Zusätzliche SNB-Ausschüttungen gehören in die AHV
Die Schweizerische Nationalbank hat ihre Vereinbarung mit dem Bund über die Höhe ihrer Ausschüttungen erneuert. Neu sollen jährlich sechs Milliarden Franken ausgeschüttet werden. Damit muss der Bund nun dringend die Altersvorsorge kompensieren, da sie für die Negativzinsen den höchsten Preis bezahlt. Langfristig braucht es endlich eine intelligente Besteuerung der Finanzmärkte als Alternative zur Politik der Nationalbank.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) versucht seit der Aufhebung des Franken-Mindestkurses zum Euro am 15. Januar 2015 die Aufwertung des Schweizer Frankens zu verhindern. Dafür setzt sie neben den Negativzinsen auch auf Devisenmarktinterventionen. Die SNB bucht dafür neue Schweizer Franken – sie muss diese nicht drucken – und kauft damit vor allem Anleihen anderer Staaten und Aktien von Unternehmen, beispielsweise von Google oder Facebook. Das Ziel ist klar, ein grösseres Angebot an Franken soll seinen Wert reduzieren. Als Folge dieser Frankenschaffung hat sich bei der SNB ein gewaltiges Vermögen angehäuft. Der Wert der Devisenanlagen betrug Ende 2020 sagenhafte 910 Milliarden Schweizer Franken, also knapp eine Billion Schweizer Franken. Dies entspricht ungefähr dem gesamten Vermögen, welches Herr und Frau Schweizer in ihren Pensionskassen angespart haben.
Die SNB macht das Richtige – in Anbetracht ihrer Mittel
Was würde geschehen, wenn die SNB sich mit ihren beiden Instrumenten – den Negativzinsen und den Devisenmarktinterventionen – nicht gegen den Aufwertungsdruck stemmen würde? Insbesondere die Industrie und der Tourismus kämen stark unter Druck, die Margen der Unternehmen würden deutlich reduziert, der Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen würde steigen und der Schweizer Aussenhandel würde sich in wenigen Jahren praktisch nur noch auf die Pharmaindustrie, die Finanzdienstleistungen und den Rohstoffhandel konzentrieren. Diese Tendenz besteht bereits heute in gefährlich starkem Ausmass, sie würde sich aber noch verstärken. Die Nationalbank macht deshalb in Anbetracht ihrer Möglichkeiten das Richtige. Sie versucht den Werkplatz davor zu schützen, dass er nicht vom Finanz- und Handelsplatz erdrückt wird.
Die Kosten der Negativzinsen – wenn die Altersvorsorge den Bund bezahlt
Das heisst nun aber nicht, dass die Geldpolitik der Nationalbank keine negativen Auswirkungen hat. Pensionskassen und AHV halten einen wesentlichen Teil ihrer Kapitalanlagen in Anleihen des Bundes. Der Bund braucht also Geld von den Pensionskassen und vom AHV-Fonds um seine Schulden zu finanzieren. Vor der Finanzkrise und der danach folgenden Frankenaufwertung erhielten Pensionskassen und AHV für 10-jährige Bundesanleihen noch Zinssätze von 2% (April 2011) oder mehr. Da sich die Negativzinsen auch auf die Bundesanleihen übertragen haben, bezahlen nun Pensionskassen und AHV-Fonds dem Bund Geld dafür, dass er Schulden aufnehmen kann. Für die Altersvorsorge ist dies ein fundamentaler Paradigmenwechsel. Die Altersvorsorge ist Hauptverliererin der Negativzinspolitik, während der Bund Hauptgewinner ist. Seine Zinslast hat sich in den vergangenen Jahren massiv verringert, von 3.7 Milliarden im Jahr 2008 bei Ausbruch der Finanzkrise auf eine Milliarde im Jahr 2019, Tendenz sinkend. Travail.Suisse hat diese Zusammenhänge detailliert im Papier zur Travail.Suisse-Transversale dargelegt(hier klicken). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Kantonen, auch hier hat die Negativzinspolitik zu einer massiven Entlastung der öffentlichen Haushalte geführt. Nun haben Nationalbank und Bund zusätzliche Ausschüttungen beschlossen. Diese sollen an den Bund und die Kantone fliessen, also die Gewinner der Nationalbankpolitik – und nicht etwa an die Verliererin - nämlich die Altersvorsorge.
