Der Tag der Arbeit bietet Gelegenheit, daran zu erinnern, dass die sozialen Errungenschaften von den Arbeitnehmenden und den Gewerkschaften und Personalverbänden erkämpft werden mussten. Im Alltag geht oft vergessen, dass soziale Sicherheit und Arbeitsschutz keine Selbstverständlichkeit sind. Am Tag der Arbeit sagen wir auch: Wir kämpfen weiter für sozialen Fortschritt, höhere Prämienverbilligungen, höhere Löhne, Lohngleichheit und gute Arbeitsbedingungen.
Der 2021 eingeführte gesetzliche Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen wird von rund 70 Prozent der frischgebackenen Väter bezogen. Diese Zahl, die deutlich höher ist als erwartet und vermutlich noch steigen dürfte, belegt deutlich die Notwendigkeit und den Nutzen dieser Lohnersatzleistung der Erwerbsersatzordnung (EO). Mit diesem Beispiel möchte ich darauf hinweisen, dass soziale Errungenschaften nicht als selbstverständlich, als «gottgegeben» betrachtet werden dürfen. Gerade der 1. Mai bietet die Gelegenheit darauf hinzuweisen und zu zeigen: Es sind die Arbeitnehmenden und ihre Gewerkschaften und Personalverbände, die für den sozialen Fortschritt kämpfen. Der Einsatz für den Vaterschaftsurlaub begann für Travail.Suisse mit der Einführung des Mutterschaftsurlaubs im Jahr 2005. Es brauchte viel Überzeugungs- und politische Arbeit, bis der Mutterschaftsurlaub endlich Tatsache wurde. In diesem Fall hat es fast 60 Jahre gedauert, bis aus der Verfassungsbestimmung auch tatsächlich ein Gesetz wurde. Auch die AHV musste erkämpft werden – eine Forderung des Generalstreiks von 1918 wurde Verfassungsrecht und es dauerte nochmals mehrere Jahre bis 1948 die ersten AHV-Renten ausbezahlt wurden.
Soziale Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit
Bei der jüngsten Errungenschaft – der 13. AHV-Rente – wird es schneller gehen: Der Verfassungstext verpflichtet den Bundesrat, ab 2026 eine 13. Rente auszubezahlen. Andernfalls wäre eine Verzögerung durch die bürgerliche Mehrheit im Parlament nicht auszuschliessen. Noch immer verstehen einige nicht, dass am 3. März dieses Jahres eine klare Mehrheit von über 58 Prozent für die Einführung gestimmt hat. Der Bundesrat hat den Auftrag ernst genommen und 24 Tage nach der Abstimmung das weitere Vorgehen für die Einführung und die Finanzierung festgelegt. Bundesrätin Baume-Schneider ist im «Tschudi-Tempo» unterwegs – in Anlehnung an die schnelle Aufgabenerledigung ihres Vorgängers Hans-Peter Tschudi vor über 60 Jahren… Am diesjährigen 1. Mai sollten wir den Abstimmungssieg vom 3. März feiern und uns dabei bewusst werden: die soziale Sicherheit ist nicht selbstverständlich!
Krankenkassenprämien begrenzen: Ja zur Prämienentlastungsinitiative
Am 1. Mai machen wir aber auch klar: Wir setzen uns weiterhin für Verbesserungen für die Arbeitnehmenden ein. Bereits am 9. Juni steht die nächste Abstimmung an – es geht um die Krankenkassen. Eine weitere wichtige Errungenschaft, die uns vor Armut im Krankheitsfall schützt – dass es die obligatorische Krankenversicherung gibt, ist nicht selbstverständlich und auch hier waren die Gewerkschaften aktiv (ich erinnere an die Geschichte der CSS-Krankenkasse). Die Krankenkassenprämien drücken aber auf unsere Einkommen und machen uns Sorgen, wie die Umfragen zeigen und wie wir von unseren Kolleginnen und Kollegen wissen. Die Prämienentlastungs-Initiative hat direkten Einfluss auf die Einkommen und damit auf die Kaufkraft der Bevölkerung. Die Krankenkassenprämien sollen maximal 10 Prozent des Einkommens ausmachen, das ist die Forderung und das ist die Regel, die endlich durchgesetzt werden soll. Die Politik hat es bisher verpasst, wirksame Massnahmen zu beschliessen, jetzt braucht es höhere Prämienverbilligungen! Die Initiative ist die einzige Möglichkeit, um in den nächsten Jahren eine echte Entlastung zu erreichen. Wird die Initiative abgelehnt, vergehen Jahre bis auch nur ansatzweise Lösungen umgesetzt werden. Dabei zahlt heute jede Person, unabhängig von ihrem Einkommen, die gleiche Prämie. Der Millionär zahlt gleich viel wie die Teilzeitangestellte. Das bleibt zwar auch mit der Prämienentlastungsinitiative so, aber die Prämien werden auf maximal 10 Prozent des Einkommens begrenzt. Das bringt für viele eine wirksame Entlastung! Deshalb: Abstimmung vom 9. Juni nicht vergessen!
Stopp der Aushöhlung des Arbeitsrechts
Neben der sozialen Sicherheit kämpfen wir auch in diesem Jahr für höhere Löhne und für die Lohngleichheit. Die Reallöhne steigen nicht, im Gegenteil, sie sinken – dabei geht es der Wirtschaft sehr gut. Wann, wenn nicht jetzt, sollen die Löhne steigen? Auch daran erinnern wir am 1. Mai! Wichtig und eben auch nicht selbstverständlich, sind das Arbeitsrecht und der Lohnschutz. Wir haben in der Schweiz ein sehr liberales Arbeitsrecht – es lässt den Arbeitgebenden sehr viele Freiheiten. Trotzdem häufen sich die Vorstösse im Parlament, welche dieses Arbeitsrecht noch liberaler machen wollen! Das heisst, der Schutz der Arbeitnehmenden wird immer weiter verschlechtert. Dabei wird subtil vorgegangen, die klassische Salamitaktik. Wir verschliessen und Erneuerungen und Anpassungen nicht, auch die Arbeitnehmenden wollen moderne Regeln und haben Forderungen. Das Recht auf Nichterreichbarkeit ist ein Beispiel der modernen Zeit. Die Aushöhlung des Arbeitsrechts muss gestoppt werden – sonst werden wir einmal das Referendum gegen eine dieser Salamischeiben müssen! Dass auch der Lohnschutz keine Selbstverständlichkeit ist und wir dafür kämpfen müssen, haben wir in den letzten Monaten in den Gesprächen mit der EU gezeigt. Wir bleiben dran – in diesem Sinne: einen schönen 1. Mai!