Lohndiskriminierung: Mehr als die Hälfte der Unternehmen missachtet Gesetz – trotzdem will der Bundesrat keine Massnahmen

Trotz einer heute veröffentlichten, sehr schlechten Zwischenbilanz zum Gleichstellungsgesetz schlägt der Bundesrat keine Massnahmen vor, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch die Unternehmen zu verbessern. Der Evaluationsbericht zeigt, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Bekämpfung der Lohndiskriminierung nicht nachkommen. Trotz dieser alarmierenden Feststellung will der Bundesrat lediglich die Wirksamkeit des Gesetzes zwei Jahre früher als geplant evaluieren lassen. Für Travail.Suisse ist es angesichts des fehlenden Willens der Unternehmen und des Bundesrats jetzt am Parlament, die eklatanten Lücken im Gesetz umgehend zu schliessen.
Der Bundesrat hat heute eine Zwischenevaluation der letzten Revision des Gleichstellungsgesetzes GlG veröffentlicht. Obwohl die Studie bereits im Sommer 2024 abgeschlossen wurde, veröffentlicht der Bundesrat seinen Bericht dazu erst heute. Die Ergebnisse sind an Deutlichkeit kaum zu übertreffen: Mehr als die Hälfte der Unternehmen missachtet die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Lohnanalysen (Analyse der Löhne, Revision der Analyse und Kommunikation an die Mitarbeitenden). Als Grund für die Nichteinhaltung des Gesetzes nennt der Evaluationsbericht die fehlenden Sanktionen. Dieses Fehlen von Sanktionen kritisiert Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, seit der Einführung des Gesetzes und bezeichnet dieses deshalb von Beginn weg als zahnlosen Papiertiger.
Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf
Obwohl die Evaluation zeigt, dass das Gesetz von einer Mehrheit der Unternehmen missachtet wird, schlägt der Bundesrat keine konkreten Massnahmen vor, um die Situation zu verbessern. Sein einziges Zugeständnis besteht darin, die Evaluation zur Wirksamkeit des Gesetzes um zwei Jahre vorzuziehen. Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Gleichstellungspolitik bei Travail.Suisse, prognostiziert: «Es lässt sich schon heute mit Sicherheit sagen, dass auch die Ergebnisse dieser erneuten Evaluation ernüchternd sein werden. Die unerklärte Lohnungleichheit nimmt weiter zu, das hat die letzte Analyse des Bundesamts für Statistik gezeigt.» Eine bereits vor einem Jahr publizierte Evaluation von Travail.Suisse auf der Basis von Daten von rund 200 Unternehmen mit insgesamt 500'000 Arbeitnehmenden zeigte ähnlich ernüchternde Resultate. Borioli Sandoz ergänzt: «Für Travail.Suisse ist es höchste Zeit, jetzt zu handeln, anstatt weitere Berichte zu erstellen, deren Ergebnisse schon heute klar sind.»
Griffige Massnahmen gegen Lohndiskriminierung gefordert
Unter der Federführung von Travail.Suisse hat am Montag eine breit abgestützte «Koalition gegen Lohndiskriminierung» von 52 Organisationen in einem Offenen Brief an den Bundesrat ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Sie fordert eine Revision des Gleichstellungsgesetzes und wirksame Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung. Da der Bundesrat offenbar nicht bereit ist zu handeln, liegt es nun am Parlament. Erste Schritte sind bereits gemacht: Léonore Porchet, Vizepräsidentin von Travail.Suisse und Nationalrätin, hat im Dezember eine Motion eingereicht, die verlangt, dass alle vom Gesetz betroffenen Unternehmen die Lohnanalysen wiederholen müssen, unabhängig davon, wie die Lohngleichheit bei der letzten Analyse ausgefallen ist. Ständerätin Maya Graf fordert in einer gestern eingereichten Motion die Streichung der so genannten Sunset-Klausel, die vorsieht, dass die Pflicht zur Durchführung von Lohnanalysen am 1. Juli 2032 automatisch erlischt.
Travail.Suisse und die Koalition gegen Lohndiskriminierung werden sich weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Lücken und Mängel des Gleichstellungsgesetzes so rasch wie möglich behoben werden. Das GlG muss vom zahnlosen Papiertiger zur schlagkräftigen Raubkatze im Kampf gegen Lohndiskriminierung werden.