2012 war ein ausgesprochen gutes Jahr für die Lebensversicherer. Sie konnten der 2. Säule 661 Millionen Franken Gewinn entnehmen. Das ist der höchste Gewinn seit der Finanzkrise. Weniger gut war das Jahr für die Versicherten: Sie zahlten weiterhin überhöhte Risikoprämien und wurden nur ungenügend an den Überschüssen der Lebensversicherer beteiligt. Nun muss endlich Bewegung in die Sache kommen. Denn etwas mehr Transparenz allein wird nicht reichen, damit die Lebensversicherer von ihrem Goldesel herunter kommen. Der Bundesrat muss in seinem Paket zur Altersvorsorge die heutige Praxis unterbinden.
Seit mehreren Jahren macht Travail.Suisse unter dem Titel „die vergessenen Milliarden“ auf die hohen Gewinne aufmerksam, welche aus der 2. Säule abfliessen. Die diesjährige Analyse zu den Gewinnen der Lebensversicherungsgesellschaften in der beruflichen Vorsorge zeigt: Zwar hat sich die Transparenz in der Berichterstattung in den letzten Jahren verbessert. Geändert an den überhöhten Gewinnen hat sich jedoch nichts. Im Gegenteil: 2012 erzielten die Lebensversicherer mit 661 Millionen Franken den höchsten Gewinn seit 2007. Seit 2005, dem Zeitpunkt der Einführung der Mindestquote, sind damit mehr als 3.6 Milliarden Franken aus dem Vorsorgesystem abgezogen worden. Wenn die Politik nichts unternimmt, ist dieses Geld zwar nicht vergessen, aber für die Altersvorsorge verloren. Diese Gelder gehen an Aktionäre und das Management der Lebensversicherer. Bezahlt werden sie von den Prämien der Versicherten, welche über ihren Arbeitgeber einer Sammelstiftung eines Lebensversicherers angeschlossen sind.
2. Säule als Goldesel
Anders als man denken könnte, machen die Lebensversicherer in der Schweiz ihr Geld nicht vorwiegend mit dem Verkauf von Lebensversicherungen, sondern mit dem Geschäft der 2. Säule. Die Lebensversicherer versichern im Vollversicherungsmodell rund eine Million Arbeitnehmende. Daneben bieten sie für autonome Pensionskassen weitere Rückversicherungen an. Das sogenannte Kollektivgeschäft ist wegen der vorteilhaften Regelungen für die Versicherer weit attraktiver als die private Vorsorge. 2012 stellten die erwirtschafteten 661 Millionen Franken in der beruflichen Vorsorge über drei Viertel der im Gesamtgeschäft erwirtschafteten Gewinne der Lebensversicherer dar. 1 Gewinn wird also im Versicherungsgeschäft vor allem mit einer Sozialversicherung geschrieben.
Mehr Fairness gegenüber den Zwangsversicherten dringend notwendig
Ziel der Einführung der Mindestquoten-Regelung („Legal quote“) durch das Parlament war eine Gewinnbegrenzung für die in der 2. Säule tätigen Lebensversicherer. Mindestens 90 Prozent der „Überschüsse“ sollten den versicherten Arbeitnehmenden gehören. Als Entschädigung für ihre Garantieleistungen gegenüber Arbeitgeber und Arbeitnehmenden sollten die Versicherer maximal 10 Prozent der Überschüsse behalten können. Das Parlament hat sich dies jedoch zu einfach vorgestellt. Aus dem Begriff „Überschuss“ wurde ein Politikum. Das Parlament meinte damit die auch im landläufigen Sinne verwendete Definition „Überschuss = Ertrag minus Aufwand“. In der Verordnung, welche die Basis der Berechnung der Mindestquoten bildet, wurde der Begriff „Überschuss“ jedoch unter dem Einfluss der Versicherungsindustrie plötzlich mit den gesamten Erträgen gleichgesetzt. So entstand die heute angewendete „ertragsbasierte Bruttomethode.“ Seit 2005 sind damit mehr als 2.8 Milliarden Franken mehr an die Lebensversicherer geflossen als vorgesehen. 2 Es muss nach acht Jahren klar konstatiert werden: Die heutige Regelung vermag die Versicherten, welche nicht mit bestimmen können, wo sie versichert sind, nicht genügend zu schützen. Wenn die Tätigkeit von gewinnorientierten Unternehmen in einer Sozialversicherung toleriert werden sollen, muss ein besserer Schutz gewährleistet werden.
Ungenügende Bewegung bei den Risikoprämien
Dass überhaupt so hohe Erträge anfallen, die es zu verteilen gilt, liegt an den stark überhöhten Risikoprämien. Seit Jahren sind die eingenommen Prämien für die Versicherung von Invalidität und Todesfall im Schnitt doppelt so hoch wie die effektiv ausbezahlten Renten dafür. 3 2012 wurden gut 2.7 Milliarden Franken an Risikoprämien eingenommen, während Todesfall- und Invaliditätsleistungen von nur gut 1.4 Milliarden Franken ausbezahlt wurden. Im Normalfall müssten die Prämien über mehrere Jahre hinweg ungefähr den Aufwendungen für die Renten bei Tod und Invalidität entsprechen. Zusätzlich sollen gewisse Reserven erlaubt sein. Selbst bei einer sehr vorsichtigen Prämienfestlegungspraxis sind die einkassierten Prämien aber stark überhöht. Von Seiten der Lebensversicherer wird argumentiert, es bräuchte diese “Quersubventionierung“, weil die Versicherer zu hohe gesetzliche Altersleistungen finanzieren müssten. Für 2012 kann dem klar widersprochen werden: Die für die Finanzierung von Altersleistungen getätigten Rückstellungen konnten aus den Kapitalerträgen vorgenommen werden. Dafür braucht es keine überhöhten Risikoprämien.
Gesamtbundesrat muss dreiste Praxis bei Risikoprämien unterbinden
Damit dienen die Risikoprämien als willkommene stabile Gewinnquelle. Die rückläufigen Invaliditätsfälle werden in den Grundlagen der Versicherer zu wenig berücksichtigt. Die Prämien wurden nur unwesentlich gesenkt. Ob sich die Lebensversicherer bei steigenden Invaliditätsfällen auch so viel Zeit lassen würden mit der Aktualisierung ihrer Grundlagen? Die Finma nutzt ihren Handlungsspielraum nicht und lässt diese dreiste Praxis zu. Die Versicherungen sollen durch gute und zuverlässige Arbeit Geld in der beruflichen Vorsorge verdienen, nicht jedoch durch Nachlässigkeit und überhöhte Prämien. Es ist nun am Gesamtbundesrat, klare Missbräuchlichkeitskriterien im Rahmen der Altersvorsorge 2020 festzulegen. Es besteht ausgewiesener und dringender Handlungsbedarf.