Der Wert des Kompromisses – Woran Banken, Pensionskassenverband und Gewerbe bei der Kompromissfindung scheitern würden
Der Bundesrat hat die BVG-Reform in die Vernehmlassung geschickt. Er übernimmt dabei das Kompromissmodell der Sozialpartner. Derweilen beharren verschiedene Akteure auf ihren eigenen Modellen. Würden sie untereinander einen Kompromiss finden? Kaum. Nicht einmal wenn Banken-, Gewerbe- und Pensionskassenverband alleine über die berufliche Vorsorge entscheiden würden, könnten sie sich einigen. Dies zeigt den tatsächlichen Wert des vorliegenden Kompromisses.
Am 2. Juli 2019 haben Arbeitgeberverband, Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse den Sozialpartnerkompromiss zur Reform der beruflichen Vorsorge präsentiert. Der Mindestumwandlungssatz soll zwar gesenkt werden, das Rentenniveau aber nicht sinken. Teilzeitangestellte werden besser versichert und Ältere nicht mehr mit den höchsten Sparbeiträgen belastet. Der Bundesrat hat den Vorschlag unverändert in die Vernehmlassung geschickt.
Nach der Arbeit der Sozialpartner kehrt aber nicht etwa Ruhe ein. Vielmehr ertönt von der Bühne ein Wunschkonzert. Es spielen mit: der Arbeitgeberverband der Banken (Arbeitgeber Banken), der Pensionskassenverband ASIP und der Gewerbeverband. Alle drei haben inzwischen ihre Ideen für eine Reform der beruflichen Vorsorge präsentiert. Diese fügen sich allerdings nicht zu einer wohl klingenden Symphonie zusammen. Vielmehr ergötzt sich jeder einzelne Musiker an seinen eigenen Tonfolgen. Es dominiert die Kakophonie.
Doch weshalb könnten sich die Arbeitgeber Banken, der Pensionskassenverband ASIP und das Gewerbe nicht einmal zu dritt zu einem Kompromiss zusammenraufen?
Sparprozess vorbeziehen – das kann für KMU teuer werden
Beginnen wir bei den Jungen. Der ASIP und die Banken schlagen vor, dass der Sparprozess bereits früher beginnen soll. Die Sparbeiträge der Versicherten zwischen 20 und 24 Jahren sollen von heute 0% auf 9% erhöht werden. Ausgerechnet beim Berufseinstieg sollen also die Kosten massiv steigen. Daran hätten aber nicht nur die Jungen wenig Freude. Vor allem KMU mit BVG- und BVG-nahen Lösungen, welche heute keine überobligatorischen Sparbeiträge bei jungen Erwachsenen erheben, müssten mit massiv höheren Kosten rechnen. Das ist für den Gewerbeverband wohl kaum eine Option. In seinem Modell schlägt er denn auch keine Vorverlegung des Sparprozesses vor. Ein Kompromiss in dieser Frage? Möglich, aber unwahrscheinlich.
Tiefe Löhne besser versichern – nicht mit dem Gewerbe
Der Sozialpartnerkompromiss sieht eine bessere Versicherung von tiefen Löhnen und Teilzeitangestellten vor, unter anderem mittels Halbierung des Koordinationsabzugs. Neu wird also ein grösserer Teil des Einkommens versichert, damit bei der Pensionierung auch bessere Renten ausbezahlt werden können. Allerdings müssten auch Arbeitgeber ihre Beiträge auf diesen tieferen Löhnen bezahlen. Tiefere Löhne sind bei den Banken - und wohl auch beim ASIP – weniger verbreitet als in gewerblichen Berufen. Dementsprechend schlagen nur die Banken und der Pensionskassenverband einen tieferen Koordinationsabzug vor (60% des AHV-Lohns). Einen solchen würde das Gewerbe wiederum kaum akzeptieren. Auch in diesem Punkt wäre ein Kompromiss wenig wahrscheinlich.
Kompensation der Übergangsgeneration – zentrale Frage, zentrale Lösung
Das Kernstück jeder Reform der beruflichen Vorsorge - welche einen tieferen Mindestumwandlungssatz zur Folge hat - ist die Kompensation der Übergangsgeneration. Diese braucht es, weil ein tieferer Mindestumwandlungssatz zu tieferen Renten führt. Soll das Rentenniveau gesichert werden, dann müssen Versicherte, welche nicht mehr ausreichend Zeit haben, um sich ihr Rentenniveau über mehr Ersparnisse zu sichern, einen Ausgleich erhalten. Wie dies geschehen soll, ist beim genannten Trio umstritten. Banken und ASIP haben eine grundlegend andere Idee als der Gewerbeverband. Mit gutem Grund: Vorsorgeeinrichtungen von Branchen mit hohen Einkommen und häufig bedeutenden überobligatorischen Leistungen bekunden wenig Mühe, diese Kompensation selber zu leisten. Sie können dies mittels Umverteilung von den aktiven Erwerbstätigen und überobligatorisch Versicherten zur Übergangsgeneration tun.
Anders sieht es bei Vorsorgeeinrichtungen aus, welche BVG- oder BVG-nahe Leistungen anbieten. Eine betriebliche Kompensation der Übergangsgeneration ist für sie kaum möglich oder wäre mit sehr hohen Kosten verbunden. Diese Kosten würden häufig von kleineren und mittleren (Gewerbe)-betrieben und ihren Angestellten getragen. Der Gewerbeverband schlägt deshalb folgerichtig eine zentrale Lösung für die Übergangsgeneration vor. In diesem Modell entrichten alle Vorsorgeeinrichtungen einen Beitrag an den Sicherheitsfonds und dieser vergütet anschliessend die Kompensationszahlungen der Vorsorgeeinrichtungen an die Übergangsgeneration. Branchen mit hohen Löhnen bezahlen in diesem Modell entsprechend mehr an die Stabilisierung des Systems. Verfolgen Banken und weitere Hochlohnbranchen ihre kurzfristigen Eigeninteressen, dann werden sie nur einer dezentralen betrieblichen Lösung zustimmen. Die Banken und der ASIP schlagen in ihren Modellen eine dezentrale Lösung vor. Was bei den Banken wenig überraschend ist, lässt beim ASIP tief blicken.
Zusammenfassend zeigt sich deutlich, dass ein Kompromiss zwischen Gewerbe und Banken auch in dieser entscheidenden Frage weitgehend ausgeschlossen ist. Nur eine zentrale Lösung vermag die berufliche Vorsorge zu stabilisieren. Die Banken sind allerdings nicht bereit, ihren Beitrag zu leisten. Vermutlich hoffen sie, dass am Schluss der Finanzminister die Kasse öffnen wird.
Keine Reform der beruflichen Vorsorge ohne die Arbeitnehmenden
Ein Kompromiss mit Verbänden, die strikt ihre Eigeninteressen verfolgen, ist unmöglich. Das liegt in der Natur der Sache. Die vorliegende BVG-Reform ist deshalb nicht einfach eine Idee von vielen, sondern der einzig gangbare Weg. Wer tatsächlich eine Reform der beruflichen Vorsorge will, muss sich dessen bewusst sein. Die Ideen von Banken, ASIP und Gewerbe hingegen sind nicht nur untereinander unvereinbar. Wegen der damit verbundenen Rentenkürzungen sind sie für die Arbeitnehmerseite vor allem eines: inakzeptabel.