vor den Gerichten in der Schweiz als auch auf internationaler Ebene einzufordern, müssen die Arbeitnehmenden am 25. November 2018 ein Nein zu dieser Initiative in die Urne legen.