Inspiration aus ganz Europa
Ende Mai fand in Berlin der Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbunds EGB statt. Travail.Suisse nahm mit einer vierköpfigen Delegation am Kongress teil und brachte sich zum Aktionsprogramm des EGB ein. Der viertägige Kongress nahm Stellung zu den aktuellen Themen in der europäischen Gewerkschaftslandschaft und inspirierte für zukünftige Herausforderungen.
Vom 23. bis 26. Mai fand in Berlin der Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbunds statt, bei dem sich die grossen nationalen Gewerkschaftsdachorganisationen trafen. Travail.Suisse wurde vom Präsidenten Adrian Wüthrich, der Geschäftsleiterin Edith Siegenthaler, dem Leiter Wirtschaftspolitik Thomas Bauer und dem Vorstandsmitglied und Syna-Vertreterin Véronique Rebetez vertreten. Die vierköpfige Delegation von Travail.Suisse nahm sich neben den reihenweise anwesenden Delegierten etwa des Deutschen Gewerkschaftsbunds, der italienischen CISL und CGIL oder der fünf anwesenden französischen Gewerkschaftsbünde klein aus, konnte sich aber nichtsdestotrotz engagiert in die Diskussionen einbringen.
Bereits im Vorfeld hatte Travail.Suisse diverse Anträge an das Aktionsprogramm gestellt, die vom Sekretariat des Europäischen Gewerkschaftsbunds angenommen wurden. Zum Thema «Together for Our European Future – Zusammen für unsere europäische Zukunft» hat Adrian Wüthrich das Wort ergriffen. Er erläuterte den Delegierten die Wichtigkeit der flankierenden Massnahmen für die Schweiz und für alle Arbeitnehmenden in Europa.
Internationale Solidarität
Der Kongress nahm sich den grossen Themen der europäischen Gewerkschaftsbewegung an. Am ersten Tag wurde in einem bewegenden Moment der Opfer des Kriegs in der Ukraine gedacht. Zwei neue ukrainische Gewerkschaftsorganisationen wurden einstimmig in den Europäischen Gewerkschaftsbund aufgenommen. Der EGB hatte sich sowohl im Ukrainekrieg als auch zuvor in der Corona-Krise engagiert, um die betroffenen Arbeitnehmenden zu unterstützen. Ein wichtiges Anliegen des Kongresses war es auch, dass die ILO-Konvention C190 endlich von allen Staaten ratifiziert wird. Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zur Ergreifung von Massnahmen, um Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern. Travail.Suisse befürwortet dies und fordert die Schweiz zu einer raschen Ratifizierung der Konvention als wichtigen Schritt für eine sicherere Arbeitsumgebung auf.
50-Jahr-Jubiläum
Der EBG feierte am Kongress sein fünfzigjähriges Jubiläum. In den letzten 50 Jahren hat die Organisation sehr viel getan, um die Arbeitnehmenden auf dem europäischen Kontinent zu vertreten und dafür zu sorgen, dass ihre Anliegen auf allen Ebenen wahrgenommen werden. Die gute Vernetzung auf europäischer Ebene machte sich am Kongress auch dadurch bemerkbar, dass an vielen Podien Mitglieder des europäischen Parlaments ihre Positionen darlegten und Einblick gaben in die Diskussionen auf europäischer Ebene. Ein besonderer Höhepunkt war der Auftritt von Ursula von der Leyen, der Präsidentin der Europäischen Kommission. Sie hob in einer brillanten Rede hervor, wie wichtig die Zusammenarbeit mit dem EBG ist und wie sie die Weichen für eine europäische Marktordnung stellen will, die sowohl die Anliegen der Arbeitgebenden als auch der Arbeitnehmenden berücksichtigt und für einen sozialen Ausgleich besorgt ist.
Anstehende Herausforderungen
Der Kongress zeigte sich besorgt über die zunehmende Salonfähigkeit von rechtsextremen Parteien in Europa. Die Rednerinnen und Redner unterstrichen, wie stark diese Parteien gewerkschaftliche Bewegungen bekämpfen und wie gross die Gefahr ist, dass sich diese rechtsextremen Kräfte auch direkt gegen Personen wenden, die sich gewerkschaftlich engagieren. Das zeigen die historische Erfahrung genauso wie aktuelle Tendenzen.
Gleichstellung war ein weiteres wichtiges Themenfeld des EGB-Kongresses. Im Fokus standen der Einsatz für Lohngleichheit sowie gegen Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz. Das Women’s Committee des EGB trat stark auf mit seinen Forderungen und am dritten Tag standen alle weiblichen Delegierten – zum ersten Mal gab es mehr weibliche als männliche Delegierte an einem EGB-Kongress! – auch physisch für die Lohngleichheit auf.
Das Aktionsprogramm nahm aber auch weitere brennende Themen auf: Die Herausforderungen der Digitalisierung und der Entgrenzung von Arbeit und Freizeit genauso wie die Herausforderungen bei den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern und die Beteiligung der Arbeitnehmenden in den Betriebsstrukturen sowie die Freiheit der gewerkschaftlichen Organisation.
Für den nächsten Kongress in vier Jahren wurde beschlossen, dass künftig jede und jeder vierte Delegierte jünger als 35 Jahre alt sein soll. Damit soll in Zukunft auch jüngeren Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern mehr Möglichkeiten geboten werden, ihre Perspektive direkt als Delegierte in den Kongress einzubringen. Travail.Suisse freut sich bereits heute auf das nächste Zusammentreffen mit den europäischen Kolleginnen und Kollegen in vier Jahren.