SNB-Gewinne in die AHV – die Verlierer kompensieren
Tatsächlich kann der Verteilschlüssel für die Ausschüttungen der Nationalbankgewinne nicht einfach geändert werden. Zwar ist in der Bundesverfassung (Art. 99 Abs. 4) festgehalten, dass zwei Drittel davon an die Kantone fliessen sollen. Einer Übertragung der restlichen Ausschüttungen für den Bund an die AHV steht somit aber nichts im Wege. Die SNB kann ihre Ausschüttung wie geplant vornehmen, der Bund leitet diese an die AHV weiter.
Der Bund wird dadurch auch weiterhin auf die bisherigen Ausschüttungen zurückgreifen können, die zusätzlichen Ausschüttungen fliessen aber zweckgebunden in die Altersvorsorge zur Kompensation der negativen Folgen der aktuellen Geldpolitik.
Weshalb aber sollen mit den SNB-Gewinnen nicht die Verluste der Pensionskassen kompensiert werden, welche zweifellos die grösseren Verlierer sind als der AHV-Fonds? Dafür gibt es drei gute Gründe:
- Es ist nicht vorgesehen, dass die berufliche Vorsorge über andere Quellen als Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziert wird. Dies hält die Bundesverfassung fest (Art. 113 Abs. 3 BV). Eine Überweisung an die Pensionskassen oder den Sicherheitsfonds würde folglich eine Verfassungsänderung erfordern. Anders bei der AHV, welche eine Finanzierung durch den Bund explizit vorsieht (Art. 112, Abs. 3b BV).
- Die Gewinne der SNB gehören allen. Es wäre irritierend, sie nur den Versicherten der beruflichen Vorsorge zukommen zu lassen und nicht der gesamten Bevölkerung.
- Mit der Finanzierung der AHV über SNB-Gelder (bzw. Bundesgelder von der SNB) kaschieren wir keine strukturellen Probleme, sondern bewältigen eine grosse gesellschaftliche Herausforderung, den Eintritt der Baby-Boomer in das Rentenalter.
Absurditäten beenden – Frankenkäufe besteuern
Die SNB schafft neues Geld, hilft dem Werkplatz Schweiz und finanziert damit die AHV. Alles bestens in der besten aller Welten also? Kaum. Die Aufblähung der Finanzmärkte verstärkt nicht nur die Vermögensungleichheit. Die Geldschaffung dürfte auch dazu führen, dass in einer nächsten Finanzkrise die Finanzflüsse auf der Suche nach einem sicheren Hafen exorbitante Ausmasse annehmen werden. Was wird die SNB tun? Noch mehr Geld schaffen zur Bekämpfung des vielen Geldes? Es ist offensichtlich, dass der Zauberlehrling einen Zaubermeister braucht, der ihn rettet. Dieser Zaubermeister heisst Steuerpolitik und sein Mittel ist die Besteuerung von Frankenkäufen. Die Schweiz muss eine Steuer auf ausländische Frankenkäufe einführen, wie dies Travail.Suisse wiederholt gefordert hat. Nur so kann die Schweiz das berechtigte Ziel – der Erhalt der industriellen Substanz – ohne weiteren Schaden erreichen. Und nur so können die realwirtschaftlichen Aktivitäten gestärkt und die weitere Aufblähung der völlig überdimensionierten und unproduktiven Finanzmärkte gestoppt werden. Es ist höchste Zeit.