Im Rahmen der Internationalen Arbeitskonferenz hat der neue Generaldirektor der Organisation, Guy Ryder, die Teilnehmenden eingeladen, sich Gedanken über den Arbeitsplatz der Zukunft «in unserem Leben und unserer Gesellschaft» zu machen. Die Konferenz befasste sich zudem erstmals mit dem Thema «grüne Arbeitsplätze», das angesichts der ökologischen Herausforderungen klar an Bedeutung gewinnt. Die Kommission für die Einhaltung der Arbeitsnormen konnte nach einer Blockade im vergangenen Jahr erfreulicherweise wieder Fälle von Ländern prüfen, die sich nicht an die internationalen Arbeitsübereinkommen halten. Schliesslich verabschiedete die Schweiz parallel zur Konferenz mit den Sozialpartnern eine nationale Strategie für ihr Engagement in der IAO.
Wird die Zahl 7 der IAO und den Arbeitnehmenden Glück bringen? Es ist zu hoffen. Guy Ryder, Generaldirektor der IAO, richtet den Blick jedenfalls in die Zukunft und hat deshalb zum hundertjährigen Bestehen der IAO im Jahr 2019 sieben Initiativen angekündigt. Diese betreffen die Themen Gouvernanz, Arbeitsnormen, Unternehmen, grüne Arbeitsplätze, Armut, Frauen und die Arbeit der Zukunft. Die Initiativen sollen die Rolle der IAO stärken und der Arbeit wieder mehr Gewicht verleihen – in einer globalisierten Wirtschaft, die mehr Reichtum, aber auch grössere Ungleichheiten und einen Trend zu prekären Arbeitsverhältnissen bringt.
An der Konferenz wurden mehrere Resolutionen verabschiedet:
• Eine Resolution, welche die IAO einlädt, die Beschäftigung und den sozialen Schutz mit dem Ziel zu fördern, die demografischen Herausforderungen zu bewältigen. Es ist unabdingbar, die Beschäftigungsquote zu erhöhen, um den Bedarf an sozialem Schutz und wirtschaftlicher Entwicklung zu decken.
Das rückläufige Angebot an Arbeitskräften aufgrund der alternden Bevölkerung verlangt nach Massnahmen zur Produktivitätssteigerung in Bereichen wie lebenslanges Lernen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder Bekämpfung altersbedingter Diskriminierungen. Zum Beispiel sollten die Alterslimiten für den Eintritt in eine Lehre oder Grundausbildung aufgehoben werden. Travail.Suisse fordert dies auch in der Schweiz.
• Eine Resolution zur Diskussion über den sozialen Dialog. Die IAO erachtet diesen in Kombination mit dem Tripartismus als das vielversprechendste Modell für soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsverhältnisse und menschenwürdige Arbeit. Zur Förderung des sozialen Dialogs ist ein Aktionsplan vorgesehen.
Grundlage des sozialen Dialogs ist die Achtung der Gewerkschaftsfreiheit und die Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen in der Praxis. Diese Rechte gelten für alle Arbeitnehmenden, alle Branchen und sämtliche Arbeitsverhältnisse, auch im öffentlichen Sektor, in der informellen Wirtschaft, in der ländlichen Wirtschaft, in Freihandelszonen, für Mikrofirmen und KMU sowie für Hauspersonal und die Migrationsbevölkerung. Mit der Wirtschaftskrise und den Reformen, die gewisse Länder mit Folgen sowohl für den öffentlichen Sektor als auch für die Privatwirtschaft eingeleitet haben, wurden die Anwendungsbereiche des sozialen Dialogs eingeschränkt, die Mechanismen für Kollektivverhandlungen geschwächt und die Unabhängigkeit der Sozialpartner beeinträchtigt.
• Eine Resolution für eine nachhaltige Entwicklung, menschenwürdige Arbeit und grüne Arbeitsplätze. Die Schlussfolgerungen dieser Resolution müssen bei künftigen Programmen der IAO berücksichtigt werden. Eine nachhaltige Entwicklung etwa setzt eine aktive Beteiligung der Arbeitswelt voraus. Nettogewinne in der Gesamtbeschäftigung sind möglich durch Investitionen in Produktion und Konsum, die ökologisch nachhaltig sind.
Notwendig sind aber auch Überlegungen dazu, wie im Rahmen eines gerechten Übergangsprozesses Arbeitnehmende umgeschult und weitergebildet werden können, die ihre Arbeit aufgrund des Stellenabbaus in umweltbelastenden Branchen oder Sektoren verlieren.
Die Kommission für die Einhaltung der Arbeitsnormen konnte 25 Länder prüfen, die ihre Pflichten bei der Anwendung der Arbeitsrechte missachten, häufig in schwerwiegender Weise. Im vergangenen Jahr wurde dies dadurch verunmöglicht, dass die Arbeitgebergruppe insbesondere die Auslegung des Übereinkommens Nr. 87 zur Gewerkschaftsfreiheit und das daraus implizit folgende Streikrecht ablehnte. Die Grundsatzfragen sind nach wie vor nicht geregelt, es besteht jedoch der Wille, diese zu lösen.
Neben den Verstössen gegen die internationalen Arbeitsübereinkommen bespricht die Kommission für die Einhaltung der Arbeitsnormen jedes Jahr eine Übersichtsstudie zu einem ausgewählten Thema. In diesem Jahr ging es um die Frage der Kollektivverhandlungen im öffentlichen Sektor. Diese ist geregelt durch das Übereinkommen Nr. 151 über die Beschäftigungsbedingungen im öffentlichen Dienst von 1978 und das Übereinkommen Nr. 154 über Kollektivverhandlungen von 1981. Die Übersichtsstudie kommt zum Schluss, dass Arbeitnehmende im öffentlichen Sektor das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit und Kollektivverhandlungen häufig nicht ohne Schwierigkeiten wahrnehmen können. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Arbeitsbedingungen markant verändert und dazu geführt, dass in vielen Ländern kaum mehr Unterschiede zwischen Arbeitnehmenden im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft bestehen.
Eine Strategie der Schweiz für die IAO
Im Zusammenhang mit der Internationalen Arbeitskonferenz ist zu begrüssen, dass die Schweiz in der IAO aktiver werden möchte. Aus diesem Grund hat die Tripartite eidgenössische Kommission für Angelegenheiten der IAO, in der Travail.Suisse vertreten ist, eine entsprechende Strategie 1 erarbeitet.
Diese Strategie stützt sich auf drei Schwerpunkte: das Engagement zur Stärkung der IAO, die glaubwürdige Anwendung und Förderung der IAO-Normen in der Schweiz und die weltweite Förderung menschenwürdiger Arbeit. In einer Welt, in der eine zunehmend internationalisierte Wirtschaft soziale, arbeitsrechtliche und ökologische Ziele in den Hintergrund drängt, ist jede Stärkung der IAO zu begrüssen – es ist die einzige weltweit aktive tripartite Organisation (Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmende), die sich um Arbeitsfragen kümmert.