RESPECT8-3.CH verstärkt die Wirkung des revidierten Gleichstellungsgesetzes
Nach wie vor werden Frauen in der Schweiz aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. So besteht immer noch ein Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern, der nicht erklärt werden kann. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, setzt sich seit Jahren für Lohngleichheit ein und fordert ein Ende der Lohndiskriminierung. Gemeinsam mit seinen angeschlossenen Verbänden lanciert er deshalb die Plattform RESPECT8-3.CH.
Der Auftrag zur Verwirklichung der Lohngleichheit ist seit 1981 in der Bundesverfassung verankert. 1996 trat das Gleichstellungsgesetz in Kraft mit dem Ziel, die Gleichstellung zwischen Frau und Mann zu realisieren. Die gesetzliche Verankerung brachte jedoch nicht den erhofften Erfolg. Auch freiwillige Massnahmen, wie der sozialpartnerschaftliche Lohngleichheitsdialog, konnten die Ungleichheit nicht beseitigen. Die Lohndiskriminierung, also der Anteil der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit, der nicht durch objektive Faktoren wie Alter, Berufserfahrung, Branche usw. erklärt werden kann, betrug auch 2016 immer noch 44.1%. In anderen Worten: Die Durchschnittslöhne der Frauen in der Schweiz sind monatlich rund 1500 Franken tiefer als diejenigen der Männer, wobei sich fast die Hälfte dieses Lohnunterschiedes nicht erklären lässt.
Die Lohngleichheit wurde deshalb auch zu einer der zentralen Forderungen des Frauenstreiks. Am 14. Juni 2019 beteiligten sich mehr als eine halbe Million Menschen an diesem Aktions- und Streiktag und forderten unter anderem gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Konkret sollen Lohnanalysen durchgeführt werden und Sanktionen bei Nicht-Einhaltung der Lohngleichheit erfolgen. Die Forderung nach konkreten Massnahmen war und ist also gross.
Die Revision des GlG anerkennt den Handlungsbedarf
39 Jahre nach der Verankerung in der Bundesverfassung ist die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern noch immer nicht erreicht. Der Bundesrat erkannte den Handlungsbedarf und schlug eine Revision des Gleichstellungsgesetzes vor. Im Dezember 2018 stimmte das Parlament zu. Am 1. Juli 2020 tritt die Revision des Gleichstellungsgesetzes in Kraft.
Mit dieser Revision sind Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die Unternehmen haben genau ein Jahr (bis zum 30. Juni 2021) Zeit, um eine interne Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die Analyse muss mit einer wissenschaftlichen und rechtskonformen Methode durchgeführt werden. Dazu stellt der Bund das Standard-Analyse-Tool Logib gratis zur Verfügung. Das Unternehmen hat danach ein weiteres Jahr Zeit, um die Analyse von einer zugelassenen Revisorin/einem zugelassenen Revisor oder einer Arbeitnehmervertretung überprüfen zu lassen. Die letzte Etappe des Gesetzes fordert, dass das Unternehmen die Mitarbeitenden sowie die Aktionärinnen und Aktionäre über das Resultat der Analyse informiert. Dazu hat das Unternehmen ein weiteres Jahr Zeit (also maximal bis zum 30. Juni 2023).
Vier gravierende Mängel machen aus der Revision eine Alibiübung
Das revidierte Gesetz verpflichtet Unternehmen zwar dazu, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen, es weist jedoch vier entscheidende Schwachpunkte auf: Erstens gibt es keine Kontrollen, welche die Einhaltung des Gesetzes überwachen. Die genannten Fristen sind zwar im Gesetz verankert, ob sie eingehalten werden, wird jedoch nicht kontrolliert. Zweitens folgen keine Sanktionen, wenn ein Unternehmen die Lohngleichheit nicht einhält. Es wird lediglich dazu aufgefordert, die Analyse innerhalb von vier Jahren erneut durchzuführen. Bei positiver Lohngleichheitsanalyse (Differenz ≤ 5%) muss das Unternehmen die Analyse nicht wiederholen. Drittens erlischt die Pflicht, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen, nach zwölf Jahren (Sunset-Klausel). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Lohndiskriminierung bis zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz vermindert wurde. Und Viertens wurde der Geltungsbereich des Gesetzes zu stark eingeschränkt. Nur eine Minderheit der Schweizer Unternehmen hat mehr als 100 Mitarbeitende. So betrifft das Gesetz gerade einmal 0.9% der Schweizer Unternehmen und nur 46% der Arbeitnehmenden.
Plattform RESPECT8-3.CH will diese Mängel abfedern
Travail.Suisse bedauert, dass die Revision nicht weiter greift und lanciert deshalb das Projekt RESPECT8-3.CH. Per 30.Juni 2020 wird eine Plattform aufgeschaltet, die mehr Transparenz in Bezug auf die Lohngleichheit schafft. Dies erfolgt anhand zweier Listen: In einem ersten Schritt können sich Unternehmen registrieren, die bereits eine Lohngleichheitsanalyse durchgeführt haben. Sie werden auf der „weissen Liste“ aufgeführt und als Vorreiter der Lohngleichheit präsentiert. In einem zweiten Schritt werden Unternehmen, welche die Analyse trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht durchgeführt haben, auf der „schwarzen Liste“ aufgeführt.
Das Projekt verfolgt verschiedene Ziele. So soll mit der Plattform der Geltungsbereich des Gesetzes erweitert werden, indem bereits Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden eine Lohngleichheitsanalyse durchführen. Zudem schafft die Plattform Transparenz in Bezug auf die Einhaltung der Lohngleichheit und somit bezüglich der Bestimmungen des Gleichstellungsgesetzes. Mit Hilfe der Plattform wird öffentlich sichtbar, welche Unternehmen bereits eine Lohngleichheitsanalyse durchgeführt haben und ob diese positiv ausgefallen ist. Die Plattform möchte Vorreiter der Lohngleichheit, also Unternehmen, die ohne gesetzliche Verpflichtung eine Lohngleichheitsanalyse durchführen, bekannt machen und als „Best Practice“ Beispiele aufführen. Auch werden Unternehmen zusätzlich ausgezeichnet, die schneller vorgehen, als die Fristen es vorsehen. Damit möchte RESPECT8-3.CH das vom Gesetz vorgesehene Tempo beschleunigen.
Die später lancierte „schwarze Liste“ soll zudem Arbeitnehmenden eine Möglichkeit bieten, Druck auf ihr Unternehmen auszuüben. Wenn ein Unternehmen die Lohngleichheitsanalyse nicht innerhalb der erforderlichen Frist durchführt, kann es von den Angestellten für die „schwarze Liste“ gemeldet werden. RESPECT8-3.CH übernimmt damit die Sanktions-Funktion, die vom Gesetz nicht vorgesehen ist.
Travail.Suisse und seine Verbände sind erfreut, mit dem Projekt RESPECT8-3.CH sein langjähriges Engagement im Bereich der Lohngleichheit sichtbar zu machen.