AHV21 kommt zur Unzeit – 2x Nein am 25. September
Die Debatte über die Zukunft der AHV wird im Vorfeld der Abstimmung vom 25. September intensiv geführt. Dies erstaunt nicht, hat die AHV doch eine immense Bedeutung für die Menschen in der Schweiz. Für Travail.Suisse, den unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ist klar, dass die Reform AHV 21 zur Unzeit kommt. Zur Unzeit für alle Frauen, die ein Jahr länger arbeiten müssen und ein Jahr weniger AHV erhalten, und zur Unzeit für alle mit kleineren Portemonnaie, die zusätzlich zur Teuerung höhere Mehrwertsteuern bezahlen müssen.
Die letzte Reform über die Altersvorsorge wurde im September 2017 knapp abgelehnt. Sie war eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen der Sozialwerke und sah sogar eine Erhöhung der AHV-Renten vor. Mit AHV 21 kommt eine abgespeckte Reform vors Volk, die hauptsächlich auf die Erhöhung des Rentenalters für die Frauen fokussiert. Verbesserungen sind praktisch keine enthalten. Dabei stellt die AHV für viele Personen – insbesondere solche mit tiefen Einkommen – die wichtigste Einnahmequelle nach der Pensionierung dar. Der AHV-Abbau wird für einige Übergangsjahrgänge finanziell abgefedert, aber nicht so generös, wie dies von der Befürworterseite dargestellt wird. Die ersten neun Jahrgänge der Frauen, die bei einem Ja zu AHV 21 länger arbeiten müssten, erhalten zwar eine Übergangsfinanzierung, jedoch nur zwei Jahrgänge die vollen Rentenzuschläge.
Erhöhung des Frauenrentenalters ist unfair
Es sind oft Frauen, die bis heute weniger im Erwerbsleben stehen als Männer, häufig in Teilzeitanstellungen, mit der sie am Schluss keine Pensionskassenrente bekommen. Es sind die Frauen, Mütter und Grossmütter, die heute einen Grossteil der unbezahlten Arbeit leisten und deshalb bei der Erwerbsarbeit zurückstecken müssen. Sie sollen mit AHV 21 nun erst ein Jahr später eine Rente bekommen. Das sind 26‘000 Franken weniger, oder – wenn die Frau trotzdem bereits mit 64 Jahren in Pension geht – eine lebenslänglich tiefere monatliche Rente von zwei bis drei Prozent. Das werden die betroffenen Frauen und Ehepaare direkt bei ihrem Haushaltseinkommen spüren. Die Erhöhung des Frauenrentenalters kommt zu früh, weil die Frauen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen werden, weniger Möglichkeiten hatten erwerbstätig zu sein. Gleichstellung ist ein langer Weg. Auch deshalb setzt sich Travail.Suisse für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nur wenn beide Elternteile die Möglichkeit haben einer bezahlten Erwerbsarbeit nachzugehen und die unbezahlte Arbeit gerechter auf Frauen und Männer verteilt wird, kann über eine Angleichung des Rentenalters diskutiert werden. AHV 21 ist negative Gleichstellung: Keine Verbesserung der (Renten-)Situation für die Frauen, aber Angleichung des Rentenalters unter dem Deckmantel der Gleichstellung.
