Die Reaktionen der Arbeitgeber auf die Ankündigung einer Schwangerschaft am Arbeitsplatz sind oft negativ. Das ist insofern nachvollziehbar, als es bedeutet, dass eine Absenz von mehreren Monaten bevorsteht und nun viele Unsicherheitsfaktoren im Raum stehen, die zu Spannungen oder gar Konflikten zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmerin führen können. Betrachtet man die Schwangerschaftsmonate aber aus einem anderen Blickwinkel, bieten sie auch die Chance, innovative Lösungen der Arbeitsorganisation zu finden, um wertvolles weibliches Personal zu behalten und nach dem Mutterschaftsurlaub weiter zu beschäftigen. Die digitale Agenda mamagenda.ch von Travail.Suisse ist dazu da, Vorgesetzten und Arbeitnehmerinnen das Leben zu erleichtern.
Nach der Schwangerschaftsankündigung, auf die sich betroffene erwerbstätige Frauen mit der Lektüre der für sie bestimmten Checkliste «Schwanger – wie sage ich’s meinem Chef?» auf www.mamagenda.ch gut vorbereiten können, haben Vorgesetzte und Arbeitnehmerinnen mehrere Monate zur Verfügung, um die Arbeit neu zu organisieren und den guten Gang der Geschäfte zu gewährleisten. Geplant werden müssen namentlich der Informationsfluss während der Schwangerschaft und dem Mutterschaftsurlaub, die Vertretung der Arbeitnehmerin während der Absenz sowie die Aufgabenverteilung, gegebenenfalls auch das Stillen am Arbeitsplatz nach Wiederaufnahme der Arbeit usw. Zu besprechen sind mögliche und gewünschte Modelle zur Organisation der Arbeit sowie eine Vereinbarung für die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Nicht zu vergessen sind auch die einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen zu Mutterschaft und Stillen am Arbeitsplatz.
Ist nur eine Person von der Mutterschaft betroffen, wird der oder die Vorgesetzte ohne grössere Schwierigkeiten damit fertig. Komplizierter wird es, wenn mehrere Frauen ein Kind erwarten oder vor kurzem Mutter geworden sind. Hier noch den Überblick zu behalten, und sei es nur über alle einzuhaltenden Bestimmungen und anstehenden Gespräche, ist eine Herausforderung. Genau dort liegt die grosse Stärke von mamagenda.ch. Mit der auf Internet verfügbaren, kostenlosen digitalen Agenda können Vorgesetzte auf einen Blick erfassen, an welchem Punkt der Mutterschaft die registrierten Personen gerade stehen.
Jedes persönliche Konto zeigt, in welcher Schwangerschafts- oder Mutterschaftsurlaubswoche die Arbeitnehmerinnen sind oder seit wann sie wieder arbeiten. Das ist nicht nur für Vorgesetzte hilfreich, die Teams mit mehreren Frauen führen, sondern kann auch für alle Berufsleute des Pflege- und Betreuungsbereichs, die sich um werdende Mütter kümmern, insbesondere Hebammen, von Nutzen sein.
Die erfassten Daten sind anonym. Auf Wunsch kann ein Konto mit einem Pseudonym eröffnet werden. Ausserdem sind persönliche Notizen, die in mamagenda.ch abgespeichert werden, nur für ihre Verfasserin oder ihren Verfasser sichtbar.
An der Schnittstelle mehrerer nützlicher Informationsquellen
Zur Vorbereitung der zu führenden Gespräche und der zu treffenden Entscheidungen hält mamagenda.ch zu ausgesuchten Zeitpunkten Checklisten und Formulare zu den für die verschiedenen Zielgruppen relevanten Themen bereit:
– Für die Arbeitnehmerinnen: Arbeitsunfähigkeit und Arztzeugnis; Hinweise, wie man zum Vertrauensverhältnis mit dem Arbeitgeber beitragen kann; Stillen am Arbeitsplatz; mit der Mutterschaft verbundene Rechte usw.
- Für die Arbeitgeber: Absenzen und Lohnanspruch; Beurteilung der Gefährlichkeit des Arbeitsplatzes; Arbeitsmodelle; Risiko- und Teammanagement usw.
