An den beiden Frühlingssessionen des Parlaments bot der Schlussbericht zum Projekt «Expérience ReProf» Travail.Suisse, der unabhängigen Dachorganisation der Arbeitnehmenden, die Gelegenheit, mehrere Nationalrätinnen und -räte in Bern für die Problematik des Wiedereinstiegs ins Erwerbsleben zu sensibilisieren – mit Erfolg, denn etwa ein Dutzend von ihnen beschloss, einen parlamentarischen Vorstoss einzureichen. Bis heute wurden acht Vorstösse in Zusammenhang mit dem Wiedereinstieg ins Erwerbsleben eingereicht, die von Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller Couleur unterzeichnet wurden. Travail.Suisse freut sich über diese Reaktion auf das Thema.
In Bezug auf den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben konzentrieren sich die Forderungen von Travail.Suisse auf drei Themenbereiche: berufliche Weiterbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG), Zugang zu Leistungen gemäss Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) und Ausbildungsfinanzierung durch Stipendien. Die Forderungen basieren auf der Studie mit dem Titel «Die Rückkehr ins Berufsleben erfolgreich meistern», mit der die Handlungsfelder und möglichen Massnahmen im Bereich der Bildung und Arbeitsmarktintegration von Wiedereinsteigenden ermittelt werden konnten 1 .
Acht Nationalrätinnen und -räte aus verschiedenen Fraktionen haben sich des Themas angenommen, um unter der Bundeshauskuppel zu intervenieren. Ihre Vorstösse wurden von Kolleginnen und Kollegen aus allen politischen Lagern unterzeichnet. Das zeigt, dass der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nun auf der politischen Agenda steht, genauso wie die laufenden Diskussionen um die Familienpolitik.
Pauschalbeiträge an die Kantone und Finanzhilfen des Bundes
Nach ihrem mitreissenden Referat an der Studienpräsentation, die von Travail.Suisse am vergangenen 28. Februar in Bern organisiert worden war 2 , eröffnete die Nationalrätin und Vizepräsidentin von Travail.Suisse Josiane Aubert im März das Feuer mit einer Motion, die den Bund auffordert, seine Pauschalbeiträge an die Kantone gemäss Berufsbildungsgesetz zu überarbeiten. Diese Pauschalbeiträge, mit denen die Kantone alle Arten von Leistungen für verschiedene Begünstigte finanzieren können, müssen auf Grundlagen berechnet werden, die exakter und expliziter sind als heute, wo auf die Anzahl Personen in der beruflichen Grundbildung abgestellt wird. Die Kantone verwenden diese Pauschalbeiträge für Aufgaben, über die sie keinen Bericht erstatten, und wählen dabei aus einem gesetzlich definierten Leistungskatalog. Die Wiedereinsteigenden werden in vielen Kantonen vernachlässigt.
Die aus einem ganz anderen politischen Lager stammende Grünliberale Isabelle Chevalley möchte mehr über die Finanzhilfen wissen, die den Beratungsstellen für Frauen vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) gewährt werden. Die Parlamentarierin wendet sich an den Bundesrat, weil die Zahl der Beratungstermine pro Person auf fünf beschränkt ist, obwohl die Studie von Travail.Suisse zeigt, dass die betroffenen Personen für einen erfolgreichen Wiedereinstieg ins Erwerbsleben eine längere Begleitung benötigen. Das EBG muss daher nach Ansicht der Nationalrätin umfangreichere Hilfen gewähren können.
Der Genfer CVP-Nationalrat Luc Barthassat sorgt sich um die Umsetzung von Artikel 59d des Arbeitslosenversicherungsgesetzes durch die Kantone. Er verlangt vom Bundesrat ausführliche Informationen über die tatsächliche Umsetzung dieser Bestimmung. Durch Artikel 59d wird nicht versicherten Personen, also u.a. Wiedereinsteigenden, ermöglicht, an Bildungsmassnahmen teilzunehmen. Die von Travail.Suisse durchgeführte Studie hat aufgezeigt, dass die Kantone diese Möglichkeit sehr unterschiedlich nutzen, obwohl es in allen Landesregionen Menschen gibt, die nach einem Unterbruch ins Erwerbsleben zurückkehren möchten. Um sich davon zu überzeugen, genügt die Feststellung, dass es überall zu Scheidungen kommt, auch in den konservativeren Kantonen.
