Kitas und Tagesschulen sind Service public
Der Nationalrat verlangt kein Rahmengesetz für die familienergänzende Kinderbetreuung vom Bundesrat. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, bedauert die knappe Ablehnung (85 Ja, 98 Nein, 6 Enthaltungen) des Vorstosses seines Präsidenten Adrian Wüthrich. Die Anstossfinanzierung läuft im Januar 2023 aus. Es ist höchste Zeit, die familienergänzende Kinderbetreuung schweizweit mit einem Rahmengesetz als Service public langfristig zu verankern. Kitas und Tagesschulen sind zentral für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Travail.Suisse fordert in seinem Aktionsplan rasche und ehrgeizige Investitionen in die Vereinbarkeit. Argumente dafür gibt es unzählige: Frauen sind gut ausgebildet, sie wollen ihre Erwerbstätigkeit nicht mehr aufgeben – auch nicht für die „Kinderphase“. Ausserdem altert die Bevölkerung, Fachkräfte werden immer rarer, die Geburtenrate sinkt, der Bedarf an familienergänzenden Betreuungsstrukturen nimmt stetig zu. „Heute wollen Eltern Familie und Beruf vereinbaren und auch die Unternehmen erkennen die Zeichen der Zeit“, sagt Travail.Suisse-Präsident Adrian Wüthrich. Die frühkindliche Förderung ist zudem für die Entwicklung vieler Kinder hilfreich. Leider ist der Zugang zu Kitas nicht für alle Familien gleich einfach, die hohen Betreuungstarife sind in vielen Kantonen ein Problem. Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt der Antrag des Bundesrates vom letzten Freitag zur Aufstockung des Kredits für die Vergünstigung der Kita-Kosten um 80 Millionen Franken. Das Problem: Auch dieses Förderprogramm ist befristet.
Die familienergänzende Kinderbetreuung ist volkswirtschaftlich absolut zentral und systemrelevant. Jeder investierte Franken bringt zusätzliche Steuereinnahmen. Der Staat muss deshalb zwingend bessere Rahmenbedingungen für Familien bieten. Die Motion forderte ein Rahmengesetz, mit dem der Bund in Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden Kindertagesstätten und Tagesschulen in der ganzen Schweiz als Service public finanzieren könnte. „Der Nationalrat hat es verpasst, diesen wichtigen Schritt für die Vereinbarkeit zu machen, leider verschliesst er so die Augen vor zeitgemässen Neuerungen und verbleibt in einer alten Denkweise – Mutter oder Grossmutter zu Hause, Mann an der Arbeit“, sagt Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Vereinbarkeitspolitik bei Travail.Suisse.
Das Parlament wird über weitere Vorstösse mit ähnlichem Ziel abstimmen. Die zuständige Nationalratskommission hat im Februar eine Kommissionsinitiative eingereicht und will eine unbefristete Unterstützung erreichen, mit der Elternbeiträge vergünstigt und die frühkindliche Bildung verbessert werden kann. Eine echte Familienpolitik braucht dringend Investitionen in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.