- Für die werdenden Väter: Vaterschaftsurlaub; unbezahlter Urlaub; Kinderbetreuung usw.
Alle Checklisten und Tools sind für alle Zielgruppen sichtbar. Die meisten Informationen wurden eigens für diese Website verfasst, aber es wurden auch mehrere bereits bestehende Dokumente oder Links aufgenommen, so zum Beispiel eine Information zum Mutterpass des Schweizerischen Hebammenverbandes SHV, das KMU-Handbuch Beruf und Familie des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, die Arbeitsmodelle der Berner Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann oder auch die Checkliste des Genfer Arbeitsaufsichtsbehörde zur Beurteilung der Gefährlichkeit des Arbeitsplatzes.
Die mamagenda enthält auch Links zu mehreren sachdienlichen Kapiteln des Handbuches InfoMutterschaft, das bereits auf der Website von Travail.Suisse aufgeschaltet ist. So finden die Nutzerinnen und Nutzer rasch und einfach die genauen Bestimmungen zu den Rechten von schwangeren und stillenden Frauen gemäss Schweizer Gesetzgebung.
Die Reichhaltigkeit und die Sachdienlichkeit der bereitgestellten Informationen haben das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco veranlasst, mamagenda.ch zu unterstützen und zu empfehlen.
Fast 20’000 Besuche nach sechsmonatigem Bestehen
Jeden Monat rufen durchschnittlich mehr als 1500 Personen die Website www.mamagenda.ch auf, so dass per Ende Dezember 2011 insgesamt 19’302 Besuche registriert wurden. Noch aussagekräftiger ist die Zahl der Personen, die ein persönliches Konto einrichten. Jeden Monat tun das über hundert, und das seit der Lancierung Ende Juni 2011. Heute nutzen 715 Personen die mamagenda, um während Schwangerschaft, Mutterschaftsurlaub und Wiederaufnahme der Arbeit Mitarbeiterinnen zu begleiten oder sich vom bzw. von der Vorgesetzten begleiten zu lassen. Die mamagenda wird häufiger von Arbeitnehmerinnen als von Vorgesetzten verwendet.
Jede schwangere Erwerbstätige kann die mamagenda auch unabhängig von ihrem oder ihrer Vorgesetzten allein von zu Hause aus nutzen. Sie findet dort alle für sie relevanten Informationen, namentlich zum Gesundheitsschutz für sich und ihr ungeborenes Kind. Die Originalität der mamagenda besteht jedoch darin, dass sie ab dem Zeitpunkt der Ankündigung einer Schwangerschaft den Dialog zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen fördert. Das Ziel ist, gemeinsam Antworten auf die praktischen Fragen zu finden, die sich unweigerlich stellen.
Was ist mit den Vätern?
Bei der Lancierung von mamagenda.ch wurde kritisiert, dass die Väter nicht direkt in die Nutzung von mamagenda.ch einbezogen werden, obwohl sie ebenso wie ihre Partnerin von einer Geburt und den damit verbundenen Veränderungen im Privat- und im Berufsleben betroffen sind. Diese Kritik ist aus Sicht der Gleichstellung gerechtfertigt, berücksichtigt aber den Anwendungsbereich der mamagenda nicht.
Wenn eine schwangere Erwerbstätige und ihr Chef oder ihre Chefin die mamagenda gemeinsam nutzen, sind sie über die persönliche Agenda der Frau miteinander vernetzt. Das Tool kommt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zur Anwendung. Das Arbeitsverhältnis ist eine Regelung zwischen zwei Parteien, in die keine Drittperson eingreifen darf. Es stimmt jedoch, dass die Kürzung der Arbeitszeit für eine bessere Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben, der Bezug eines unbezahlten Urlaubs, die Betreuung des Kindes während der Arbeitszeit oder die Pflege eines kranken Kindes Themen sind, die auch die Väter betreffen.
Deshalb werden die Benutzerinnen der mamagenda aufgefordert, alle diese Themen mit ihrem Partner zu besprechen. Sie werden dazu angeregt, Entscheidungen nicht allein, sondern nach Absprache mit ihrem Lebenspartner zu treffen. Denn die Wahl von geeigneten Massnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist zweifelsohne eine Aufgabe beider Elternteile.