Abschlüsse der Höheren Berufsbildung sind äusserst wertvoll – ihre Stärkung bleibt aber eine Daueraufgabe
Neuere Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen einen deutlichen Lohnanstieg für Arbeitnehmende nach einem Abschluss der Höheren Berufsbildung. Dies beweist einmal mehr den Wert der eidgenössischen Fachausweise und Diplome und der Abschlüsse der Höheren Fachschulen, dennoch bleibt die Stärkung der Höheren Berufsbildung eine Daueraufgabe.
Die Höhere Berufsbildung ist das Filet-Stück des schweizerischen Bildungssystems. Es ist seit Längerem klar, dass die Abschlüsse eine grosse Arbeitsmarktsicherheit garantieren und gute Karrierechancen ermöglichen. Neuere Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BfS) zeigen nun, dass sich diese Bildungswege auch in einer überzeugenden Lohnentwicklung niederschlagen. Aber nicht nur in Bezug auf die Qualität ist die Höhere Berufsbildung äusserst wichtig, sondern auch in Bezug auf die Quantität, wie der Blick auf die Anzahl der Bildungsabschlüsse belegt:
2019 wurden rund 29'000 Fachausweise für Berufsprüfungen, eidgenössische Diplome für Höhere Fachprüfungen und Diplome für Bildungsgänge an Höheren Fachschulen ausgestellt und dem Arbeitsmarkt damit entsprechende Spezialistinnen und Spezialisten in den verschiedensten Berufskategorien zur Verfügung gestellt. Damit leistet die Höhere Berufsbildung in Zeiten des zunehmenden Mangels an Fachkräften einen wichtigen volkswirtschaftlichen Beitrag. Gleichzeitig bietet die Höhere Berufsbildung gerade für Arbeitnehmende ohne Maturität ausgezeichnete Berufs- und Karrieremöglichkeiten und wirkt so den negativen Auswirkungen der ausgeprägten sozialen Selektivität im schweizerischen Bildungssystem entgegen und stärkt das Berufsbildungssystem insgesamt.
Abschlüsse der Höheren Berufsbildung wirken positiv auf die Höhe der Einkommen
Erstmals hat das Bundesamt für Statistik auch die Veränderungen der Einkommen für Absolventinnen und Absolventen der höheren Berufsbildung untersucht. Während sich das Medianeinkommen fünf Jahre vor dem Abschluss bei 5’300 Franken befand, ist es sechs Jahre nach dem Abschluss auf 7'800 Franken geklettert, was einer Steigerung von beinahe 50 Prozent entspricht. Die Einkommenssituation von Absolventinnen und Absolventen der höheren Berufsbildung ist damit im Vergleich zur gesamten Wohnbevölkerung zwischen 30 und 39 Jahren (rund 6'700 Franken) deutlich überdurchschnittlich.
Die Höhere Berufsbildung richtet sich zu einem wesentlichen Teil an Berufsleute mit Berufserfahrung. Dies führt einerseits dazu, dass das Medianalter der Absolventinnen und Absolventen zwischen 26 und 32 Jahren liegt (im Vergleich zu 24 und 27 Jahren beim Bachelor-, resp. Master-Abschluss an den Hochschulen) und andererseits, dass die Erwerbstätigkeit zugunsten einer Ausbildung der Höheren Berufsbildung reduziert werden muss. So zeigen die Zahlen des BfS, dass bei 15 Prozent der Personen während der Ausbildung der Höheren Berufsbildung die Einkommen zurückgegangen sind. Betrachtet man nur die Höheren Fachschulen sind es gar 40 Prozent. Werden die direkten Bildungskosten (Material, Semester-/Kurskosten und Prüfungskosten) dazu gerechnet, wird deutlich, wie gross die finanzielle Belastung der Absolventinnen und Absolventen der Höheren Berufsbildung ist. Die finanzielle und zeitliche Belastung stellt damit eine grosse Hürde beim Zugang zur Höheren Berufsbildung dar.
Eine bessere Positionierung der Höheren Berufsbildung ist längst überfällig
Neben den oben angesprochenen zeitlichen und finanziellen Hindernissen kommt die Höhere Berufsbildung von zwei Seiten unter Druck. Einerseits üben die Gymnasien mit der Maturität und den anschliessenden gesellschaftlich und international hoch anerkannten Bachelor- und Master-Abschlüssen an den Unis, PH’s und ETH’s einen starken Sog aus. Während die Zahl der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten Jahr für Jahr steigt, ist in der Berufsbildung eine Stagnation zu beobachten. Gleichzeitig nehmen die Berufsabschlüsse für Erwachsene nicht richtig Fahrt auf – vom Potenzial von rund 350'000 geeigneten Arbeitnehmenden ohne Berufsabschluss in der Schweiz, werden jährlich nur rund 1.5 Prozent (rund 7'000) an einen beruflichen Erstabschluss für Erwachsenen herangeführt (vgl. Weiterbildungsoffensive von Travail.Suisse). Ohne Berufsabschluss ist der Weg in die Höhere Berufsbildung weitgehend versperrt und insgesamt nimmt damit das Reservoir, aus dem die Höhere Berufsbildung gespiesen werden kann, ab. Andererseits sind die Fachhochschulen mit ihren Bachelor- und Master-Abschlüssen für Berufsmaturandinnen und -maturanden sowie den Weiterbildungsangeboten CAS, DAS und MAS, welche auch Arbeitnehmenden ohne Berufsmaturität offenstehen, eine immense Konkurrenz.
Seit Längerem fordert Travail.Suisse daher eine bessere Positionierung der Höheren Berufsbildung insgesamt und der Höheren Fachschulen im Speziellen. Das momentan laufende Projekt Positionierung Höhere Fachschulen im Rahmen von Berufsbildung 2030 geht auf eine Motion (18.3240) von Alt-Ständerätin Anita Fetz zurück, welche von Travail.Suisse seit Beginn unterstützt wurde. Am Spitzentreffen der Berufsbildung von vergangenem Herbst wurden daher nicht nur bessere finanzielle Rahmenbedingungen für Studierende der Höheren Berufsbildung, ein klarer Bezeichnungsschutz für die Höheren Fachschulen und eine bessere Koordination und Zusammenarbeit zwischen den Bereichen der Höheren Berufsbildung und den Hochschulen angekündigt, sondern auch die Prüfung der Einführung von ergänzenden Titeln im Sinne von «Professional Bachelor» und «Professional Master» für die Abschlüsse der Höheren Berufsbildung. Diese Aufgabe bleibt auch nach dem ablehnenden Entscheid des Ständerates zur Motion Aebischer (20.3050) in der letzten Frühjahrssession. Es ist jetzt der Weg frei, dass in den Fachgremien der Verbundpartnerschaft die bestmögliche Variante für ergänzende Titel in der Höheren Berufsbildung gesucht und der Politik vorgeschlagen werden kann. Travail.Suisse begrüsst alle Massnahmen des Projektes «Positionierung HF» ausdrücklich. Die gesellschaftliche Akzeptanz und Anerkennung der Abschlüsse und vergleichbare finanzielle Rahmenbedingungen wie im Hochschulbereich sind die zentralen Punkte, um die Höhere Berufsbildung zu stärken und längerfristig zu sichern.