Die Höhere Berufsbildung (HBB) soll besser positioniert werden. Die Auseinandersetzung darüber ist in vollem Gang. Ein Problem allerdings wird bisher kaum beachtet: die Frage der Führungskompetenzen der HBB-Abgänger/innen. Aus Sicht von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, muss diese Frage mehr Gewicht erhalten.
Die Höhere Berufsbildung (HBB) ist Teil des Tertiärsystems. Ihre Abschlüsse stehen im Arbeitsmarkt in Konkurrenz zu den Abschlüssen der Hochschulen (Universitäten, Fachhochschulen). Wie geht die Wirtschaft mit dieser Konkurrenzsituation um? Eine Untersuchung von Ecoplan gibt erste Einblicke in diese Welt 1 .
Höhere Fachkompetenzen oder Führungsqualitäten?
Die Rekrutierungsverantwortlichen sehen bei den HBB-Abgänger/innen vor allem folgende Kompetenzen ausgebildet: hohes fachspezifisches Wissen, selbständiges Arbeiten und Praxiswissen. “Eher als Kompetenzen der Hochschulabgänger werden hingegen generalistisches und breites Wissen, methodisches und vernetztes Denken sowie wissenschaftliches Arbeiten, aber auch Führungsqualifikationen bezeichnet.” 2
Für die Höhere Berufsbildung ist dieses Ergebnis zweideutig: Einerseits wird das Profil, welches das Berufsbildungsgesetz (BBG) der HBB zuspricht, von den Rekrutierungsverantwortlichen in weiten Teilen ernstgenommen: “Die höhere Berufsbildung dient auf der Tertiärstufe der Vermittlung und dem Erwerb der Qualifikationen, die für die Ausübung einer anspruchs- oder einer verantwortungsvolleren Berufstätigkeit erforderlich sind” (BBG Art. 26.1). HBB-Abgänger/innen haben daher auch kaum Schwierigkeiten, als hochqualifizierte Fachkräfte eine angemessene Arbeitsstelle zu finden. Andererseits bedeutet dieses Ergebnis aber auch, dass Personen mit einem HBB-Abschluss bei Stellen, bei denen Managementfunktionen gefordert sind, tendenziell eher hinten anstehen müssen. Ihre Karrieremöglichkeiten im Management sind – verglichen mit Hochschulabgänger/innen – eher schlechter und damit auch die Verdienstmöglichkeiten. Das ist ärgerlich, da die Selbstwahrnehmung der HBB eine andere ist. Gerade die Höheren Fachschulen sehen in ihren Studiengängen auch Führungsausbildungen: “Die Bildungsgänge und Nachdiplomstudien der höheren Fachschulen vermitteln den Studierenden Kompetenzen, die sie befähigen, in ihrem Bereich selbständig Fach- und Führungsverantwortung zu übernehmen”(MiVo-HF Art. 2.1).
HBB-Neupositionierung unter Beachtung der Führungskompetenzen
Aus Sicht von Travail.Suisse ist es absolut notwendig, das Thema “Führungskompetenzen” in die aktuelle Diskussion um die Neupositionierung der HBB aufzunehmen, vor allem, damit die Höhere Berufsbildung nicht aufgrund geringerer Aufstiegsmöglichkeiten an Attraktivität verliert. Vier Punkte sind dabei von besonderer Bedeutung:
Marketing für die Höhere Berufsbildung: Im Rahmen des Projektes Berufsbildung plus laufen Marketingmassnahmen für die Höhere Berufsbildung. Während für die berufliche Grundbildung geworben wird mit dem Slogan “Mit der Berufslehre werden aus Talenten Profis“, läuft die HBB-Werbung unter dem Motto “Mit der höheren Berufsbildung werden aus Profis Experten”. Damit unterstützt diese Werbung das, was die Rekrutierungsverantwortlichen über die HBB denken, nämlich dass sie hochqualifizierte Fachexperten ausbilden. Die Führungskompetenz der HBB-AbgängerInnen wird damit aber nicht angesprochen. Es ist ernsthaft zu überlegen, ob in einer weiteren Marketingmassnahme nicht auch die Dimension der Führung angesprochen werden sollte.
Sichtbarmachung der Managementkompetenzen: Marketingmassnahmen für die Managementkompetenzen der HBB-Abgänger/innen sind nur dann zielführend, wenn sie dem Abnehmenden glaubhaft aufgezeigt werden können. Diese Arbeit der Sichtbarmachung der Managementkompetenzen ist daher von den Vertretern der HBB bewusst anzupacken und in die Strategie zur besseren Positionierung der Höheren Berufsbildung zu integrieren. Allenfalls – wenn nötig – sind auch Veränderungen bei den Rahmenlehrplänen oder den Prüfungsordnungen vorzunehmen, unter Umständen auch die Rolle der Nachdiplomstudien der Höheren Fachschulen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Führungskompetenzen zu diskutieren. Wichtig ist jedoch, dass die HBB auch beim Thema “Führungskompetenzen” ihren Praxisbezug beibehält.
Bessere Einbindung in die Gesetzgebung: Zu überlegen ist auch, das Thema “Führungskompetenzen” bewusster und prominenter in die Gesetzgebung aufzunehmen, z.B. in den Art. 26.1 des Berufsbildungsgesetzes. Aber auch die Reform der Mindestverordnung der Höheren Fachschulen bietet sich an, sich über das angesprochene Thema vertieft Gedanken zu machen.
…und was bringt ein neuer Titel?
Bei der Frage der Neupositionierung der HBB hat die Titelfrage bisher die höchsten Wellen geworfen. Allerdings muss hier festgehalten werden: Ein neuer Titel wie etwa der Professional Bachelor wird in der Schweiz das Problem der HBB im Zusammenhang mit dem Thema “Führungskompetenzen” nicht lösen. Es besteht die berechtige Annahme, dass die Rekrutierungsverantwortlichen ihr Bild von den HBB-AbgängerInnen von den heutigen Titeln auf den neuen Titel übertragen werden. Die Einführung eines Professional Bachelors befreit also nicht von der oben beschriebenen Arbeit.
2 Philipp Walker und Thomas Bachmann, Hoher Lohn erfordert hohen Titel in: Panorama 02/2014, http://www.panorama.ch/dyn/1122.aspx?id_article=394