Rolle der öffentlichen Arbeitgeber und Validierung von erworbenen Kenntnissen
Die beiden Sozialdemokratinnen Marina Carobbio (TI) und Bea Heim (SO) haben je eine Motion zu unterschiedlichen Themen eingereicht. Der ersten ist die Vorbildfunktion der öffentlichen Arbeitgeber ein Anliegen. Diese sollten Wiedereinsteigenden Praktikumsstellen anbieten. Die Motion verlangt, dass Massnahmen zur Schaffung solcher Praktikumsstellen im öffentlichen Sektor ergriffen werden. Die Erfahrung zeigt, dass diese Stellen für einen erfolgreichen Wiedereinstieg unerlässlich sind.
Die zweite sorgt sich um das zu wenig umfangreiche Validierungssystem von Bildungsleistungen, vor allem auf der Tertiärstufe. Mit diesem System können erworbene Kenntnisse, die zu keinem formellen Abschluss geführt haben, anerkannt und validiert werden. Aktuell bieten jedoch nur 14 Kantone ein solches Verfahren überhaupt an und viele von ihnen lediglich für zwei oder drei Berufe. Einzig in den Kantonen Genf und Waadt gibt es sieben bzw. sechs verschiedene Validierungen.
Wiedereinstiegsfonds und detaillierte statistische Angaben
Im April beantragte Christian van Singer (Grüne, VD) mittels Motion die Schaffung eines Wiedereinstiegsfonds, der für Personen, die nach einem langen Unterbruch ins Erwerbsleben zurückkehren wollen, bestimmt ist. Der Waadtländer Parlamentarier fordert, dass es den Organisationen der Arbeitswelt erlaubt ist, nach dem Vorbild des Berufsbildungsfonds einen Wiedereinstiegsfonds, der von Unternehmen und öffentlicher Hand geäufnet wird, zu gründen. Unternehmen, die für geeignete Kurse Praktikumsplätze zur Verfügung stellen, könnten von Beitragsreduktionen profitieren. Auf diese Weise würden sie ermutigt, sich an der Wiedereingliederung von Personen zu beteiligen, die sich vorübergehend aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, und zwar oftmals, um sich um Angehörige zu kümmern.
Die Sozialdemokratin Valérie Piller Carrard hat ein Postulat eingereicht, weil es sehr schwierig ist, die genaue Zahl sowie die Eignungen und Neigungen der Personen, die wieder in das Erwerbsleben einsteigen möchten, in Erfahrung zu bringen. Das zeigt auch die Studie von Travail.Suisse. Die amtliche Statistik erfasst diese Personen nicht direkt. Ausserdem melden sich viele Wiedereinsteigende, insbesondere Frauen – nämlich sechs von zehn – nicht bei den regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV): Sie wissen, dass sie im Rahmen des Arbeitslosengesetzes, dessen Revision von 2011 sie stark benachteiligt hat, nur wenig Aussicht auf Hilfe haben. Um diesem Datenmangel abzuhelfen, beauftragt die Freiburger Parlamentarierin den Bundesrat, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit detaillierte Angaben zu einer Personengruppe, die aufgrund verschiedener Statistiken auf 13’000 bis 15’000 Menschen pro Jahr geschätzt wird, erhoben werden können.
Schliesslich hat die St. Galler CVP-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz eine Motion eingereicht, die verlangt, dass das künftige Weiterbildungsgesetz ausdrücklich ein System mit Bildungsgutscheinen vorsieht, die Wiedereinsteigenden den Zugang zu Bildungsmassnahmen ermöglichen sollen. Diese Massnahme hat sich bei gezieltem Einsatz bewährt.
Ausblick
Weitere Vorstösse sind absehbar, namentlich in Zusammenhang mit der Revision des Bundesgesetzes über Beiträge an die Aufwendungen der Kantone für Stipendien und Studiendarlehen im tertiären Bildungsbereich (Ausbildungsbeitragsgesetz), dem Gegenvorschlag des Bundesrates zur Stipendieninitiative des Verbandes der Schweizer Studierendenschaften. Die Altersgrenze von 35 Jahren trifft die Wiedereinsteigenden mit voller Wucht, da das Alter dieser Personen sehr oft über 45 Jahren liegt 3 . Sie ist daher aufzuheben
Dank der Studie „Die Rückkehr ins Erwerbsleben erfolgreich meistern“ konnte Travail.Suisse auf die Schwierigkeiten der Wiedereinsteigerinnen, trotz abgeschlossener Ausbildung auf Stufe II oder trotz Fachkräftemangel im Erwerbsleben wieder Fuss zu fassen, aufmerksam machen. Der Dachorganisation der Arbeitnehmenden ist es gelungen, gezielte Forderungen zu formulieren. Sie freut sich, dass sie damit bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern auf offene Ohren gestossen ist.