Die beiden Sozialkommissionen des Parlaments wollen das Frauenrentenalter erhöhen, bevor überhaupt die Vorschläge des Bundesrates zur 12. AHV-Revision auf dem Tisch liegen. Damit liegt ein weiterer unreflektierter Schnellschuss vor, der an der Realität des Arbeitsmarktes vorbei zielt. Heute sind bereits vor der Pensionierung nur noch 40 Prozent der Frauen erwerbstätig. Mit der Erhöhung des Rentenalters wird am falschen Ort angesetzt. Travail.Suisse fordert Massnahmen, die es den Arbeitnehmenden erlauben, überhaupt bis zum ordentlichen Rentenalter zu arbeiten.
Der AHV geht es heute trotz der weiterhin betriebenen Schwarzmalerei der bürgerlichen Parteien gut. Dies bestätigen die neusten Finanzperspektiven. Die AHV wird in nächster Zeit keine Defizite schreiben. Sie ist deshalb auch ohne einseitige Leistungskürzungen finanzierbar. Und es bleibt genügend Zeit, um ausgewogene Lösungen für die langfristige Finanzierung zu erarbeiten. Zurzeit wird an den Vorschlägen des Bundesrates zur 12. AHV-Revision gearbeitet, welche nächstes Jahr vorliegen sollen. Travail.Suisse macht sich unter anderem für einen Finanzierungsautomatismus stark.
Übereilter, einseitiger Schritt der bürgerlichen Sozialpolitiker
Obwohl momentan also weder eine Dringlichkeit noch politische Chancen für einen einseitigen Leistungsabbau bestehen, prescht die bürgerliche Mehrheit der Sozialkommissionen vor und will eine Rentenaltererhöhung der Frauen in aller Schnelle und ohne weitere begleitende Massnahmen durchs Parlament drücken. Angesichts der Tatsache, dass eine solche Rentenaltererhöhung bereits mehrmals gescheitert ist, ist dies eine Zwängerei. Anstatt die Fakten zur Kenntnis zu nehmen, wird in der Begründung des Vorstosses sogar behauptet, bereits heute deckten die Beiträge die Ausgaben der AHV nicht mehr. Das ist eine abenteuerliche Behauptung: In den letzten Jahren ist das AHV-Umlageergebnis fast durchgehend positiv gewesen.
Realitäten auf dem Arbeitsmarkt sehen anders aus
Die Erkenntnis, dass die Wirtschaft aus demografischen Gründen auch auf ältere Arbeitnehmende angewiesen sein wird, ist noch nicht überall weit gediehen. So sind viele ältere Arbeitnehmende gezwungen, aus gesundheitlichen oder arbeitsmarktlichen Gründen aus dem Arbeitsmarkt auszusteigen. Die Zahlen hierzu sind ernüchternd: Nur 40 Prozent der Frauen sind heute ein Jahr vor ihrer ordentlichen Pensionierung mit 64 noch erwerbstätig. Wenn also gespart werden soll, muss politisch dafür gesorgt werden, dass die betroffenen Arbeitnehmenden überhaupt bis zur ordentlichen Pensionierung arbeiten können. Dies bedingt, dass die Gesundheit und Erholung der Arbeitnehmenden während des ganzen Erwerbslebens nicht zu kurz kommen. Gleichzeitig muss die Arbeitswelt stärker auf die Bedürfnisse der älteren Arbeitnehmenden eingehen.
Frauen der Generation 50+ im Arbeitsmarkt benachteiligt
Bei der Diskussion um das Frauenrentenalter gilt es zu berücksichtigen, dass Frauen – insbesondere in denjenigen Generationen, die nahe am Rentenalter stehen – im Arbeitsmarkt noch diversen Benachteiligungen ausgesetzt sind. Sie werden bezüglich Lohn nach wie vor diskriminiert. Zudem konnten sie auf Grund der kinderbetreuungsbedingten Teilzeitarbeit auch nicht in gleichem Ausmass wie die Männer Vorsorgegelder aufbauen und wegen fehlender Karrierechancen nicht die gleichen Löhne erwirtschaften. Es darf deshalb nicht einfach isoliert und mit der Begründung der Gleichstellung das Frauenrentenalter angehoben werden. Lösungen sind nur in einem ausgewogenen Gesamtpaket mehrheitsfähig. Dazu gehört eine echte flexible Pensionierung auch für Personen mit bescheidenen Einkommen.
Unterschiedliche Lebensläufe erfordern flexible Pensionierungen
Heute ist die Lebenssituation der älteren Arbeitnehmenden generell sehr unterschiedlich. Das ist die wahre Herausforderung bei der politischen Festlegung des Pensionierungszeitpunkts. Personen, die lange körperlich harte Arbeit verrichtet haben, sind darauf angewiesen, dass sie früher in Pension gehen können, während andere dank guter Aus- und ständiger Weiterbildung altersadäquate Funktionen übernehmen können. Im Hinblick auf einen bedürfnisgerechten Umbau der AHV gehört eine flexible Pensionierung für alle unbedingt zu den nächsten Reformschritten. Heute können sich gerade die unteren Einkommen, die es nötig hätten, eine vorzeitige Pensionierung wegen der versicherungstechnischen Kürzungen nicht leisten. Hier ist dafür zu sorgen, dass der Altersrücktritt in Abhängigkeit der individuell sehr unterschiedlichen Erwerbsfähigkeit des Einzelnen gewählt werden kann.