Nach vier Jahren zahnlosem Gleichstellungsgesetz: Einführung einer Schwarzen Liste gegen Lohndiskriminierung
Medienmitteilung
Bis zum 30. Juni 2023 müssen Unternehmen ab 100 Beschäftigten ihre Löhne auf eine Diskriminierung zwischen Frauen und Männern analysiert und die Resultate ihren Angestellten kommuniziert haben. Unternehmen, welche dieser gesetzlichen Pflicht nicht nachkommen, können ab heute über ein Whistleblowing-Tool anonym gemeldet werden. Travail.Suisse und seine Verbände lancieren zu diesem Zweck heute die «Schwarze Liste gegen Lohndiskriminierung» auf RESPECT8-3.CH und leisten so einen Beitrag zur Durchsetzung der Lohnanalysen. Lohnanalysen sind aber nur der erste notwendige, aber nicht ausreichende Schritt zur Erreichung der Lohngleichheit. Travail.Suisse fordert effektive Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung, auf politischer Ebene und im Rahmen der Sozialpartnerschaft.
Die unerklärte Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern liegt zwischen 8 und 9 Prozent. Dies führt bei Frauen mit einem Durchschnittslohn zu jährlichen Einbussen von 9’412 Franken. Auf ein Erwerbsleben hochgerechnet entspricht dies 423’540 Franken. Das revidierte Gleichstellungsgesetz (GlG) sieht als Mittel gegen die Lohndiskriminierung vor, dass Unternehmen ab 100 Beschäftigten bis zum 30. Juni 2023 ihre Löhne analysiert, revidiert und den Angestellten kommuniziert haben müssen. Allerdings sind keinerlei Sanktionen vorgesehen für Unternehmen, welche sich nicht an diese sehr bescheidenen gesetzlichen Vorgaben halten.
Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, und seine Verbände haben sich deshalb entschieden, Unternehmen, welche gegen das Gleichstellungsgesetz verstossen, auf einer Schwarzen Liste aufzuführen. Arbeitnehmende können Unternehmen, welche ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen, anonym melden. Bestätigt sich der Verdacht, wird das Unternehmen so lange auf der öffentlichen Schwarzen Liste aufgeführt, bis es seine Verfehlung korrigiert hat. «Die Schwarze Liste ermöglicht eine Sanktionierung von Unternehmen, die gegen das Gesetz verstossen, bislang aber keine negativen Folgen befürchten mussten», so Véronique Rebetez, Zentralsekretärin der Gewerkschaft Syna. «Mit der effektiven Durchsetzung der Lohnanalysen vollziehen wir einen kleinen, aber wichtigen Schritt zu mehr Lohngleichheit», so Marcel Bayard von der Gewerkschaft SCIV.
Aus den bisherigen Erfahrungen mit den Lohnanalysen hat sich gezeigt, dass Unternehmen vor allem dann wirksame Massnahmen zur Erreichung der Lohngleichheit ergreifen, wenn sie sozialpartnerschaftlich eingebunden sind: «Wenn die Lohnanalyse aufzeigt, dass eine Diskriminierung vorliegt, müssen die Unternehmen wirksame Massnahmen dagegen ergreifen. Der sozialpartnerschaftliche Dialog ist dafür der richtige Ansatz», so Tanja Brülisauer vom Personalverband transfair. «Zur Erreichung der Lohngleichheit ist es entscheidend, dass möglichst viele Unternehmen und Branchen in eine Sozialpartnerschaft mit Gesamtarbeitsverträgen eingebunden werden», so Davina Fitas von der Gewerkschaft OCST.
Damit die Lohndiskriminierung flächendeckend bekämpft werden kann, braucht es zwingend weitere Massnahmen auf politischer Ebene. «Lohndiskriminierung existiert, das ist eine Tatsache. Jetzt braucht es endlich eine Revision des Gleichstellungsgesetzes, damit Unternehmen ihre Löhne nicht nur analysieren, sondern auch korrigieren», so Léonore Porchet, Vizepräsidentin von Travail.Suisse. Travail.Suisse und seine Verbände fordern vom Parlament unter anderem folgende Massnahmen:
- Unternehmen, die sich nicht an das GlG halten, müssen sanktioniert werden. Hier hat der Nationalrat in der Sondersession einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht, nun muss der Ständerat zwingend nachziehen.
- Die «Toleranzschwelle» von fünf Prozent muss abgeschafft werden. Alle Unternehmen, die unerklärte Lohnunterschiede aufweisen, sollen die Lohnanalyse wiederholen müssen.
- Die geltende «Sunset-Klausel» des GlG muss abgeschafft werden. Lohnanalysen sollen auch nach 2032 durchgeführt werden müssen.
- Unternehmen, die keine wirksamen Massnahmen zur Verringerung der Lohndiskriminierung ergreifen, müssen sanktioniert werden.