Verfassung und Gesetz verbieten Lohndiskriminierung seit mehr als drei Jahrzehnten. Und doch ist sie noch gang und gäbe. Der Bundesrat will nun Massnahmen ergreifen, die dafür sorgen, dass sich in den Unternehmen endlich etwas bewegt. Doch der Radar, den er dazu einsetzen will, ist absolut harmlos! Travail.Suisse, die unabhängige Dachorganisation der Arbeitnehmenden, fordert einen griffigen Gesetzesentwurf. Kontrollen und Sanktionen sind unabdingbar, wenn der Radar seinen Zweck wirklich erfüllen soll, nämlich Lohndiskriminierungen zu beseitigen, die auf Kosten der erwerbstätigen Frauen und ihrer Familien gehen.
Die Erkenntnis des Bundesrats, dass «freiwillige Lösungen alleine nicht zum Ziel führen und es zur Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf gleichen Lohn zusätzliche staatliche Massnahmen braucht», ist ebenso bitter wie eindeutig. Tatsächlich genügt es nicht, wenn nach fünf Jahren Dialog im Rahmen des Pilotprojekts «Lohngleichheitsdialog» lediglich 50 Unternehmen dazu motiviert werden konnten, ihre Löhne mit einer Regressionsanalyse zu analysieren. Ein weiterer Wermutstropfen: Bei einem Grossteil der teilnehmenden Unternehmen handelte es sich um öffentliche oder gemeinnützige Betriebe. Das von den Sozialpartnern entwickelte Projekt setzte ganz auf den guten Willen und die Freiheit der Unternehmen und verlangte lediglich die Umsetzung der Sozialpartnerschaft und des Dialogs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden während der gesamten Analyse. Doch für gewisse rechte Kreise war das bereits zu viel.
Harmloser Radar
Im neuen Gesetz, das für Mitte 2015 erwartet wird, will der Bundesrat deshalb Unternehmen mit mindestens 50 Personen – diese Grenze ergibt sich aus der Analysemethode – verpflichten, die Löhne zu analysieren und diese Analyse durch Dritte kontrollieren zu lassen. Das Ergebnis der Kontrolle müsste zwar im Jahresbericht erwähnt werden, erstaunlicherweise aber nicht das Ausmass der festgestellten Lohnunterschiede, das weiterhin im Dunkeln bliebe. Das wäre etwa so, wie wenn Raser auf den Strassen zwar von Radaranlagen kontrolliert würden, die Polizei aber keine Angabe zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung erhielte. Ausserdem würde die Übertretung weder eine Mitteilung noch eine automatische Busse nach sich ziehen, da es den übrigen Verkehrsteilnehmern oder der Polizei überlassen wäre, Klage einzureichen – falls sie gemerkt haben, dass der Radar geblitzt hat!
Dem Bundesrat schwebt somit ein System vor, das aus nutzlosen Radaranlagen und Rasern besteht, die weder Geschwindigkeitskontrollen noch Sanktionen zu fürchten haben. Falls das künftige Gesetz in diese Richtung geht, werden die Lohndiskriminierungen noch viele Jahre andauern.
Unverhältnismässige, dogmatische Reaktionen gegen Transparenz
Die Strategie des Bundesrats ist somit alles andere als forsch, doch Arbeitgeberkreise schlagen verbal bereits wild um sich: Offensichtlich verlangt auch dieser bescheidene Ansatz zu viel von den Unternehmen, die auf Kosten der Frauen mit ihrer Lohndiskriminierung jährlich gegen 7,7 Milliarden Franken sparen. Der Arbeitgeberverband, der sich immerhin am Lohndialog beteiligte, bezeichnet die Forderung nach einer Lohnkontrolle durch die Betriebe selber als «unnötige Zwangsmassnahmen» und «ein Misstrauensvotum gegenüber der Wirtschaft».
