Knallharte Interessenpolitik der Banken gegen die BVG-Reform
Am 2. Juli 2019 haben die nationalen Dachverbände der Sozialpartner Travail.Suisse, SGB und der Arbeitgeberverband ihren Vorschlag für die Reform der beruflichen Vorsorge präsentiert. Der Bundesrat schickte diese Kompromisslösung am 13. Dezember unverändert in die Vernehmlassung. Nun haben die Banken einen eigenen Vorschlag für die Reform der beruflichen Vorsorge präsentiert. Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) und der Verband der Detailhändler (Swiss Retail Federation) haben sich ihnen angeschlossen. Der Vorschlag ist weder ausgereift, noch tragfähig.
Die unheilige Allianz zwischen Banken, Baumeistern und Detailhändlern schlägt ein Modell vor, das die Vorgaben nicht erfüllt: Er sieht weder ein stabiles Rentenniveau noch eine ausgewogene Modernisierung der beruflichen Vorsorge vor. Damit nicht genug, würde dieses Reform-Modell den Jungen den Berufseinstieg massiv erschweren und das System der beruflichen Vorsorge nicht stabilisieren. Der Vorschlag ist deshalb weit von einem „vernünftigen Mittelweg“ entfernt. Vielmehr handelt sich um knallharte Interessenpolitik der Banken.
Der am 2. Juli 2019 von den Sozialpartnern präsentierte Reformvorschlag für die berufliche Vorsorge sieht vor, den Mindestumwandlungssatz zu senken. Gleichzeitig werden die Sparanstrengungen erhöht und ein Mechanismus eingeführt, der es auch älteren Erwerbstätigen ermöglicht, das bisherige Rentenniveau zu halten. Als Modernisierungsmassnahmen werden zudem Teilzeitangestellte – vor allem Frauen - und tiefe Löhne besser versichert. Bei den älteren Arbeitnehmenden werden die Sparbeiträge von 18% auf 14% gekürzt um ihre Beschäftigungschancen zu verbessern.
Der Bundesrat hat den Vorschlag der Sozialpartner aufgenommen und ihn in die Vernehmlassung geschickt. Nun hat eine unheilige Allianz von Banken, Baumeister und Detailhändler einen Gegenvorschlag präsentiert. Baumeister und Detailhändler lassen sich dabei von den Banken instrumentalisieren.
Renten senken, Berufseinstieg erschweren, System nicht stabilisieren - kein vernünftiger Weg
Das Banken-Modell übernimmt in weiten Teilen einen Vorschlag des Pensionskassenverbandes ASIP und ändert diesen leicht ab. Der Mindestumwandlungssatz soll auf 6% gesenkt werden (ASIP: 5.8%), der Koordinationsabzug beträgt 60% des AHV-Lohnes, aber maximal 21‘330 CHF, der Sparprozess wird bereits zwischen 20 und 24 Jahren begonnen, die Altersgutschriften der älteren werden leicht auf 16% gesenkt und die Kompensation der Übergangsgeneration wird dezentral von jeder Vorsorgeeinrichtung selber geregelt.
Für die Renten aus der zweiten Säule heisst dies, dass Versicherte ab 45 Jahren mit teilweise deutlichen Renteneinbussen rechnen müssen. Die besseren Leistungen für tiefere Einkommen und Teilzeiterwerbstätige, die in der Bundesratsvorlage angestrebt werden, fallen zudem weg. Hinzu kommt, dass diese geringeren Leistungen mit zwei teuren Anpassungen erkauft werden müssen:
- Die Erhöhung der Sparbeiträge bei den 20-24 Jährigen hilft der Reform nicht, weil sie zur Lösung des Problems der Übergangsgeneration keinen Beitrag leistet. Mit der Übergangsgeneration werden diejenigen Jahrgänge bezeichnet, welche nicht mehr ausreichend Zeit haben, um den tieferen Umwandlungssatz mit eigenen Ersparnissen zu kompensieren. Soll ihre Rentenhöhe gesichert werden, dann müssen finanzielle Mittel umverteilt werden. Dass die Übergangsgeneration kompensiert werden soll, ist unbestritten. Die Frage ist nur wie. Höhere Sparbeiträge für junge Erwachsene aber leisten hier keinen Beitrag. Vielmehr schafft der Vorschlag ein neues Problem: Zwischen 20 und 24 Jahren steigen junge Erwachsene nach der Ausbildung häufig das erste Mal mit einer regulären Stelle in den Beruf ein. Diese Übergangsphase ist dadurch anspruchsvoll und nicht selten mit Phasen der Arbeitslosigkeit verbunden. Gemäss dem Banken-Vorschlag sollen in dieser Phase neu 9% Sparbeiträge anfallen, bisher waren es 0%. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese Massnahme zur Lösung der aktuellen Herausforderungen nicht nur nichts bringt, sondern im Gegenteil schädlich ist, weil den jungen Erwachsenen dadurch der Berufseinstieg wesentlich erschwert wird.
- Das Banken-Modell sieht eine dezentrale Finanzierung der Leistungen für die Übergangsgeneration vor d.h. jede Vorsorgeeinrichtung ist selber dafür verantwortlich, den Jahrgängen der Übergangsgeneration die Rentenhöhe zu sichern. Für die Vorsorgeeinrichtungen aus Hochlohnbranchen und mit bedeutenden überobligatorischen Leistungen mag diese Form der Kompensation aufgehen. Für kleine und mittlere Betriebe und ihre Arbeitnehmenden mit wenig oder keinen überobligatorischen Leistungen wird diese Lösung aber im besten Fall eines, nämlich sehr teuer. Sogar der Gewerbeverband schlägt deshalb in seinem Discounter-Modell eine zentrale Lösung für die Übergangsgeneration vor. Sogar ihm wäre vermutlich bewusst, dass insbesondere für die kleinen und mittleren Betriebe ein Banken-ASIP-Modell im besten Fall sehr teuer würde. Dabei berechnen die Banken ihr Modell, ohne die Kompensation für die Übergangsgeneration zu erwähnen. Diese Kosten werden im Modell schlichtweg nicht aufgeführt. Kein Wunder, wird das Banken-Modell dadurch deutlich günstiger als der Bundesratsvorschlag. Aber wenn Banken ihre Kosten immer so berechnen, dann wird die nächste Finanzkrise für die öffentliche Hand vermutlich teuer.
Kurz: die Banken sind nicht bereit ihren Beitrag an die Stabilisierung der beruflichen Vorsorge zu leisten und betreiben knallharte Interessenpolitik. Und leider sind den Baumeistern und Detailhändlern die Interessen der Banken offenbar näher als diejenigen der eigenen Leute. Eine verkehrte Welt, weit entfernt von Vernunft und sozialpartnerschaftlicher Lösungsfindung. Die Vorlage des Bundesrats bleibt damit der einzige gangbare Weg für eine Reform der beruflichen Vorsorge.