Schneckentempo bei der Lohngleichheit
Auch 40 Jahre nach der Verankerung der Lohngleichheit in der Bundesverfassung, werden Frauen beim Lohn empfindlich diskriminiert. Mit dem revidierten Gleichstellungsgesetz werden die Bestrebungen verstärkt – allerdings mit sehr gemächlichem Tempo und ohne richtige Transparenz. Auf der neuen Plattform RESPECT8-3.CH von Travail.Suisse und seinen angeschlossenen Verbänden können sich Unternehmen registrieren, welche ihre Lohngleichheitsanalysen bereits durchgeführt haben. Damit wird die Transparenz gefördert und das Tempo zur Erreichung der Lohngleichheit erhöht. Bereits machen 60 Unternehmen mit und präsentieren sich als Vorreiter der Lohngleichheit.
Der Auftrag zur Verwirklichung der Lohngleichheit ist seit 1981 in der Bundesverfassung verankert. 1996 trat das Gleichstellungsgesetz GlG in Kraft mit dem Ziel, die Gleichstellung zwischen Frau und Mann zu realisieren. Die gesetzliche Verankerung brachte jedoch nicht den erhofften Erfolg. Die Lohndiskriminierung, also der Anteil der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit, der nicht durch objektive Faktoren wie Alter, Berufserfahrung, Branche usw. erklärt werden kann, betrug 2016 immer noch 44.1 Prozent. In anderen Worten: Während der Durchschnittslohn eines Mannes bei 7946 Franken liegt, ist es bei einer Frau lediglich 6491 Franken. Die Durchschnittslöhne der Frauen in der Schweiz sind monatlich rund 1500 Franken tiefer als diejenigen der Männer, wobei sich fast die Hälfte dieses Lohnunterschiedes nicht erklären lässt (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Lohndiskriminierung in der Schweiz
Quelle: Bundesamt für Statistik; eigene Darstellung
Diese Daten basieren auf der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2016. In den nächsten Tagen werden die Zahlen von 2018 veröffentlicht, dann wird sich zeigen, ob die Lohndiskriminierung weiter zugenommen hat, wie zwischen 2014 und 2016, oder ob sich hier eine Trendänderung zeigen wird.
GlG-Revision erkennt Handlungsbedarf, ist aber zahnlos
Es ist beschämend, dass auch 40 Jahre nach der Verankerung des Prinzips «gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» in Artikel 8 Absatz 3 der Bundesverfassung die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern nicht einmal annähernd erreicht ist. Immerhin anerkennt die Politik den Handlungsbedarf und hat auf den 1. Juli des letzten Jahres das revidierte Gleichstellungsgesetz in Kraft gesetzt. Mit dieser Revision sind Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die Unternehmen haben genau ein Jahr Zeit (bis zum 30. Juni 2021), um eine interne Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Diese Analyse muss mittels einer wissenschaftlichen und rechtskonformen Methode durchgeführt werden. Dazu stellt der Bund das Standard-Analyse-Tool Logib gratis zur Verfügung. Die Unternehmen haben danach ein weiteres Jahr Zeit, um die Analyse von einer zugelassenen Revisorin/einem zugelassenen Revisor oder einer Arbeitnehmendenvertretung überprüfen zu lassen. Für die letzte Etappe des Gesetzes fordert das Gesetz, dass das Unternehmen die Mitarbeitenden sowie die Aktionärinnen und Aktionäre über das Resultat der Analyse informiert. Dafür hat das Unternehmen ein weiteres Jahr Zeit (vgl. Abbildung 2).
Abbildung 2: Fristen der Lohnanalyse im revidierten Gleichstellungsgesetz
Quelle: Gleichstellungsgesetz; eigene Darstellung www.respect8-3.ch
Diese langen Übergangsfristen zeigen das ausgeprägte Schneckentempo bei der Umsetzung der Lohngleichheit. Daneben gibt es zudem vier weitere gravierende Mängel, welche die Revision des GlG zu einer eigentlichen Alibiübung verkommen lassen. Erstens sind keine Kontrollen zur Einhaltung des Gesetzes vorgesehen. Zweitens erfolgen keine Sanktionen bei Verstössen gegen die Lohngleichheit. Im Gesetz wird lediglich dazu aufgefordert, die Analyse innerhalb von vier Jahren erneut durchzuführen. Bei positiver Lohngleichheitsanalyse (Differenz ≤ 5%) muss das Unternehmen die Analyse nicht wiederholen. Drittens erlischt die Pflicht zur Durchführung einer Lohngleichheitsanalyse nach zwölf Jahren (Sunset-Klausel). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Lohndiskriminierung bis zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz vermindert werden konnte. Und viertens wurde der Geltungsbereich des Gesetzes zu stark eingeschränkt. Nur eine Minderheit der Schweizer Unternehmen hat mehr als 100 Mitarbeitende. So betrifft das Gesetz gerade einmal 0.9% der Schweizer Unternehmen und nur 46% der Arbeitnehmenden.
Grössere Transparenz und höheres Tempo dank RESPECT8-3.CH
Mit dem Inkrafttreten des revidierten Gleichstellungsgesetzes haben Travail.Suisse und die angeschlossenen Verbände SYNA, transfair, OCST und SCIV die Plattform RESPECT8-3.CH lanciert. Auf dieser Plattform können sich Unternehmen registrieren, welche die Überprüfung der Lohngleichheit schneller angehen als vom Gesetz gefordert. Sie zeigen damit Sensibilität für die Thematik und präsentieren sich als Zugpferde der Lohngleichheit. Sie werden auf einer weissen Liste publiziert, erhöhen auf diese Weise die Transparenz und fördern eine raschere Durchführung der Lohnanalysen. Damit wird das Tempo auf dem Weg zu mehr Lohngleichheit beschleunigt. Zur Halbzeit der ersten von drei Fristen aus dem revidierten Gleichstellungsgesetz haben sich bei RESPECT8-3.CH bereits 60 Unternehmen auf der weissen Liste registrieren lassen.
Für Travail.Suisse und seine Verbände ist es selbstverständlich, das langjährige Engagement im Bereich der Lohngleichheit fortzusetzen und sich auch zukünftig für ein höheres Tempo und griffigere Massnahmen auf dem Weg zu mehr Lohngleichheit einzusetzen.