Weltweit gibt es über 50 Millionen Hausangestellte, die mehrheitlich unter prekären Bedingungen arbeiten. Deshalb ist es wichtig, das IAO-Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte zu ratifizieren, das zentrale Instrument zur Verbesserung der Situation dieser Beschäftigten. Die Schweiz sollte das Übereinkommen unbedingt ratifizieren, weil sie damit einerseits ihre internationale Solidarität zum Ausdruck bringt und andererseits die hauswirtschaftliche Arbeit auch in unserem Land an Bedeutung gewinnt.
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzte 2010 die weltweite Zahl der Hausangestellten auf 52,6 Millionen Personen. Hinzu kommen 7,4 Millionen Hausangestellte unter 15 Jahren – diese Zahl hat zwischen 2008 und 2012 um fast 10 Prozent zugenommen, während die weltweite Kinderarbeit insgesamt zurückging. Rund 80 Prozent des Hauspersonals sind Frauen.
Hausangestellte gehören meistens besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppen an (Frauen, Jugendliche, Migranten oder alles kombiniert). Entsprechend häufig werden sie ausgebeutet und ihrer Rechte beraubt. Weil sie in Privathaushalten arbeiten, sind ihre Arbeitsbedingungen schwieriger zu kontrollieren. In vielen Ländern werden die nationalen Arbeitsgesetze überhaupt nicht beachtet, wenn es um Hauspersonal geht.
Hausangestellte haben häufig sehr niedrige Löhne, ein enormes Arbeitspensum und keinen garantierten freien Tag pro Woche. Oftmals werden sie Opfer von Gewalt, insbesondere von sexuellen Übergriffen. Manche können sich nicht frei bewegen. In gewissen Ländern (Bangladesch, Thailand, aber auch in den USA!) ist es Hausangestellten gesetzlich untersagt, eigene Gewerkschaften zu gründen oder sich anderen Gewerkschaften anzuschliessen, vor allem für Migrantinnen und Migranten.
Hoffnungsschimmer
Das 2011 verabschiedete ILO-Übereinkommen Nr. 189 zum Hauspersonal soll dafür sorgen, dass alle Arbeitnehmenden unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten können. Deshalb räumt es den Hausangestellten dieselben Rechte ein wie den übrigen Beschäftigten. Derzeit kommt für lediglich 10 Prozent aller Hausangestellten das allgemeine Arbeitsrecht zur Anwendung. Das Übereinkommen Nr. 189 enthält deshalb Vorschriften zu den Arbeitsbedingungen, beispielsweise zur Arbeitszeit, Entlöhnung, Sicherheit und Gesundheit. Es schützt zudem Migrantinnen und Migranten, die als Hausangestellte arbeiten, vor dem Missbrauch durch private Arbeitsvermittlungen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Hausangestellten, die in den Privathaushalten leben.
Die Annahme des ILO-Übereinkommens Nr. 189 im Jahr 2011 und das Inkrafttreten im September 2013 haben zur weltweiten Sensibilisierung für die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Hauspersonals beigetragen. So haben in den vergangenen zwei Jahren weltweit 25 Länder den rechtlichen Schutz für das Hauspersonal verbessert. Dies war insbesondere der Fall in lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien, Brasilien oder Venezuela. Im März 2013 verabschiedete Brasilien eine Verfassungsänderung, mit der rund 6,5 Millionen Hausangestellte das Recht auf eine Arbeitslosenversicherung, eine Rente und eine Wochenarbeitszeit von 44 Stunden erhielten. In Europa verankerte Spanien im November 2011 Mindestanforderungen, unter anderem für Lohn, freie Tage und die Abgeltung der Arbeit auf Abruf. Die Situation des Hauspersonals in Asien und im Nahen Osten hat sich hingegen kaum verbessert.
Ein wirksames Instrument im Kampf gegen die Diskriminierung
11 Länder haben das ILO-Übereinkommen Nr. 189 bereits ratifiziert, in Europa etwa Italien und Deutschland, weitere Länder prüfen eine Ratifizierung. Die Schweiz könnte angesichts des wachsenden Bewusstseins dafür, dass es endlich einen besseren Schutz für das Hauspersonal braucht, mit der Ratifikation des Übereinkommens Nr. 189 international ein Zeichen der Solidarität setzen und – noch besser – klar signalisieren, dass der eingeschlagene Weg zur rechtlichen Gleichstellung dieser Gruppe von Arbeitnehmenden weiterzugehen ist. Weil die meisten Hausangestellten Frauen sind, ist das Übereinkommen auch ein wirksames Instrument im Kampf gegen die Diskriminierung.
Im Januar 2013 verabschiedete der Bund mit Unterstützung der Sozialpartner eine Strategie, welche die Rolle der Schweiz in der IAO stärken soll. Diese Strategie beruht auf drei Säulen: a) Stärkung der ILO, b) Ratifikation und Anwendung der ILO-Übereinkommen in der Schweiz und c) Förderung der menschenwürdigen Arbeit weltweit. Angesichts dieser Strategie und insbesondere der Säule c) wäre es kaum verständlich, wenn die Schweiz dieses Übereinkommen nicht ratifiziert.
Auch eine innenpolitische Dimension
Mit der Alterung der Bevölkerung in der Schweiz und in vielen anderen Industrieländern gewinnt die Frage des Hauspersonals bei uns an Bedeutung, da die Nachfrage nach Beschäftigten in Privathaushalten wächst. Deshalb hat die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 189 auch eine innenpolitische Dimension. Es ist bekannt, dass Hausangestellte in der Schweiz sehr häufig unter prekären Bedingungen arbeiten, vor allem, weil es sich meistens um Migrantinnen und Migranten handelt, die ihre Rechte nur schwierig verteidigen können, namentlich solche ohne Aufenthaltsbewilligung.
Die Schweiz hat im Übrigen die Gefahr der Ausbeutung von Hausangestellten erkannt: Der einzige landesweit geltende Normalarbeitsvertrag (NAV) betrifft nämlich das Hauspersonal. Er legt Minimallöhne aufgrund der Erfahrung und Qualifikation fest. Die übrigen Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Ruhezeit, Vermittlung usw.) der Hausangestellten sind in kantonalen Gesamtarbeitsverträgen oder durch das Obligationenrecht geregelt.
In diesem Sinne ist die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 189 eine logische Fortsetzung dieses Normalarbeitsvertrags, womit sie auch eine innenpolitische Dimension aufweist.
Der Bundesrat empfiehlt, das Übereinkommen Nr. 189 zu ratifizieren, weil er darin ein Zeichen internationaler Solidarität sieht. Ausserdem hat die rechtliche Analyse des Übereinkommens durch den Bund ergeben, dass keine Gesetzesänderungen erforderlich sind. Die Kantone wurden ebenfalls konsultiert, und auch sie befürworten das Übereinkommen. Es ist erfreulich, dass sich die zuständige Kommission des Ständerats am 10. Januar 2014 sehr deutlich für die Ratifizierung des Übereinkommens ausgesprochen hat. Der Ratifizierungsprozess ist somit trotz Widerstand der Arbeitgeber auf gutem Weg.