GAV-Regelungen zur Weiterbildung stärken die Branchen
Viele Gesamtarbeitsverträge (GAV) enthalten Regelungen bezüglich Weiterbildung. Travail.Suisse Formation TSF analysiert aktuell solche Gesamtarbeitsverträge mit Weiterbildungsregelungen und beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, was diese den Branchen, den Betrieben und den Mitarbeitenden bringen. Hier acht Kurzüberlegungen zu diesem Thema:
Basis für branchenspezifische Weiterbildungen
Die Branchen wissen am besten, welche Kompetenzen zur Ausübung einer Tätigkeit innerhalb ihrer Branche notwendig sind. In ihren Kreisen befinden sich auch jene Personen, welche über diese Kompetenzen verfügen und sie weitergeben können. Es macht daher Sinn, wenn eine Branche die Weiterbildung mittels GAV-Regelungen in den eigenen Händen hält. Sie kann damit das Weiterbildungsprogramm bestimmen. Zudem ist sie weniger von externen Anbietern abhängig.
Stabile finanzielle und strukturelle Grundlage
GAV-Regelungen können der branchenspezifischen Bildung und Weiterbildung eine stabile finanzielle und strukturelle Grundlage verschaffen, wenn Teile der Abgaben an die paritätischen Organe der Bildung und Weiterbildung zugesprochen werden. Zudem ist davon auszugehen, dass die brancheninternen Angebote für die Betriebe und die Arbeitnehmenden insgesamt kostengünstiger sind als externe Angebote. GAV-Regelungen können also Kosten für Betriebe und Angestellte bezüglich Weiterbildung senken.
Zielgerichtete Kommunikation
Eine GAV-Branche ist zur Verwaltung auf eine Mitgliederliste angewiesen. Diese kann auch bezüglich Bildung und Weiterbildung verwendet werden. Dank ihr findet die Kommunikation über die Weiter-bildungsangebote zielgerichtet statt und erreicht die betroffenen Betriebe wie auch die Arbeitnehmenden. Damit steigt die Chance, dass Angebote dank genügend Anmeldungen auch stattfinden können.
Abbau von Weiterbildungshürden
Gemäss Bundesamt für Statistik werden vor allem «fehlende Zeit» und «fehlendes Geld» als Gründe angegeben, warum Personen keine Weiterbildung machen. Dank Weiterbildungsregelungen in GAVs haben Branchen die Möglichkeit, hier Gegensteuer zu geben, indem sie Kurse über Bildungsfonds finanzieren und Lohnausfallentschädigungen entrichten.
Kein Wettbewerbsnachteil wegen Weiterbildung / Höhere Qualität innerhalb der Branche
Betriebe in einer Branche sind bei Ausschreibungen Konkurrenten. In vielen Fällen erhält derjenige Betrieb den Zuschlag, der die günstigste Offerte unterbreitet. Da Weiterbildung kostet, können jene Betriebe, die bei den Weiterbildungskosten sparen, im Vorteil sein. Fehlende oder ungenügende Weiterbildung ist aber für die Qualitätsentwicklung innerhalb einer Branche nachteilig. GAV-Regelungen bzgl. Weiterbildung können dem entgegenwirken. Wenn die Weiterbildung über den GAV solidarisch finanziert wird, sind Betriebe mit einer Weiterbildungskultur in Wettbewerbssituationen nicht mehr benachteiligt. Das ist vorteilhaft für die Qualitätsentwicklung innerhalb einer Branche.
Basis für branchenspezifische Projekte und Programme
GAV-Regelungen zur Weiterbildung können die Grundlage für Projekte und Programme bilden, die innerhalb einer Branche nötig sind. Immer wieder sind Branchen herausgefordert, Lösungen für aktuelle Probleme zu finden. Zu denken ist hier an:
- das Aufkommen neuer Technologien
- neue Wettbewerbssituation aufgrund technologischer oder politischer Veränderungen,
- die Bewältigung von bedeutsamen Herausforderungen (Klimawandel, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Energiekrise),
- das Problem des Fachkräftemangels und die Gewinnung neuer Zielgruppen (Wiedereinsteiger:innen, Migrant:innen, Menschen mit Behinderungen).
Dank GAV-Regelungen und GAV-Geldern können Projekte in den entsprechenden Problemfeldern lanciert und durchgeführt und Programme für bestimmte Zielgruppen (Geringqualifizierte, Fremdsprachige, Wiedereinsteiger:innen) gestartet werden.
Unterstützung von nationalen Projekten
Es gibt verschiedene Projekte, welche die nationalen Verbundpartner (Bund, Kantone, Dachverbände der Sozialpartner) einzeln oder miteinander zur Stärkung der Weiterbildung lanciert haben. Dazu gehören die «Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener», das Projekt «Einfach besser!... am Arbeitsplatz», das «Weiterbildungscoaching für KMU» und die kostenlosen Standortbestimmungen für Personen 40+ im Rahmen der Initiative «viamia». Auf all diese Projekte können GAV-Branchen reagieren, indem sie ihre Mitglieder (Betriebe, Gewerkschaften, Arbeitnehmende) darüber informieren, zur Teilnahme motivieren und sich allenfalls an den nicht gedeckten Projektkosten beteiligen.
Unterstützung der Betriebe bzgl. Fürsorgeprinzip
Ein GAV mit guten Weiterbildungsregelungen entlastet die Betriebe auch bei der Umsetzung des Fürsorgeprinzips. Dank der solidarischen Finanzierung der Weiterbildung im Rahmen eines GAV ist es für einen Betrieb einfacher, Weiterbildungen für seine Mitarbeitenden zu bewilligen, da die Kosten nicht oder in einem geringeren Masse die laufende Rechnung belasten.