Am vergangenen Freitag, 27. September, hat das Parlament definitiv einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen gut geheissen. Es stellt damit der Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Sollte die Initiative bedingt zurückgezogen werden oder an der Urne scheitern, so würde dieser Gegenvorschlag mit zwei Wochen Vaterschaftsurlaub in Kraft treten. Voraussetzung ist, dass es kein Referendum gibt.
Je nach Perspektive sind zwei Wochen Vaterschaftsurlaub ein Hohn. Und tatsächlich ist der Kompromiss des Kompromisses bescheiden. Er ist als erster Schritt zu sehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Klar ist: Die Schweiz bleibt für familienpolitische Anliegen nicht ein hartes Holzbrett, das es zu durchbohren gilt, sondern beinharter Granit.
Seit mehr als einem Jahrzehnt für einen Vaterschaftsurlaub
Travail.Suisse hat vor mehr als 12 Jahren damit begonnen, die Idee eines Vaterschaftsurlaubs zu verfolgen. Die Mitgliedsorganisationen haben sich im Rahmen der GAV-Verhandlungen für einen Vaterschaftsurlaub stark gemacht – zum Teil mit beachtlichem Erfolg. Im Frühling 2014 durfte Travail.Suisse in Zusammenarbeit mit dem CVP-Nationalrat Martin Candinas einen Vorstoss für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub einreichen, leider ohne Erfolg. Die parlamentarische Initiative wurde im April 2016 vom heutigen Parlament beerdigt.
Der Entscheid des Parlaments sorgte für Kopfschütteln, zwei Wochen Vaterschaftsurlaub seien das Mindeste, hiess es von den Travail.Suisse-Verbänden. Aus diesem Grund wurde vor drei Jahren und nach viel Vorarbeit der Verein „Vaterschaftsurlaub jetzt!“ gegründet, der vor zwei Jahren die Volksinitiative „Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie“ eingereicht hat. Der Bundesrat lehnt bis heute sowohl die Vaterschaftsurlaubs-Initiative wie auch ihren Gegenentwurf mit zwei Wochen Vaterschaftsurlaub ab. Er hält also einen Tag „Sonderurlaub“ für den Vater bei der Geburt seines Kindes für ausreichend. Damit kann der Vater nach einer durchschnittlichen Geburtsdauer von 12 Stunden noch weitere 12 Stunden bei seiner Frau und seinem ersten Kind bleiben. Bei einer längeren Geburtsdauer muss der frischgebackene Vater, wenn er Pech mit seinem Arbeitgeber hat, direkt aus dem Geburtssaal ins Büro rennen.
Familienpolitik in Kinderschuhen
In den vergangenen Jahren und Jahrzenten gab es in der Schweiz bedeutende gesellschaftliche Veränderungen. Zu nennen sind die unzähligen Bemühungen zugunsten der Gleichstellung der Geschlechter, aber auch weitere teilweise damit verbundene wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen wie etwa der deutliche Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit, die zunehmende Erwerbstätigkeit beider Elternteile oder die höhere Mobilität. Sie alle führen dazu, dass sich die Rolle des Vaters verändert hat und weiter verändern wird. Die Betreuung von Kindern kann immer weniger nur der Mutter überlassen werden. Die Vaterschaftsurlaubs-Initiative hat einen gesellschaftlichen Diskurs in Gang gesetzt der sich nicht rückgängig machen lässt. Ein Vaterschaftsurlaub wird gar von einigen Medien als „rückständig“ und „konservativ“ betitelt. Doch die Journalist/-innen verkennen die Art und Weise, wie in der Schweiz Politik gemacht wird: in kleinen Schritten.
So geht es weiter mit der Vaterschaftsurlaubs-Initiative
Dank der Diskussion zum Vaterschaftsurlaub dürfte nicht wenigen Arbeitgebern und Vorgesetzten bewusst geworden sein, dass auch die Väter ihre Rechte einfordern und in der Familie eine zentrale Rolle spielen. Das ist ein Fortschritt. Der Vater hat nur mit einem Vaterschaftsurlaub von mehr als einem einzigen Tag die Chance, seine Partnerin zu unterstützen, für die Geschwisterkinder da zu sein und nicht zuletzt zum Neugeborenen eine Beziehung aufzubauen. Ein Vaterschaftsurlaub gibt einem frischgebackenen Vater ausserdem die Chance, wenigstens einen Teil der Fertigkeiten zu erlernen, die mit der Betreuung eines Säuglings unweigerlich einhergehen.
Es sind definitiv nicht nur die ersten Wochen nach der Geburt, die aus einem Mann einen guten Vater machen. Aber sie sind zweifelsohne die ersten wichtigen Bausteine dafür. Wird der Vater von Anfang an involviert, dann ist er auch eher bereit, später einen Teil der Betreuung zu übernehmen und die Frau eher bereit ihm diesen Teil zuzugestehen. Auch das ist ein Fortschritt.
Das Initiativkomitee der Vaterschaftsurlaubs-Initiative wird am 2. Oktober über die Zukunft der Initiative entscheiden – mit einem bedingten Rückzug der Vaterschaftsurlaubs-Initiative zugunsten der schnelleren Einführung einer halbierten Version oder mit dem Gang vors Volk. Die Entscheidung wird anlässlich eines Point de presse um 15.30 Uhr im Vatter Business Center, Bern, kommuniziert.