Das liegt aktuell als Reform der Beruflichen Vorsorge auf dem Tisch
Vorgeschichte
Nach der Ablehnung der Reform Altersvorsorge 2020 im Jahr 2017, bat der Bundesrat die Sozialpartner an einen Tisch, um einen Kompromiss für einen Reformvorschlag für die zweite Säule zu finden, der auch vor dem Volk mehrheitsfähig sein würde. Ziel war es, den Umwandlungssatz zu senken, weil die Zinsen fortlaufend tief waren und die Zahl der Pensionierten zunahm. Dabei sollte aber das Rentenniveau erhalten bleiben. Travail.Suisse, der SGB und der Arbeitgeberverband erarbeiteten darauf einen , den so genannten Sozialpartnerkompromiss (1). Kernstück des Kompromisses war ein Rentenzuschlag, der im Umlageverfahren finanziert wird und einen gewissen sozialen Ausgleich innerhalb der zweiten Säule hergestellt hätte. Der Sozialpartnerkompromiss war von Anfang an als Paket ausgestaltet, zu dem sich alle Beteiligten bekannten, nicht aber zu den einzelnen Teilen unabhängig voneinander. Das Parlament hat nun die einzelnen Teile des Sozialpartnerkompromisses verändert und dadurch die Vorlage aus dem Gleichgewicht gebracht.
Die aktuelle Vorlage
Nun liegt also ein neues Gesamtpaket auf dem Tisch, das leider das Rentenniveau – im Gegensatz zum Sozialpartnerkompromiss – nicht halten kann. Die Vorlage umfasst folgende Hauptpunkte:
1. Senkung des Umwandlungssatzes
Der Umwandlungssatz wird von 6.8% auf 6% gesenkt. Das bedeutet, dass pro angesparten Franken nicht mehr 6.8% jährliche Rente ausbezahlt wird, sondern nur noch 6%. Pensionierte der kommenden Jahrgänge werden folglich für ihr angespartes Alterskapital knapp 12% weniger Rente erhalten.
2. Rentenzuschlag
Für die Hälfte der Jahrgänge, die bei Inkrafttreten der Reform 50 Jahre und älter sind, ist eine partielle Kompensation (bei einem BVG-Altersguthaben von CHF 215'101.- bis CHF 430'200.-) bzw. eine volle Kompensation (bei einem BVG-Altersguthaben bis CHF 215'100.-) durch einen Rentenzuschlag vorgesehen. Wer ein höheres BVG-Altersguthaben hat – rund 50% der Bevölkerung – wird zwar wie alle Arbeitnehmenden in den nächsten 15 Jahren einen zusätzlichen Lohnabzug von 0,24% leisten, aber keinen Rentenzuschlag erhalten. Auch alle Jahrgänge, die bei Inkrafttreten der Reform unter 50 Jahre alt sind, erhalten keine Kompensationen, obwohl auch sie aufgrund der Reform Rentenausfälle erleiden werden.
3. Glättung der Altersgutschriften
Die Höhe der Altersgutschriften wird angepasst. Bisher haben die Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden in den ersten 10 Jahren – das heisst im Alter von 25 bis 34 Jahren – gemeinsam eine Altersgutschrift von 7% auf dem Lohn entrichtet. In den folgenden zehn Jahren waren es 10%, in den dritten zehn Jahren 15% und in den letzten zehn Jahren 18%. Dies ist einer der Faktoren, der dazu führt, dass Arbeitgebende lieber jüngere Arbeitnehmende einstellen, da die Kosten tiefer sind als für ältere Arbeitnehmende. Gleichzeitig ermöglicht diese Staffelung aber auch, dass in der zweiten Hälfte des Arbeitslebens, wenn man tendenziell mehr verdient, ein grösseres Altersguthaben angespart werden kann als in den jüngeren Jahren, wenn viele Arbeitnehmende wegen Kinderbetreuung oder Ausbildung im Beruf kürzertreten und deshalb ein kleineres Einkommen haben. Neu sollen die Altersgutschriften in den ersten 20 Jahren 9% betragen und in den zweiten 20 Jahren 14%. Über das ganze Arbeitsleben sinken also die Altersgutschriften, das wird aber mit der Veränderung des Koordinationsabzugs je nach Einkommen mehr als kompensiert.
