AHV - nicht unbewegt, aber unversehrt durch die Krise
Die AHV ist auch in der Corona-Krise sicher - für die Renten besteht keine Gefahr. Die wichtigsten Massnahmen wie Kurzarbeit, Erwerbsersatz, Taggelder oder Bürgschaften stabilisieren die Einnahmen. Trotzdem gehört auch die AHV zu den Verliererinnen der Corona-Krise. Dies zeigen Berechnungen von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden.
Die gesundheitliche Corona-Krise führt die Wirtschaft in eine wohl kurze, aber schwere Rezession. Prognosen deuten auf einen BIP-Rückgang von 3 bis 6% in diesem Jahr hin. Die registrierte Arbeitslosigkeit könnte dadurch auf 3 bis 5% ansteigen. Konjunkturprognosen sind zwar mit grosser Unsicherheit verbunden, trotzdem können daraus Schlüsse hinsichtlich der Einnahmen für die AHV gezogen werden.
Schlimmer als in der Finanzkrise – vermutlich weniger schlimm als in den 1990er Jahren
Ein erster möglicher Anhaltspunkt dafür liefert die Finanzkrise: Im Jahr 2009 sank die Wirtschaftsleistung um 2.2% und somit deutlich weniger stark, als es aktuell der Fall sein dürfte. Die Arbeitslosigkeit lag in den Jahren 2009/2010 bei 3.6%. Auch sie könnte in diesem Jahr ähnlich oder sogar noch höher ausfallen. Betrachtet man nur ein Jahr, so dürfte die Corona-Rezession deutlich schwerer ausfallen als die Finanzkrise. Die Finanzkrise zeigt aber auch, dass sich die Einnahmen für die AHV bei kurzfristigen wirtschaftlichen Einbrüchen vergleichsweise stabil entwickeln.
Die AHV wird zu über 70% durch Lohnbeiträge finanziert. Diese Beiträge werden weiter entrichtet, auch wenn Arbeitnehmende in Kurzarbeit sind oder Erwerbsersatz resp. Taggelder der Arbeitslosenversicherung beziehen. Dadurch erklärt sich, dass die AHV-Einnahmen aus Lohnbeiträgen verglichen mit der Wirtschaftsentwicklung relativ stabil sind. In der Finanzkrise stiegen die Lohnbeiträge permanent weiter. Sogar im magersten Beitragsjahr 2010 resultierte ein Einnahmenzuwachs von 0.6% aus den Lohnbeiträgen. Etwas anders sieht es bei der Mehrwertsteuer aus. Sie schwankt viel stärker als die Lohnbeiträge, ist aber auch unbedeutender. Lediglich 6.5% der AHV-Einnahmen stammen direkt von der Mehrwertsteuer. Diese Einnahmen sanken in der Finanzkrise im Jahr 2009 um 9.5%, nachdem sie allerdings im Vorjahr noch um über 10% gestiegen waren. Dies zeigt, wie volatil die zu oft gelobte Mehrwertsteuer während eines Wirtschaftsabschwungs reagiert. Stabil hingegen sind die Einnahmen für die AHV aus der Bundeskasse. Sie betragen 20.2% der Ausgaben und reagieren somit nicht auf Einnahmeverluste.
Was heisst das nun für die AHV-Rechnung in Corona-Zeiten? Die Lohnbeiträge dürften zum ersten Mal seit den schweren Krisen der 1990er Jahre rückläufig sein. Damals sanken die Beiträge sogar in zwei Jahren (1994 und 1997). Ein Rückgang um 0.7% dürfte in der aktuellen Krise realistisch sein. Dies entspricht tieferen Einnahmen für die AHV von 230 Millionen.
Bei der Mehrwertsteuer könnte der Rückgang etwa 10% betragen. Dies würde bei der AHV zu tieferen Einnahmen von 255 Millionen Franken führen. Der Bundesbeitrag wird hingegen durch die höheren Ausgaben wie erwartet um 412 Millionen Schweizer Franken ansteigen. Insgesamt ergeben sich somit durch die Corona-Krise im Vergleich zum erwarteten Ergebnis Einnahmeeinbussen von 485 Millionen Schweizer Franken. Diese werden durch die um 412 Millionen Franken höheren Bundesbeiträge zwar weitgehend kompensiert. Trotzdem wird deutlich: auch die AHV gehört zu den Verliererinnen der Krise.
Positive Ergebnisse 2019 – höhere Lohnbeiträge ab 2020
Am 7. April hat Compenswiss – der Ausgleichsfonds der AHV/IV/EO – die neusten Zahlen zur AHV veröffentlicht. Sie zeigen, dass die Einnahmen um 250 Millionen höher ausfallen, als vorgängig vom Bundesamt für Sozialversicherungen prognostiziert. Gleichzeitig fällt das Umlageergebnis allerdings negativ aus. Dies verdeutlicht, dass die AHV grundsätzlich zusätzliche Mittel braucht. Travail.Suisse wird seine diesbezüglichen Vorschläge in den kommenden Wochen veröffentlichen.
Ein erster Schritt zur besseren Finanzierung wurde mit der STAF-Abstimmung vollzogen. Alleine die dadurch beschlossene Erhöhung der Lohnbeiträge von 8.4% auf 8.7% führt im Jahr 2020 zu höheren Einnahmen aus den Lohnbeiträgen von knapp 1.2 Milliarden Franken. Dadurch lässt sich zusammenfassend folgende Aufstellung für 2020 machen:
- Geringere Einnahmen Lohnbeiträge 2020 oder 2021: - 230 Millionen CHF
- Geringere Einnahmen Mehrwertsteuer 2020: - 255 Millionen CHF
- Höhere Bundesbeiträge 2020: + 412 CHF
- Höhere Lohnbeiträge 2020: +1200 Millionen CHF
Mittel- und langfristige Finanzierung der Renten
Alle Prognoseinstitute erwarten eine rasche Erholung nach der Corona-Krise. Es werden somit im Jahr 2021 deutlich höhere Wachstumsraten bei Löhnen und Beschäftigung als gewöhnlich erwartet. Dies dürfte sich auch positiv auf die Erträge für die AHV aus den Lohnbeiträgen und der Mehrwertsteuer auswirken und einen Teil der Ausfälle aus dem Jahr 2020 kompensieren.
Es zeigt sich dadurch auch der Charakterzug einer guten Altersvorsorge: Sie ist auf langfristig angelegt. Kurz- und mittelfristige Schwankungen der Konjunktur oder der Finanzmärkte - wie im Fall der beruflichen Vorsorge - wirken sich nicht auf die Renten aus. Die Altersvorsorge muss als grosser Tanker im Sturm stabil bleiben und die Wellen brechen. Genau dies leistet die AHV. Sie bleibt zwar nicht unbewegt, aber letztlich unversehrt von der Corona-Krise.
Entscheidend ist nun, dass die Politik eine nachhaltige konjunkturelle Erholung ermöglicht und damit Beschäftigung und Löhne stabilisiert. Ein hohes Beschäftigungsniveau und wachsende Löhne sind auch in Zukunft die Grundlage für eine langfristig stabile AHV-Finanzierung. Sparprogramme durch die öffentliche Hand sind hingegen Gift dafür, in doppelter Dosis bei Massnahmen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern.