Gegenwärtig läuft die Vernehmlassung zur Verordnung über die Mindestvorschriften für die Anerkennung von Bildungsgängen und Nachdiplomstudien der höheren Fachschulen (MiVo-HF). Sie dauert noch bis zum 31. März 2017. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, warnt vor einer Schwächung des Bildungsbereichs der Höheren Fachschulen. Der Verordnungsentwurf in seiner jetzigen Form ist abzulehnen.
Die Höheren Fachschulen HF produzieren Abschlüsse mit grosser Arbeitsmarktnähe. Personen mit einem solchen Abschluss weisen nach Erlangung des Diploms prozentual die geringste Arbeitslosenquote und eine hohe Bildungsrendite aus. Der Bildungsbereich der Höheren Fachschulen musste aber in den letzten Jahren hart kämpfen. Nach dem Aufbau der Fachhochschulen mussten sich die Höheren Fachschulen im Bildungsmarkt neu positionieren. Dies wurde insbesondere erreicht durch:
- die Positionierung der Höheren Fachschulen auf Tertiärstufe
- die Einführung von Fachbereichen
- der Einführung von Rahmenlehrplänen für die Fachbereiche
- den Aufbau von neuen Strukturen (Trägerschaften der Rahmenlehrpläne, Aufbau der Konferenz HF und der Teilkonferenzen)
- die Verabschiedung der interkantonalen Vereinbarung über Beiträge an die Bildungsgänge der höheren Fachschulen (HFSV), welche eine neue Finanzierung und die Freizügigkeit für die Studierenden brachte
- die Einführung englischer Titel für die Bildungsgänge, nicht aber für die Nachdiplomstudien NDS
- die Einbindung in den nationalen Qualifikationsrahmen Berufsbildung NQR.
An dieser Neupositionierung muss aber noch weitergearbeitet werden. In dieser Hinsicht macht es Sinn, eine Revision der MiVo-HF anzustreben und die Stärken auszubauen und die Schwächen zu korrigieren. Aber der vorliegende Entwurf schwächt eher die Stärken und korrigiert die Schwächen nicht. Drei Beispiele:
Es fehlt ein Begriffsschutz für die Höheren Fachschulen
Im heutigen Anerkennungsverfahren nach MiVo-HF werden nur die Bildungsgänge, nicht aber die Höheren Fachschulen anerkannt. Das hat zur Folge, dass der Name „Höhere Fachschule“ nicht geschützt ist. Das ist eine der Schwächen des HF-Systems und erschwert die Positionierung der Höheren Fachschulen national und international. Für die Stärkung der Identität der Höheren Fachschulen ist daher folgende Bestimmung vorzusehen: Ein Bildungsanbieter kann sich Höhere Fachschule nennen, wenn er mindestens einen eidgenössisch anerkannten Bildungsgang führt. Eine Zuwiderhandlung wird geahndet.
Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Wirtschaftsorganisationen und den Bildungsanbietern als gemeinsame Träger der Rahmenlehrpläne
In der gegenwärtigen MiVo-HF sind die Bildungsanbieter zuerst genannt. Dieser Vorreiterrolle entspricht zwar vielfach der gegenwärtigen Realität, indem das finanzielle und personelle Engagement der Bildungsanbieter bei der Erarbeitung der Rahmenlehrpläne oftmals grösser ist als dasjenige der Wirtschaftsorganisationen. Aber für das HF-System würde es eine Aufwertung bedeuten, wenn die Wirtschaftsorganisationen mehr Verantwortung übernehmen würden. Eine echte Partnerschaft in personeller und finanzieller Hinsicht zwischen den beiden Akteuren müsste das Ziel der neuen MiVo-HF sein. Der neue MiVo-Vorschlag kehrt nun aber einfach die Rollen um und überträgt den Wirtschaftsorganisationen die Hauptrolle. Damit wird die eigentlich treibende Kraft im HF-System, die von den Bildungsanbietern ausgeht, ohne Not abgewertet. Um die gemeinsame Verantwortung der Wirtschaftsorganisationen und der Bildungsanbieter besser abzusichern, braucht es eine neue Formulierung in der MiVo-HF, welche die gemeinsame Verantwortung betont: Die Rahmenlehrpläne werden von den Wirtschaftsorganisationen und den Organisationen der Bildungsanbieter gemeinsam entwickelt und erlassen. Dazu schaffen sie sich eine geeignete Organisation.
Die Aufhebung der Fachbereiche schwächt das HF-System
Die heutige MiVo-HF kennt acht Fachbereiche. In der neuen MiVo-HF sollen sie als Struktur- und Ordnungsprinzip verschwinden. Obwohl Befragungen von Fachpersonen zeigen, „dass das heutige System bei den Akteuren breit abgestützt ist“ und eine Studie empfiehlt, „grundsätzlich daran festzuhalten“ 1 und nur „punktuelle Anpassungen“ 2 vorzunehmen, schlägt das SBFI das Gegenteil vor.
Die Einteilung in Fachbereiche, die übrigens auch die Universitäten und Fachhochschulen kennen, ist ein wichtiges Struktur- und Ordnungsprinzip. Für Bildungsinteressierte ist sie ein Suchfilter, für die Wirtschaftsorganisationen und die Höheren Fachschulen ein Zugehörigkeitsmerkmal und für die Statistiken ein Auswertungskriterium. Aber nicht nur das: Es schafft Synergien und eine sinnvolle Kostenteilung unter den Trägern des Rahmenlehrplans eines Fachbereiches, was vor allem auch für die kleineren Bereiche ein Vorteil ist. Zerfallen diese Strukturen, geht viel Effizienz und Effektivität im System verloren, aber auch Qualität, weil die Auseinandersetzung innerhalb der Fachbereiche ein wichtiger Teil der Qualitätskultur des HF-Systems ist. Die Fachbereiche sind daher unbedingt zu erhalten:
h2. Schlussbemerkung
Zwei Jahre wurde an der neuen MiVo-HF gearbeitet. Zwei Studien wurden in Auftrag gegeben. Travail.Suisse und viele andere Organisationen haben viel Zeit investiert in Dutzende von Arbeitssitzungen und Workshops. Und am Schluss wird ein Entwurf präsentiert, der zu einer Schwächung statt zu einer Stärkung der Höheren Fachschulen führt. Travail.Suisse hofft, dass das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann noch einmal über die Bücher geht und den Verbundpartnern eine Vorlage präsentiert, welche nicht zu einer Schwächung, sondern zu einer Stärkung der Höheren Fachschulen führt.
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p(footnote). 1 Miriam Frey, Harald Meier, Andrea Oswald, Revision MiVo-HF: Bereiche, Fach- und Vertiefungs-richtungen, Schlussbericht, Dezember 2015, S. viii
2 Ebd. S. 48.