Haus- und Familienarbeit als Armutsrisiko für Frauen
Frauen, die einen grossen Teil ihrer Wochenarbeitszeit für Haus- und Familienarbeit aufwenden, sind einem grossen Armutsrisiko ausgesetzt. Dies unter zwei Bedingungen: wenn diese sogenannten «unproduktiven» Aufgaben nicht innerhalb der Partnerschaft aufgeteilt werden und wenn es zu einer Trennung oder Scheidung kommt. Um das Armutsrisiko zu minimieren, sollten Paare schon zu Beginn ihres Zusammenlebens einen Vertrag abschliessen.
Die Zahlen des Bundesamts für Statistik, am 24. Oktober am Praxisforum in Biel der Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern des Kantons Bern präsentiert wurden, sind unmissverständlich. Die fehlende Aufteilung der Haus- und Familienarbeit in Paaren stellt für Frauen ein grosses Armutsrisiko dar. Haus- und Carearbeit wird dabei oft als «unproduktiv» bezeichnet, während die bezahlte Erwerbsarbeit als «produktiv» gilt.
Die Statistik liefert eine Fülle von Informationen über die Verteilung der Carearbeit in Familien. Frauen leisten 60% des unbezahlten Arbeitsvolumens und nur 39% der bezahlten Arbeit. Erstere beläuft sich laut Berechnungen des Bundesamtes für Statistik auf 259 Milliarden Franken. Die unbezahlte Arbeit umfasst zu 93% die Hausarbeit und die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Erwachsenen.
Hausarbeit und Care-Arbeit: mehrheitlich von Frauen übernommen
Wenig überraschend ist die Aufteilung der Hausarbeit bei Paaren, die keine Kinder haben, egalitärer. Hier wird rund die Hälfte dieser Arbeiten von den Frauen (51,4%) übernommen, die Männer übernehmen 41,1%, für den Rest wird externe Hilfe in Anspruch genommen. Entgegen jeder Logik steigt der von Frauen geleistete Anteil hingegen, je älter die Kinder werden, von 64,3% auf 75,6% (2018). Da sich die Ungleichheit im Laufe der Zeit etabliert hat, ist es nicht überraschend, dass Frauen zu 64,8% die Hausarbeit übernehmen, wenn der Partner in Rente geht.
Die meisten Frauen übernehmen auch die «Care-Arbeit», wenn sie erwerbstätig sind. Dieses Engagement wirkt sich auf die Erwerbstätigkeit von Frauen aus, da sie «produktive» und «unproduktive» Arbeit miteinander vereinbaren, indem sie den Anteil der «produktiven» Arbeit reduzieren. Männer tun dies nur in geringem Masse. Die Mehrheit der Frauen mit Kindern (8 von 10) ist erwerbstätig und ihre Beschäftigungsquote ist im Laufe der Jahre stetig gestiegen. So liegt die Mehrheit der von Frauen besetzten Teilzeitstellen heute in der Kategorie II, d. h. zwischen 50 und 89 %, während das Verhältnis 1991 noch umgekehrt war. Solange die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft (genügend Kitaplätze zu deutlich tieferen Kosten, Elternurlaube, usw.) und in der Wirtschaft (Teilzeitarbeit für Männer und generell für alle Personen mit Familienpflichten, Beseitigung der Diskriminierung von Teilzeitarbeit, Arbeitszeiten usw.) stimmen, ist Teilzeitarbeit die Lösung, die Familien wählen, um alle ihre Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen.
Die wirtschaftliche Situation von Frauen ist in dreifacher Hinsicht problematisch
Dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist eine bekannte Tatsache. Dieses Lohngefälle spiegelt zum Teil die von Frauen ausgeübte Teilzeitarbeit wider. Das Lohngefälle ist jedoch über die Jahre hinweg stabil geblieben. Zwischen 2012 und 2020 schwankt sie zwischen 18 und 19 % (für Bruttolöhne). Sowohl in kleinen als auch in grossen Unternehmen sind Frauen in der Mehrheit, wenn es um Niedriglohnjobs geht. (1) Sie erhalten auch deutlich seltener Boni, und diese sind niedriger als jene der Männer. Im Jahr 2022 stiegen die Löhne der Frauen weniger stark an als jene der Männer (0,8 % gegenüber 1,1 %). Die Unterschiede nehmen also weiterhin zu. Wenn man den Faktor Teilzeit und die steigende Lohndiskriminierung (2020 macht sie 47,8 % aller gemessenen Lohnunterschiede aus, 2012 waren es 44 %), hinzufügt, wird deutlich, dass die Situation der Frauen dreifach problematisch ist.
