Stillen am Arbeitsplatz: Diese Möglichkeit ist von der Gesetzgebung vorgesehen und wird von den Behörden empfohlen. Tatsächlich hängt es aber vom guten Willen des Arbeitgebers ab, ob eine Mutter ihr Kind nach dem Mutterschaftsurlaub weiter stillen kann. Deshalb sind heute im Parlament von Nationalrätin und Travail.Suisse-Vizepräsidentin Josiane Aubert (SP/VD) sowie von ihrer Ratskollegin Maria Roth-Bernasconi (SP/GE) zwei Motionen eingereicht worden mit dem Ziel, die gesetzlichen Lücken zu stopfen und den Frauen zu ermöglichen, ihr Kind am Arbeitsplatz weiterhin und ohne Sorgen zu stillen. Zudem hat Ständerätin Liliane Maury Pasquier (SP/GE) ein Postulat eingereicht zur Frage der Lohnfortzahlung für den Fall, wo ein Neugeborenes länger als drei Wochen im Spital bleiben muss. Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation von 170’000 Arbeitnehmenden, und der Schweizerische Hebammenverband (SHV) unterstützen diese Vorstösse, deren Ziel der Schutz der Mutterschaft am Arbeitsplatz ist.
Fachleute im Bereich des Stillens wie der Schweizerische Hebammenverband oder Arbeitnehmerorganisationen wie Travail.Suisse stellen bei ihrer Arbeit immer wieder fest, dass die Frauen darauf verzichten, ihrem Kind die Brust zu geben, oder es frühzeitig abstillen, wenn sie am Arbeitsplatz im Zusammenhang mit dem Stillen auf Widerstand stossen. Sie tun dies, um Schwierigkeiten zu vermeiden und um ihre Stelle nicht zu verlieren. Dieser Sachverhalt ist bereits 2004 durch eine Studie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) bestätigt worden: Nur noch 14 Prozent der Frauen ernähren ihr Kind im Alter von sechs Monaten ausschliesslich mit der Brust, während es unmittelbar nach der Geburt noch deren 94 Prozent sind. Mehr als 50’000 Frauen sind jedes Jahr von dieser Situation betroffen.
24 Wochen Kündigungsschutz für stillende Frauen
Die Motion von Nationalrätin Josiane Aubert fordert, den Kündigungsschutz für stillende Frauen zu verlängern. Gegenwärtig beträgt dieser 16 Wochen. Der gesetzlich festgeschriebene bezahlte Mutterschaftsurlaub beläuft sich auf mindestens 14 Wochen. Viele Betriebe jedoch, wie kantonalen Verwaltungen, oder auch Gesamtarbeitsverträge sehen bei Mutterschaft einen Urlaub von 16 Wochen vor. Oft verlängern die Frauen den Urlaub mit den Ferien oder einem unbezahlten Urlaub. Der Kündigungsschutz muss an diese Situation angepasst werden und auf 24 Wochen verlängert werden. Dies würde einer Stilldauer von 24 Wochen und damit der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) empfohlenen Mindeststilldauer entsprechen.
Die Stillzeit am Arbeitsplatz soll endlich bezahlt werden
Der Vorstoss von Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi fordert, die Lohnfortzahlung für die Zeit, die für das Stillen aufgewendet wird, klar zu regeln. Stillzeit gilt gemäss Arbeitsgesetz als Arbeitszeit; je nach Ort des Stillens gilt die ganze dafür verwendete Zeit als Arbeitszeit (Stillen am Arbeitsplatz) oder die Hälfte (Stillen ausserhalb des Betriebs). Die Lohnfortzahlung unterliegt allerdings dem Arbeitsvertragsrecht, das nichts dazu aussagt. Diese fehlenden Bestimmungen verleiten gewisse Arbeitgeber zur Meinung, dass eine Mutter, die ihr Kind bei der Arbeit stillt oder die Milch abpumpt, keinen Lohnanspruch hat. Die entsprechende Änderung des Obligationenrechts würde dieser missbräuchlichen Interpretation ein Ende setzen.
Einkommen der Mutter während dem Spitalaufenthalt ihres Neugeborenen sichern
Ein drittes schwerwiegendes Problem nimmt Ständerätin Liliane Maury Pasquier, Präsidentin des Schweizerischen Hebammenverbandes, in ihrem Postulat auf : Wenn ein Neugeborenes nach seiner Geburt mehr als drei Wochen im Spital bleiben muss, kann die Mutter zwar den Aufschub der Zahlung der Mutterschaftsentschädigung verlangen, erhält aber in dieser Zeit nicht unbedingt ihren Lohn – obwohl sie nicht arbeiten darf. Ein Urteil des Genfer Arbeitsgerichts hat im Jahr 2007 einen Arbeitgeber zwar zur Lohnfortzahlung verpflichtet, allerdings gilt dieser Entscheid nicht für die ganze Schweiz. Das heute eingereichte Postulat fordert den Bundesrat auf zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, das Gesetz zu ändern und zukünftig zu verhindern, dass eine Frau in finanzieller Hinsicht bestraft wird, während sie eine sehr schwierige persönliche Lebenssituation durchlebt.
Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation von 170’000 Arbeitnehmenden, und der Schweizerische Hebammenverband fordern das Parlament auf, diese drei Fragen zu regeln und dafür zu sorgen, dass die von den Gesundheitsbehörden regelmässig vorgebrachten Empfehlungen zugunsten des Stillens auch tatsächlich umgesetzt werden und die erwerbstätigen Frauen finanziell nicht für eine bei der Geburt des Kindes eingetretene Komplikation bestraft werden.