Die Klimakonferenz im südafrikanischen Durban ist wichtig, weil das Kyoto-Protokoll – das internationale Abkommen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen – nächstes Jahr ausläuft. Die Industriestaaten müssen die Grundlagen für eine neue Verpflichtungsperiode zur Reduktion der Treibhausgasemissionen nach 2020 schaffen. Ausserdem wird es immer dringlicher, dass sich auch Schwellenländer wie China oder Brasilien zu verbindlichen Zielen verpflichten. Fortschritte im Kampf gegen die Klimaerwärmung sind jedoch nur zu erzielen, wenn im Sinne eines fairen Übergangs auch die damit verbundenen Folgen für die Gesellschaft und die Beschäftigung berücksichtigt werden.
Travail.Suisse verlangt, dass die Schweiz bei diesen Verhandlungen eine Führungsrolle einnimmt und sich für eine Reduktion der Treibhausgase bis 2020 um 30 Prozent und danach um einen deutlich höheren Wert einsetzt, damit die Temperatur auf der Erde nicht um mehr als 2°C steigt. Dieses Niveau empfiehlt auch die Internationale Sachverständigengruppe für Klimaveränderungen (IPCC). Ein Temperaturanstieg von über 2°C hätte für die Umwelt und die Menschen schwerwiegende Folgen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Industrieländer ihre Emissionen bis 2050 um über 80 Prozent reduzieren. Es ist sogar möglich, dass die IPCC-Experten ihre Position demnächst revidieren und einen Temperaturanstieg von nur noch eineinhalb Grad als tragbar erachten. In diesem Fäll müsste der Ausstoss noch stärker gesenkt werden.
Ohne faire Übergangslösungen sind die klimapolitischen Ziele weltweit gefährdet
Damit der Treibhausgasausstoss in den nächsten Jahrzehnten wirklich massiv reduziert werden kann, gilt es, die Energieeffizienz erheblich zu steigern und die erneuerbaren Energien konsequent zu fördern. In diesem Kontext erscheint die «Green Economy», die «grüne Wirtschaft», als neues Allheilmittel, das unverhofft alle Probleme löst. Entsprechend nimmt sie auch einen zentralen Platz in der neuen «Strategie Nachhaltige Entwicklung» der Schweiz ein, die Ende 2012 die aktuelle Strategie ersetzen wird. Und im kommenden Juni wird das Thema «Cleantech» im Rahmen des «Rio+20»-Gipfels zur nachhaltigen Entwicklung ebenfalls weit oben auf der Agenda stehen. Allerdings droht dabei vergessen zu gehen, dass eine nachhaltige Entwicklung wesentlich mehr als saubere Technologien beinhaltet: Sie besteht aus den drei Komponenten Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaft, und keine dieser Komponenten darf auf Kosten der anderen gefördert werden, sondern es braucht einen umfassenden Ansatz.
Saubere Technologien sind zwar wichtig im Kampf gegen die Klimaerwärmung, genügen aber nicht. Denn von den «Cleantech» werden zwar viele Unternehmen und Branchen profitieren (vor allem der Bau- und Industriesektor, etwa die Maschinenindustrie). Für viele Unternehmen geht aber eine Reduktion der Treibhausgase auch mit einer Kostenanpassung oder einem Verlust von Marktanteilen einher. Zu den Verlierern dieser Entwicklung dürften der Strassenverkehr, energieintensive Industriezweige und die Rohstoffindustrie gehören.
Je nach Land braucht es deshalb mehr oder weniger weitreichende Massnahmen für einen fairen Übergang. Sie sollen dafür sorgen, dass die Arbeitnehmenden von Unternehmen, die zu den Verlierern dieser Entwicklung gehören, Ausbildungs- oder Umschulungsprogramme absolvieren können, damit sie in einer anderen Funktion oder in einer anderen Branche eine Anstellung finden.
Aus sozialer Sicht könnte die Notwendigkeit zur Reduktion der Treibhausgase die Strom- und Heizkosten stark in die Höhe treiben, worunter besonders Haushalte mit bescheidenem Einkommen leiden würden, da ihr Spielraum bei der Wahl der Energieversorgung beschränkt ist. Zudem wenden weniger gut gestellte Haushalte bereits heuten einen grösseren Teil ihres Einkommens für Strom- und Heizkosten auf.
