Echte Gleichstellung braucht strukturelle Anpassungen
Die heute von der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen EKF veröffentlichte Studie zur Situation der jungen Frauen in der Schweiz zeigt Handlungsbedarf. Der Diskurs über Individualisierung und Eigenverantwortung ist von den jungen Frauen (und Männern) so sehr verinnerlicht worden, dass sie ihre individuellen Entscheidungen als Ursache für alle Probleme im Bereich der Gleichstellung sehen – ein Trugschluss. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, fordert strukturelle Anpassungen, um endlich echte Gleichstellung zu ermöglichen.
Zuerst die gute Nachricht: Gleichstellung ist ein wichtiges Thema für junge Erwachsene. Die Hälfte der jungen Männer und Frauen gibt an, die Gleichstellung aktiv unterstützen zu wollen. Die Ergebnisse der heute von der EKF publizierten Studie von Christina Bornatici von der Universität Genf bestärken Travail.Suisse in der Richtigkeit seiner Strategie: Die wichtigsten Forderungen im Bereich der Gleichstellung betreffen die Arbeitswelt und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Junge Frauen wollen ein stärkeres Engagement gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz, mehr Frauen in Führungspositionen und die Einführung von Geschlechterquoten. Ausserdem streben sie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie an, fordern mehr Teilzeitarbeit für alle auf die Chefetage und mehr bezahlbare familienexterne Kinderbetreuung.
Besorgniserregend sind hingegen die Erklärungen der kinderlosen 15- bis 30-jährigen in Bezug auf die Ursachen der aktuellen Gleichstellungsprobleme. Bornatici kommt zum Schluss, dass der aktuelle Diskurs über Individualisierung und Eigenverantwortung sowohl die Wahrnehmung von Ungleichheiten hemmt wie auch das Engagement dagegen. Die jungen Frauen sind überzeugt, dass sich die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeitsmarkt sowie die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit allein auf ihre individuellen Entscheidungen zurückführen lassen.
Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Gleichstellungspolitik bei Travail.Suisse, meint dazu: «Entgegen der weit verbreiteten Meinung sind Ungleichheiten in erster Linie auf gesellschaftliche Strukturen zurückzuführen. Die Forschung hat gezeigt, dass so genannte individuelle Lebensentscheidungen stark von strukturellen Zwängen abhängen, etwa dem Mangel an Kitaplätzen. Hier müssen wir ansetzen, um in Sachen Vereinbarkeit vorwärts zu machen.»
Die Aufklärungs- und Informationsarbeit der Gewerkschaften in der Öffentlichkeit und in der Politik – besonders die von Jeunesse.Suisse - ist wichtiger denn je, damit die Politik die richtigen Hebel in Richtung einer diskriminierungsfreien Gesellschaft in Bewegung setzt. Denn nur bessere Rahmenbedingungen können echte individuelle Entscheidungen garantieren.