In seiner Schlussabstimmung hat das Parlament den Sozialpartner-Kompromiss zur Anpassung der flankierenden Massnahmen angenommen. Damit sind für Travail.Suisse, den Dachverband der Arbeitnehmenden, die Minimalforderungen erfüllt. Der Vorstand von Travail.Suisse hat beschlossen, das Referendum gegen die Ausdehnung des freien Personenverkehrs weder zu ergreifen noch zu unterstützen.
Mit der EU-Erweiterung und der Ausdehnung des freien Personenverkehrs öffnet die Schweiz ihren Arbeitmarkt für zehn weitere Staaten. In Anbetracht der immensen Lohndis-paritäten, der hohen Arbeitslosenraten und der tieferen Wohlstandsniveaus in den neuen Mitgliedstaaten der EU sind Befürchtungen vor Lohn- und Sozialdumping berechtigt. Dies umso mehr, als dass die ersten Erfahrungen mit den bisherigen EU-Staaten gravierende Lü-cken in der Umsetzung der flankierenden Massnahmen gezeigt haben.
Parlament erkennt den Ernst der Lage
Das Parlament hat die Verunsicherung der Arbeitnehmenden ernst genommen. Es ist dem Sozialpartner-Kompromiss, der eine Verstärkung des Vollzugsinstrumentariums vorsieht, in allen Punkten gefolgt und hat der Revision der flankierenden Massnahmen zugestimmt.
Die wichtigsten Massnahmen sind dabei:
Einstellung von Inspektoren
Die Inspektoren sollen einheitliche Standards in den Kantonen gewährleisten. Rund 150 Inspektoren sollen angestellt werden, 50/50 bezahlt durch Bund und Kantone.
Schriftliche Information der Arbeitnehmenden über die Arbeitsbedingungen
Um effizient kontrollieren zu können, ist es notwendig, dass der Arbeitnehmende ein Schriftstück besitzt, auf dem die wesentlichen Arbeitsbedingungen festgehalten sind.
Änderung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Gesamtarbeitsverträgen
Das Heraufsetzen des Arbeitnehmerquorums und das Weglassen des Arbeitgeberquorums sind eine wichtige Verbesserung zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
Travail.Suisse hat sich zusammen mit der Arbeitgeberseite für den Kompromiss stark gemacht und ist erfreut, dass sich die sozialpartnerschaftliche Lösung durchgesetzt hat.
Falsches Spiel von rechts aussen
Travail.Suisse verurteilt das falsche Spiel der SVP und Schweizer Demokraten. Sie wehren sich mit Lohndumping-Argumenten gegen die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit, bekämpfen aber gleichzeitig die Verstärkung der flankierenden Massnahmen. Es geht ihnen nicht um einen wirksamen Arbeitnehmerschutz, sondern ausschliesslich darum, für ihre fremdenfeindliche Politik eine weitere Plattform zu besetzen.
Weitere Probleme sind zu lösen
Mit der Anpassung der flankierenden Massnahmen ist die Arbeit indes noch nicht getan. Es sind weitere Gesetzeslücken im Bereich der Sanktionsmöglichkeiten, der Temporärarbeit und der Scheinselbständigkeit zu stopfen. Postulate dazu sind schon eingegeben:
- Es muss verhindert werden, dass Scheinselbständige in der Schweiz Aufträge zu Dumpingpreisen ausführen.
- Die Sanktionen gegen Lohn- und Sozialdumping müssen griffig und wirkungsvoll umgesetzt werden können.
- Es gilt zu verhindern, dass die Temporärfirmen beim Personalverleih die geltenden Gesamtarbeitsvertragsbestimmungen unterlaufen.
Umsetzung der bisherigen flankierenden Massnahmen konsequent angehen
Das Zusatzprotokoll zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit und damit die Revision der flankierenden Massnahmen werden frühestens per 2006 in Kraft treten. In der Zwischenzeit darf aber keine Laisser-Faire-Politik betrieben werden. Die Kantone sind aufgefordert, die bisherigen flankierenden Massnahmen konsequent und entschieden umzusetzen und den tripartiten Kommissionen die dazu notwendigen personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Task-Force „flankierende Massnahmen“, die im November von Bundespräsident Joseph Deiss eingesetzt wurde, muss diese Umsetzung kontrollieren. Tra-vail.Suisse ist durch seine Verbände mit rund 25 Personen in den kantonalen und nationalen tripartiten Kommissionen vertreten und hat ebenfalls einen Sitz in der Task-Force. Sie wer-den dafür sorgen, dass in diesem für den Arbeitsmarkt der Schweiz fundamentalen Geschäft nicht weiter getrödelt wird.
Der freie Personenverkehr darf nicht zum Verlustgeschäft für die Arbeitnehmenden der Schweiz werden. Ein weiterer Schritt zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping hat das Parlament heute gemacht. Dieser muss sich bewähren, sonst stellt sich die Referendumsfrage im Jahr 2009 abermals.