Diese aggressive, unverhältnismässige Reaktion verbirgt, dass es um Transparenz geht. Das rechte politische Lager vertritt allen Ernstes den Standpunkt, dass sich die Privatwirtschaft die Freiheit herausnehmen kann, die Hälfte der Bevölkerung zu benachteiligen, indem sie den Frauen pro Monat im Durchschnitt 677 Franken ihres Lohns vorenthält – aus dem einzigen Grund, dass sie Frauen sind. Der Dachverband der Arbeitgeber findet es somit auch in Ordnung, dass gewisse Branchen ihren Mitarbeiterinnen jeden Monat bis zu 1400 Franken weniger zahlen als ihren Mitarbeitern und niemand etwas davon weiss! Es ist kein Zufall, dass die Branchen, in denen die Lohndiskriminierung am schlimmsten ist (Finanz- und Versicherungsbranche) sich auch weigerten, am Lohngleichheitsdialog teilzunehmen! Sie wollen ein transparentes Lohnsystem um jeden Preis verhindern, damit weiterhin Milliarden auf dem Buckel der Frauen gespart werden können.
Dumm und frauenverachtend
Den Gipfel der Dummheit und der Verachtung erreichte der Präsident der SVP, als er in einem hämischen Ton erklärte, die Frauen «können froh sein, dass sie einen Job haben» (in einem Land, in dem mehr Frauen als Männer eine höhere Ausbildung abgeschlossen haben) und dass die Unternehmen mehr junge ausländische (und natürlich weniger gut bezahlte) Arbeitskräfte anstellen müssten, wenn die Löhne der Frauen steigen! Hier zeigt die SVP ihr wahres Gesicht: absolut frauenfeindlich und für Lohndumping, indem sie die Anstellung unterbezahlter (und illegaler) ausländischer Arbeitskräfte propagiert. Die Wähler und vor allem die Wählerinnen tun gut daran, sich 2015 daran zu erinnern und die Personen zu wählen, die sie im Bundeshaus wirklich vertreten.
Angesichts einer solch verachtenden Haltung gegenüber den Frauen wird sich Travail.Suisse noch stärker dafür engagieren, dass gegen Unternehmen, die sich weigern, alle Lohndiskriminierungen zu beseitigen, echte Sanktionen ergriffen werden. Die Phase der Anreize muss nun vorbei sein. Jetzt braucht es echte, regelmässige und obligatorische Kontrollen, die auf anerkannten Methoden beruhen und Sanktionen nach sich ziehen, beispielsweise wenn nach zwei negativ ausgefallenen Kontrollen kein wesentlicher Rückgang der Lohndiskriminierung festzustellen ist.
Frauen wehren sich am 7. März
Eine breite Allianz von Frauen aus rund 15 Verbänden, Organisationen und politischen Parteien hat beschlossen, ihrem Ärger am 7. März 2015 auf dem Bundesplatz Luft zu machen. Derzeit wird eine Demonstration vorbereitet, und auch der Vorstand von Travail.Suisse wird sich engagieren. Es geht darum, zu zeigen, dass es jetzt einfach reicht! Die Frauen sind nicht ein Arbeitskräftereservoir, das die Wirtschaft mit Rabatt anheuern kann. Sie werden sich Gehör verschaffen: Arbeitnehmerinnen werden nicht mehr länger das ganze Jahr über im Ausverkauf sein! Die Mitgliederverbände von Travail.Suisse haben sich den Termin in ihre Agenda eingetragen: 7. März 2015, Bundesplatz in Bern.
Die Frauen sind nicht bereit, als günstige Arbeitskräfte zu dienen, an die sich die Wirtschaft plötzlich erinnert, wenn sich die Türen der Immigration schliessen: Die Fachkräfteinitiative (FKI) müsste attraktive Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die Frauen stärker auf dem Arbeitsmarkt engagieren. Dazu gehören natürlich Betreuungseinrichtungen (für Kinder, Kranke, ältere Menschen) mit genügend erschwinglichen Plätzen, das allein reicht jedoch nicht. Die Unternehmen müssen auch beweisen, dass sie wirklich um Lohngleichheit ihrer männlichen und weiblichen Angestellten bemüht sind, dass sie die Situation regelmässig seriös mit einer gerichtlich anerkannten Methode analysieren (Regressionsanalyse) und dass sie Massnahmen zur Beseitigung jeglicher geschlechtsbedingter Diskriminierung ergreifen. Der Gesetzgeber hat angesichts von so viel Arroganz und fehlendem Willen auf Seiten der Arbeitgeber die Pflicht, entschieden einzuschreiten und dafür zu sorgen, dass das Gesetz eingehalten wird.