Der Schlussbericht zum Projekt «Expérience ReProf» zeigt auf, welche Hürden Personen überwinden müssen, die nach einem längeren Erwerbsunterbruch wieder in der Arbeitswelt Fuss fassen wollen. Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation der Arbeitnehmenden, präsentierte an einer Tagung vor rund 50 Fachpersonen 18 Empfehlungen, die sich ans eidgenössische Parlament, aber auch an die kantonalen Legislativen richten. Nationalrätin Josiane Aubert motivierte mit ihrem Referat die Teilnehmenden zum Handeln.
Am 28. Februar waren bei der Präsentation des Berichts zum Projekt «Expérience ReProf» in Bern mehr als 50 Personen aus allen von der Thematik des Wiedereinstiegs betroffenen Kreisen anwesend. Der Bericht setzte den Schlusspunkt zum Projekt, das Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation der Arbeitnehmenden, durchgeführt hatte. Die sechs Aktionsfelder und 18 Empfehlungen der Studie, die im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI (früher BBT) erfolgte, machten für die Teilnehmenden die Schwierigkeiten von Personen greifbar, die ihre Erwerbstätigkeit mehrere Jahre unterbrochen haben und nun wieder ins Berufsleben einsteigen wollen 1 .
«Sofort handeln!»
Höhepunkt der Veranstaltung war das Referat von Josiane Aubert, Nationalrätin und Vizepräsidentin von Travail.Suisse: Sie gab ein Lehrstück demokratischer Kultur, indem sie die Teilnehmenden zum Handeln motivierte. «Sie können etwas bewegen. Sprechen Sie die politischen Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Kantone an, sorgen wir dafür, dass die Frage auf die politische Agenda kommt!» – mit dieser ermutigenden Botschaft überzeugte die Volksvertreterin, die langjährige politische Erfahrung auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene besitzt, die Anwesenden.
Die anschliessende Präsentation galt den politischen Forderungen von Travail.Suisse zum Thema Wiedereinstieg, die auf den Erkenntnissen der Studie «Expérience ReProf» basieren. Diese Forderungen müssen auf Bundesebene umgesetzt werden, es geht deshalb darum, die eidgenössischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier dafür zu sensibilisieren. Damit wird im Dienste von Personen lobbyiert, deren Anliegen unter der Bundeskuppel nur selten zur Sprache kommen.
Die Forderungen von Travail.Suisse konzentrieren sich auf drei Themenbereiche: berufliche Weiterbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG), Zugang zu Leistungen gemäss Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) und Ausbildungsfinanzierung durch Stipendien. Gewisse Instrumente existieren bereits, es müssen aber Anpassungen vorgenommen werden, damit die Bedürfnisse von Personen berücksichtigt werden, deren Wiedereinstieg sich schwierig gestaltet. Ergänzende Instrumente sind in Vorbereitung: das künftige Weiterbildungsgesetz sowie die Revision des Ausbildungsbeitragsgesetzes.
Anpassung bestehender Instrumente
Das Berufsbildungsgesetz BBG sieht in den Artikeln 31 und 32 Absatz b vor, dass die Kantone die Bedürfnisse von Personen berücksichtigen, die wieder in die Berufswelt einsteigen, und dass der Bund Angebote unterstützt, die darauf ausgerichtet sind, Personen, die ihre Berufstätigkeit vorübergehend eingeschränkt oder aufgegeben haben, den Wiedereinstieg zu ermöglichen. Zu begrüssen wäre bereits eine Einhaltung dieser Bestimmungen. Dazu müsste der Bund die von den Kantonen getroffenen Massnahmen wirksam beaufsichtigen. Mit dem Projekt «Expérience Reprof» wurden die Bedürfnisse der Zielgruppe ermittelt. Nun muss der Bund dafür sorgen, dass diesen tatsächlich nachgekommen wird.
Das BBG sieht auch vor, dass die Kantone Pauschalbeiträge erhalten, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen, wie sie in den Artikel 53 bis 55, aber auch 31 und 32 beschrieben sind. Niemand weiss jedoch, wie diese Pauschalbeiträge wirklich eingesetzt werden und insbesondere, ob die Kantone Angebote für einen einfacheren Wiedereinstieg organisieren, die der Zielgruppe angepasst sind.
Das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) schliesst in der Praxis Wiedereinsteigende von den eigentlich vorgesehenen Berufbildungsmassnahmen aus, weil die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) für nicht versicherte Personen Kriterien anwenden, die für die besondere Situation dieser Zielgruppe teilweise ungeeignet sind. Zu Beginn des langen Wiedereinstiegsprozesses, der mehrere Monate dauert, ist es nicht sinnvoll, von den Personen Nachweise zu verlangen, dass sie eine Stelle gesucht haben, weil sie dies ja eben wieder lernen müssen, und sie sollten auch nicht verpflichtet sein, eine passende Stelle anzunehmen, während sie Kurse besuchen, die sie auf den Wiedereinstieg vorbereiten 2 .
Verbesserungswürdige Instrumente
Schliesslich wird das Parlament die Debatte über die Revision des Ausbildungsbeitragsgesetzes (Stipendien) aufnehmen. Diese Revision schlägt der Bundesrat als Gegenvorschlag zur Stipendieninitiative der Schweizer Studierendenschaften VSS vor. Er muss darin die Altersbegrenzung von 35 Jahren aufheben, die Wiedereinsteigende hart trifft, denn diese sind nach einem Rückzug aus dem Erwerbsleben, der in der Regel mindestens 10 Jahre dauerte, häufig älter als 45 Jahre 3 .
Andere Anpassungen müssen erst noch aufs Tapet gebracht werden, beispielsweise mehr Mittel für Frauenberatungsstellen durch Beiträge, wie sie im Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann vorgesehen sind, denn nach der letzten Revision der Arbeitslosenversicherung müssen die privaten Beratungsstellen mehr Personen betreuen – häufig werden ihnen diese von den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren überwiesen – und sie sind nicht mehr in der Lage, diese Nachfrage zu bewältigen. Dieses Beispiel zeigt im Übrigen konkret, welche Auswirkungen die Aufgabenverlagerung vom Bund zu den Kantonen mit der letzten Revision des AVIG hatte, und dass diese Folgen abgefedert werden müssen.