Keine Verbesserungen bei der 2. Säule und anhaltende Lohndiskriminierung
Das Parlament wollte noch vor der Abstimmung über AHV 21 Verbesserungen bei der 2. Säule, den Pensionskassen, präsentieren. Für Frauen und Personen mit tiefen Einkommen sollte die BVG-Reform Verbesserungen enthalten. Davon ist aber bislang nichts zu sehen. Dabei erhalten Frauen, wenn AHV- und Pensionskassenrenten zusammengezählt werden, einen Drittel weniger Renten. Das sind durchschnittlich 20‘000 Franken pro Jahr und Rentnerin. Bei der Altersgruppe der über 54-Jährigen beträgt der Lohnunterschied zu den Männern, der «Gender Pay Gap», 25 Prozent, im Durchschnitt liegt er bei 19 Prozent. Auch diese Zahl zeigt, dass AHV 21 zur Unzeit kommt. Das habt auch eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen erkannt: Gemäss Umfragen will eine deutliche Mehrheit der Frauen AHV 21 ablehnen. Sie haben erkannt, dass AHV 21 eine negative Gleichstellung bedeutet. Gleichstellung beim Rentenalter, nicht aber beim Lohn. Hier hat das Parlament mit dem revidierten Gleichstellungsgesetz lediglich eine Alibiübung ausgeführt.
Die AHV braucht eine nachhaltigere Finanzierung
Dieses Jahr hat die Teuerung zum ersten Mal seit Jahren wieder angezogen. Es muss nun alles darangesetzt werden, dass die Löhne – aber auch die Renten – an die Teuerung angepasst werden, damit gerade Arbeitnehmende sowie Rentnerinnen und Rentner mit kleinem Portemonnaie die steigenden Kosten stemmen können. Auch die Krankenkassenprämien steigen nächstes Jahr deutlich höher als in den Vorjahren. Bei Personen mit tiefen Einkommen und Renten können diese Kostensteigerungen dazu führen, in die Armut zu rutschen. In dieser Situation die Mehrwertsteuer zu erhöhen, macht es für diese Menschen noch zusätzlich schwieriger. Travail.Suisse hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer als zusätzliche Finanzierung immer mitgetragen. Doch diese Erhöhung hilft der AHV wenig, sie ist nicht nachhaltig. Doch dies war auch nicht das Ziel der Mehrheit im Parlament, offenbar soll die AHV so knappgehalten werden, dass bald wieder eine neue Reform mit weiteren Abbauvorschlägen präsentiert werden kann. Da die zusätzlichen 0,4 Mehrwertsteuerprozent in der aktuellen Situation die bereits steigenden Preise noch zusätzlich erhöhen, kommt diese Finanzierung im Moment zur Unzeit. Travail.Suisse hat alternative Finanzierungsformen für die AHV ins Spiel gebracht. Eine wird jetzt per Volksinitiative vorgeschlagen, die Gewinne der Nationalbank sollen teilweise der AHV zugutekommen. Die AHV braucht eine stabile und nachhaltige Finanzierung, AHV 21 ist es nicht.
2x Nein ermöglicht eine bessere Lösung für ein würdiges Leben im Alter
AHV 21 ist ein Flickwerk und geht nicht auf die tatsächlichen Probleme ein. Die Tatsache, dass die AHV im Vergleich zum letzten Lohn vor der Pension mit den Jahren immer kleiner geworden ist, wurde von der Politik nicht aufgenommen. Allein dieser Fakt sollte dazu führen, dass die Renten erhöht werden – nicht gesenkt. Kommt hinzu, dass die Pensionskassenrenten in den letzten Jahren eine richtige Talfahrt erlitten haben und die Rentnerinnen und Rentner immer kleinere Renten erhalten. AHV 21 atmet den Geist des Abbaus, das gilt es mit zweimal Nein am 25. September zu verhindern. AHV 21 kommt zur Unzeit für die kommenden Frauenjahrgänge, aber auch für alle mit einem kleinen Budget. Jenen zu glauben, die AHV 21 als dringend notwendig darstellen, ist falsch. Der AHV geht es gut, die Zahl der AHV-Beitragszahlenden hat ein Allzeithoch erreicht und die finanzielle Situation der AHV ist gut, besser als die Prognosen. Man darf AHV 21 am 25. September also ablehnen. Damit erhält das Parlament noch einmal die Chance, einen besseren Vorschlag auszuarbeiten, der für die Frauen und für alle Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen Verbesserungen und damit die Chance auf ein würdiges Leben im Alter bringt.