Die Umsetzung der Lohnanalysen gemäss Gleichstellungsgesetz ist mangelhaft – dies zeigt eine Evaluation von Travail.Suisse im Rahmen des Projekts RESPECT8-3.CH. Anlässlich des Internationalen Tags der Frau am 8. März veröffentlicht Travail.Suisse einen Evaluationsbericht zu den Lohnanalysen im Gleichstellungsgesetz auf der Basis von Daten von rund 200 Unternehmen mit insgesamt 500'000 Beschäftigten. Für Travail.Suisse ist die Ausarbeitung eines griffigen Gesetzes gegen die Lohndiskriminierung ein zentrales Anliegen. Fünf Forderungen stehen dabei im Zentrum, damit die gesetzlichen Lücken und Mängel so rasch wie möglich behoben werden können.
Das Projekt RESPECT8-3.CH
Travail.Suisse hat sich zum Ziel gesetzt, die Umsetzung der Lohnanalysen vom ersten Tag an zu begleiten und zu kontrollieren. Dafür wurde am 1. Juli 2020 das Projekt RESPECT8-3.CH ins Leben gerufen.* Mit einer weissen Liste sollen Unternehmen positiv bestärkt werden, sich an die Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes zu halten. Dafür können sich Unternehmen auf einer öffentlichen weissen Liste einschreiben, sofern sie alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Bisher haben dies 187 Unternehmen mit etwa 500'000 Beschäftigten getan. Travail.Suisse und seine Verbände haben die Rechtskonformität bei der Umsetzung der Lohnanalysen entsprechend dem Gleichstellungsgesetz überprüft. Unternehmen, welche die gesetzlichen Bestimmungen nicht rechtskonform umgesetzt haben, wurden nicht auf der weissen Liste aufgeführt. Durch die Arbeit an der weissen Liste konnte Travail.Suisse eine breite Erfahrung und ein fundiertes Wissen über die Umsetzung der Lohnanalysen aufbauen. Zudem besteht durch das Projekt ein Zugang zu einer grossen Datenmenge. Diese Daten sind nicht öffentlich zugänglich und unterliegen einer strikten Vertraulichkeit.
Mangelhafte Umsetzung der Lohnanalysen
Das revidierte Gleichstellungsgesetz (GlG) sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten die Löhne ihrer Mitarbeitenden auf unerklärte Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern überprüfen müssen. Dank des Projekts RESPECT8-3.CH konnte eine grosse Menge an Daten gesammelt werden. Der Datenbestand an Lohnanalysen, Revisionsberichten und Kommunikationsmeldungen an die Angestellten (und Aktionärinnen und Aktionäre) zeigt die Probleme und Herausforderungen hinsichtlich der Umsetzung der Lohnanalysen im Gleichstellungsgesetz. Die gravierendsten Probleme sieht Travail.Suisse u.a. in folgenden Bereichen:
- Die Kommunikation an die Angestellten erfolgt oft zurückhaltend, intransparent oder irreführend. Die meisten Angestellten erfahren nie, wie hoch die Lohndiskriminierung in ihrem Unternehmen tatsächlich ist.
- Es ist unklar, welche Unternehmen die Lohnanalysen wiederholen müssen, ausserdem müssen die Löhne selbst bei hoher Diskriminierung nicht angepasst werden. Da die Einhaltung des Gesetzes zudem nicht kontrolliert wird, beenden die allermeisten Unternehmen den Prozess der Lohnüberprüfung ohne weitere Folgen.
- Zertifizierungsunternehmen, die teilweise sowohl die Lohnanalysen als auch deren Revision vornehmen, bieten Zertifikate an, welche den Unternehmen die Einhaltung der Lohngleichheit attestieren – unabhängig von den Resultaten der Lohnanalysen. Die Durchführung von Lohnanalysen wird dadurch in erster Linie zum Geschäft.
- Die Lohnanalysen betreffen nicht einmal ein Prozent aller Unternehmen und mit 44 Prozent nur eine Minderheit der Schweizer Arbeitnehmenden.
Forderungen zur Revision des Gleichstellungsgesetzes
Nach ausführlicher Evaluation des Gleichstellungsgesetzes hinsichtlich der Lohnanalysen stehen für Travail.Suisse die folgenden Forderungen im Zentrum einer Gesetzesrevision:
- Kontrolle des Gesetzes: Das aktuelle Gesetz sieht keinerlei Kontroll- und Sanktionsmechanismen vor. Solche müssen zwingend eingeführt werden, da das Gesetz ansonsten ein zahnloser Papiertiger bleibt.
- Effektive Reduktion der Lohndiskriminierung: Unternehmen, die eine Lohndiskriminierung aufweisen, sollen in der Sozialpartnerschaft oder mit einer Vertretung der Angestellten wirksame Massnahmen zur Reduktion ergreifen müssen.
- Wiederholung der Analysen: Alle Unternehmen sollen die Lohnanalysen alle vier Jahre durchführen müssen – eine einmalige Überprüfung der Löhne ist wenig zielführend. Die Sunset-Klausel, welche die Pflicht zur Lohnanalyse ab dem 1. Juli 2032 automatisch aufheben soll, muss gestrichen werden.
- Lohnanalysen auch für mittelgrosse Unternehmen: Die aktuelle gesetzliche Bestimmung betrifft weniger als 1 Prozent aller Unternehmen. Um eine breitere Wirkung zu erzielen, müssen Lohnanalysen für alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden verpflichtend sein.
- Bessere Kommunikation: Die Unternehmen sollen ihre Mitarbeitenden transparent über die Resultate informieren müssen. Dafür braucht es klarere Anforderungen in Bezug auf die Kommunikation.
Übergabe der Evaluation an die Bundespräsidentin
Die für den 8. März geplante persönliche Übergabe des Evaluationsberichts an Bundespräsidentin Viola Amherd konnte aus terminlichen Gründen zwar nicht stattfinden. Eine Delegation von Travail.Suisse und seinen Verbänden hat sich dennoch zum Internationalen Tag der Frau im Bundeshaus versammelt und wird sich dafür einsetzen, dass die Forderungen des Berichts Gehör finden – beim Bundesrat, aber auch im Parlament.
Schwarze Liste
Seit dem 1. Juli 2023 wird auf RESPECT8-3.CH zudem eine schwarze Liste geführt. Arbeitnehmende können über ein Whistleblowing-Tool Unternehmen melden, welche die gesetzlich verlangte Lohnanalyse mutmasslich nicht durchgeführt haben. Travail.Suisse prüft diese Meldungen zusammen mit seinen Mitgliedsverbänden und führt Unternehmen, welche gegen das Gesetz verstossen auf der schwarzen Liste. Bisher wurden Travail.Suisse rund 100 Unternehmen gemeldet, von welchen sich zehn als nicht gesetzeskonform erwiesen haben und dreissig noch in Abklärung sind.
(*) Der 8. März ist der Internationale Tag der Frau und Artikel 8 Absatz 3 der Bundesverfassung verpflichtet die Schweiz zur rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau und verankert den Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit im Gesetz.