Mit anderen Worten: Travail.Suisse verlangt, dass in Durban bei einem künftigen Klimaabkommen auch die Frage eines fairen Übergangs berücksichtigt wird. Konkret braucht es verbindliche Massnahmen zur Abfederung der sozialen Folgen und der Auswirkungen einer Treibhausgasreduktion auf die Beschäftigung. Andernfalls besteht ein hohes Risiko, dass der Übergang von einer CO2-intensiven Wirtschaft zu einer Wirtschaft, bei der das Wachstum vom Ressourcen- und Energieverbrauch abgekoppelt wird, zum Scheitern verurteilt ist, weil die Folgen für die Beschäftigung und die Einkommen nicht genügend berücksichtigt wurden.
Grundpfeiler eines fairen Übergangs
Travail.Suisse ist der Meinung, dass ein fairer Übergang auf folgenden Hauptpfeilern beruht:
1. Einbezug der Arbeitnehmenden und Gewerkschaften bei der Berücksichtigung der Folgen für die Beschäftigung während des Übergangs zu nachhaltigen, energie- und ressourcensparenden Produktionsverfahren. Energie- und Klimafragen sollen in den Unternehmen nicht nur in der Chefetage, sondern im Rahmen der Partizipationsrechte besprochen werden.
2. Innovation und die Schaffung von grünen Arbeitsplätzen dank Investitionen in saubere Technologien.
3. Fördern von Ausbildungen und Kompetenzen im Bereich Cleantech, da sich sonst die bereits vorhandene Tendenz eines Mangels an qualifizierten Arbeitskräften in allen Sparten der sauberen Technologien noch verschärfen wird.
4. Berücksichtigung der Folgen von klimapolitischen Massnahmen – beispielsweise neue Steuern oder Abgaben – auf die Einkommen und die Kaufkraft der Haushalte mit bescheidenem Einkommen und Einführung entsprechender sozialer Korrekturmassnahmen. Unter demselben Gesichtspunkt ist in einem Land wie der Schweiz auch den Folgen für Randregionen Rechnung zu tragen.
Travail.Suisse erwartet deshalb von der Schweizer Delegation in Durban, dass sie sich für die Berücksichtigung fairer Übergangslösungen in einem künftigen globalen Klimaabkommen einsetzt. Ein Schritt in diese Richtung wurde im Übrigen bereits getan, da im Abkommen von Cancun – das Ergebnis der letzten Klimakonferenz vom Dezember 2010 – Folgendes steht: «Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass der Kampf gegen den Klimawandel einen Paradigmenwechsel erfordert. Nur so kann eine CO2-arme Gesellschaft geschaffen werden, die Chancen bietet, ein hohes Wachstum erzielt und eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet, basierend auf innovativen Technologien und mehr Nachhaltigkeit in der Produktion, beim Konsum und im Lebensstil, und die gleichzeitig einen fairen Übergang für die Beschäftigten, insbesondere faire Arbeitsbedingungen und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze, sicherstellt.» 1
Ausserdem soll die Schweiz in Durban die EU unterstützen, wenn diese dafür kämpft, dass auch die Schwellenländer klare Reduktionsziele für ihre Emissionen festlegen. Heute stehen saubere Technologien zur Verfügung, die es ermöglichen, das hohe Wachstum in diesen Ländern vom Treibhausausstoss abzukoppeln. Deshalb ist die Behauptung, der Entwicklungsbedarf in diesen Ländern sei nicht mit verbindlichen (anstelle von freiwilligen) Zielen zur Reduktion der Treibhausgase vereinbar, nicht mehr haltbar. Allerdings ist zu befürchten, dass die EU, die international aufgrund der Schuldenkrise geschwächt ist, ihre Ziele nicht wird durchsetzen können. Auch wenn in Durban möglicherweise nicht bereits Reduktionsziele zum Treibhausgasausstoss für die Verpflichtungsperiode nach Ablauf des Kyoto-Protokolls festgelegt werden, ist zumindest zu hoffen, dass mit der Konferenz ein grosser Schritt in diese Richtung erfolgt.