Die teuflische Gleichung, die zu Armut führt
Kinder zu haben, die Arbeitszeit zu reduzieren und eine Trennung oder Scheidung zu erleben (was jede zweite Ehe betrifft), führt für viele Frauen zu unmittelbarer und zukünftiger Armut. Diese Gleichung wirkt sich nicht nur auf das zum Leben verfügbare Einkommen aus, sondern auch langfristig. Dies zeigen die Rentenunterschiede zwischen Frauen und Männern, die trotz des in der beruflichen Vorsorge eingeführten Splittings weiterbestehen. Der «Gender Pay Gap», also der Unterschied beim Rentenniveau (AHV und BVG) zwischen Frauen und Männern, betrug 2021 36 Prozent.
Die Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen SILC (2) zeigt, dass fast ein Fünftel der Bevölkerung, die Schwierigkeiten hat, finanziell über die Runden zu kommen, im Jahr 2021 aus Haushalten von Alleinerziehenden (20,4%) besteht. Die Trennung oder Scheidung eines Paars mit Kindern, führt vielfach zu Armut. Es ist daher nicht verwunderlich, dass diese Menschen oftmals wirtschaftliche Sozialhilfe in Anspruch nehmen.
In diesem Zusammenhang besteht die Gefahr, dass sich die Lage der Frauen nach einer Scheidung noch weiter verschlechtert. Das Bundesgericht hat diesbezüglich festgehalten, dass die Ehe angesichts der hohen Scheidungsrate ihren «Vorsorgecharakter» verloren hat (3). Eine Frau muss zu mindestens 50% (wieder) arbeiten, sobald ihr jüngstes Kind in die Primarschule kommt, zu 80%, sobald es in die Sekundarschule kommt (ca. 12 Jahre) und Vollzeit, sobald es 16 Jahre alt ist. Es wird nicht mehr wie früher automatisch ein Unterhaltsbeitrag für Frauen gewährt, die älter als 45 Jahre sind (die Grenze wurde auf 50 Jahre angehoben), sondern jeder Fall wird individuell geprüft (4).
Eine gerechte Aufteilung aller Aufgaben ist unerlässlich
Unter diesen Umständen bleibt die Reduktion der Arbeitszeit zwar heute die einzige Lösung für Paare, um berufliche Aufgaben und Haus-, Familien- und Betreuungsaufgaben zu vereinbaren, aber Reduktion darf nicht nur Frauen betreffen. Eine gerechte Aufteilung zwischen beiden Elternteilen ist unerlässlich, auch wenn die Löhne nicht gleich hoch sind. Solange die Rahmenbedingungen unzureichend sind, macht es keinen Sinn, nach einem stärkeren Engagement von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu rufen, da sie bereits viel arbeiten. Männer hingegen sollten unbedingt dazu ermutigt werden, die Hälfte der unproduktiven Arbeit zu übernehmen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Teilzeit zu arbeiten. Nur durch ein stärkeres Engagement der Männer innerhalb der Familien und eine gerechte Aufteilung der Aufgaben sowie des mental Loads zwischen den Eltern können Frauen mehr Einkommen ausserhalb der Familie generieren.
Deshalb ist es für ein Paar von Vorteil, wenn es von Beginn des Zusammenlebens oder der Heirat an über diese Themen, einschliesslich Geld, spricht und die Aufteilung aller Aufgaben in einem ordentlichen Vertrag vereinbart. Um einen solchen Vertrag zu erstellen, sollten Sie sich von spezialisierten Anwälten beraten lassen und den Vertrag bei einer Behörde registrieren lassen. Dies war das Fazit des Praxisforums vom 24. Oktober.
Quellen:
- Ein Lohn gilt als niedrig, wenn die neu berechnete Vergütung auf der Grundlage eines Vollzeitäquivalents mit 40 Wochenstunden weniger als 4443 Franken brutto pro Monat (2020) oder zwei Drittel des standardisierten Medianbruttolohns beträgt.
- BFS, Erhebung über die Einkommen und die Lebensbedingungen SILC.
- "(...) die Ehe hat in den letzten Jahren ihren "Vorsorgecharakter" insofern verloren, als die Scheidungsrate bei fast 50 % liegt, so dass man nicht mehr mit der gleichen Intensität vom Grundsatz des in die Ehe gesetzten Vertrauens sprechen kann." Bundesgericht - 5A_384/2018 (E. 4.8.2).
- Frauen, Scheidung und berufliche Wiedereingliederung: "An die Arbeit!", Valérie Borioli Sandoz. Mediendienst 25. Juni 2021. Arbeitskräftemangel - und wenn die Unternehmen ihre Praktiken ändern würden? Valérie Borioli Sandoz. Mediendienst 15. November 2022.