4. Prozentualer Koordinationsabzug
Aktuell liegt der Koordinationsabzug bei CHF 24'885. Das heisst, die Lohnabzüge für die zweite Säule werden auf dem vollen Lohn abzüglich des Koordinationsabzugs von CHF 24'885.- einbezahlt. Der Koordinationsabzug wird nun auf 20% des Einkommens gesenkt. Eine Arbeitnehmerin, die im Jahr CHF 50'000.- verdient, wird neu einen versicherten Lohn von 40'000.- haben, auf dem die Lohnabzüge gemacht werden. Bisher hatte sie einen versicherten Lohn von CHF 25'115.- Durch den tieferen Koordinationsabzug wird also ein grösserer Teil des Einkommens versichert. Das führt insbesondere bei den tieferen Einkommen zwar zu einem höheren Alterskapital, aber auch zu höheren Kosten für die Versicherten (und die Arbeitgebenden) während des Erwerbslebens. Die Befürworterinnen und Befürworter der Reform argumentieren insbesondere mit diesem Punkt, indem sie betonen, dass die tieferen Einkommen (tiefe Löhne, Teilzeit), höhere Altersersparnisse bilden können.
5. Eintrittsschwelle
Bisher mussten Arbeitnehmende mindestens CHF 22'050.- verdienen, um in der zweiten Säule obligatorisch versichert zu sein. Diese sogenannte Eintrittsschwelle soll mit der Reform auf CHF 19'845.- gesenkt werden. Damit werden neu auch kleine Einkommen in der zweiten Säule versichert. Das bedeutet aber auch, dass diese Arbeitnehmenden neu auf ihrem bereits geringen Einkommen Lohnabzüge für die zweite Säule in Kauf nehmen müssen, um Alterskapital anzusparen. Das zusätzliche Alterskapital dürfte allerdings in den wenigsten Fällen effektiv die finanzielle Situation im Pensionsalter verbessern. Dies, weil die Betroffenen mit ihrem Altersguthaben aus der zweiten Säule nicht über den Anspruch auf eine EL-Rente hinauskommen werden. Falls die geringe Beschäftigung nur über einen kürzeren Zeitraum erfolgt (z.B. Teilzeit aufgrund von Kinderbetreuung oder Ausbildung), dürften die Betroffenen eher auf ein etwas höheres Einkommen angewiesen sein als auf die sehr bescheidene Bildung von Alterskapital. Die Senkung der Eintrittsschwelle führt somit zu deutlich höheren Kosten für Versicherte mit tiefen Einkommen, aber kaum zu höheren Renten.
Fazit
Betrachtet man alle diese Veränderungen, die die BVG-Reform vorsieht, gemeinsam, ergeben sich folgende grosse Linien: Für die mittleren Einkommen zieht die Reform bedeutende Rentenverluste nach sich. Insbesondere für Versicherte mit Einkommen zwischen CHF 70'000 und CHF 86'000 dürften diese für die meisten Personen zwischen 45 und 65 Jahren (bei Inkrafttreten der Reform) zwischen 5% und 15% liegen. Deutliche Rentensteigerungen ergeben sich für Versicherte mit Einkommen zwischen CHF 25'000 und CHF 40'000. Dies allerdings auch zu deutlich höheren Kosten. Insgesamt kann die Reform der beruflichen Vorsorge das Rentenniveau für Arbeitnehmende mit mittleren Einkommen bei weitem nicht sichern.
Travail.Suisse wird deshalb seinem Vorstand Ende März die Referendumsfrage vorlegen.
Anmerkung:
(1): Der Schweizerische Gewerbeverband stieg kurz vor Verhandlungsende aus den Gesprächen aus und stellte sich von Beginn gegen die Vorlage.