Morgen wird der Nationalrat die 6. IV-Revision beraten. Für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband von 170‘000 Arbeitnehmenden, ist klar: Wenn die grosse Kammer das Ziel der Wiedereingliederung von IV-Bezüger/innen ernst nimmt, muss sie die Arbeitgeber verpflichten, die notwendigen Arbeitsplätze anzubieten.
Nach dem Willen des Bundesrates sollen knapp 17‘000 Menschen, welche heute eine IV-Rente beziehen, wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Damit geht der Bundesrat weit über das hinaus, was bezüglich Eingliederung bisher in der IV angestrebt wurde. Diese Jobs werden nicht vom Himmel fallen. Travail.Suisse weist schon länger darauf hin, dass dieses Ziel nur realistisch und glaubwürdig ist, wenn die Arbeitgeberseite verpflichtet wird, die erforderlichen Arbeitsplätze auch anzubieten. Das ist heute – besonders auch in grösseren Unternehmen – alles andere als gegeben. Behinderten Menschen weht ein rauer Wind entgegen. Oft werden teilleistungsfähige Personen gar systematisch ausgegliedert. Das Beispiel Roche, das heute der Tages-Presse zu entnehmen war, ist hier kein Einzelfall.
Die Zeit der Appelle ist vorbei
Die notwendige Schaffung von Arbeitsplätzen für Teilleistungsfähige ist im heutigen wirtschaftlichen Umfeld (absolute Profitmaximierung, geforderte Flexibilität, gestiegener Konkurrenzdruck) nicht mehr mit Appellen allein zu bewerkstelligen. Es ist Zeit, dass auch die Arbeitgeber ihren Beitrag zur Sanierung der IV leisten. IV-Betroffene haben mit verschärften Mitwirkungspflichten und dem Absolvieren von „ Eingliederungspaketen“ bereits einen grossen Beitrag an die Gesundung der IV zu leisten. Gleichzeitig leistet auch die ganze Bevölkerung einen Beitrag, indem sie ab nächstem Jahr für die IV mehr Mehrwertsteuern zahlt. Travail.Suisse fordert vom Nationalrat, dass er den Vorschlägen seiner Sozialkommission folgt und erstmalig Unternehmen verpflichtet, IV-Betroffene anzustellen. Es liegt nun an der CVP und an bürgerlichen Arbeitsintegrationsverfechtern wie Otto Ineichen dafür zu sorgen, dass realistische Voraussetzungen für Wiedereingliederungen über ideologische Grundsatzdiskussionen gestellt werden.
Verpflichtender Integrationsbeitrag ist fällig
Der Vorschlag der Kommissionsmehrheit, Grossbetriebe zu verpflichten, mindestens ein Prozent IV-Abgänger zu beschäftigen, ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung. Gerade Grossbetriebe wie Roche profitieren von den guten Standortbestimmungen in der Schweiz. Sie sollen deshalb bei der Integration von teilleistungsfähigen Menschen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Wer seiner Verpflichtung nicht nachkommt, muss eine zweckgebundene Abgabe, zur Schaffung von Arbeitsplätzen für die Betroffenen zahlen. Wenn die IV wirklich zu einer Eingliederungsversicherung werden will, braucht es jedoch noch weiter gehende Verpflichtungen der Arbeitgeberseite. So wie es Travail.Suisse und eine Minderheit der Sozialkommission fordert.
Ein Gebot der Fairness
Ein verpflichtender Integrationsbeitrag ist auch ein Gebot der Fairness: Ohne Jobaussicht verkommen die zu absolvierenden Massnahmen für die Betroffenen zur puren Schikane und für die IV zu Investitionen, die in den Sand gesetzt werden. Auch aus Arbeitgebersicht ist die Verpflichtung ein Gebot der Fairness: Arbeitgeber, die sich um die Erwerbsintegration von gesundheitlich beeinträchtigten Arbeitnehmer/innen bemühen, zahlen weniger als Arbeitgeber, welche sich darum foutieren.