Im Juni steht im Parlament die Debatte über das Bildungs-Budget für den Zeitraum 2017 bis 2020 an. Swissuniversities-Präsident Michael Hengartner erklärt, wieso es mehr Geld braucht, als der Bundesrat vorgesehen hat.
Der Bundesrat beabsichtigt, in den kommenden vier Jahren fast 26 Milliarden in die Bildung, Forschung und Innovation zu investieren – 2 Prozent mehr als in der vergangenen Periode. Weshalb sind die Hochschulen nicht zufrieden?
Michael Hengartner*: Das hört sich nach viel Geld an. Doch gleichzeitig hat der Bundesrat den Hochschulen sehr ambitionierte Ziele vorgegeben. Diese können wir mit diesem Budget nicht erreichen. Auch der Nationalrat hat sich für ein Wachstum von 3,9 Prozent ausgesprochen. Wenn die Schweiz in der Forschung und Ausbildung an der Spitze bleiben will, muss sie aufpassen. Einige Länder, zum Beispiel Südkorea und Israel, befinden sich auf der Überholspur.
Entschieden ist ja noch nichts. Aber schon mal im Voraus: Falls die bildungsfreundlichen Parlamentarier nicht obsiegen, wo werden die Hochschulen Abstriche bei ihren Ausbauplänen machen?
Wir haben bereits jetzt die Beiträge für Forschungsinfrastrukturen gestrichen. Vorgesehen waren 27 Millionen Franken. Geplant war zum Beispiel der Kauf von Instrumenten, welche die Strukturerkennung von Proteinen ermöglichen. Die Universitäten Basel und Zürich sowie die ETH wollten diese gemeinsam erwerben und wären selber für einen Teil der rund 17 Millionen aufgekommen.
Was halten Sie von der Erhöhung von Studiengebühren?
Die schwachen Wachstumszahlen des Bundesrates haben die beiden ETH schon veranlasst, offen über höhere Beiträge in Erwägung zu diskutieren. Eine ähnliche Diskussion werden wohl auch andere Hochschulen führen müssen. Es gibt aber einen Konsens, dass die Semestergebühren nur einen kleinen Teil des Gesamtbudgets ausmachen sollen. Wir wollen in der Schweiz keine amerikanischen Verhältnisse. Wenn sich finanziell Benachteiligte ein Studium nicht mehr leisten können, müsste man unbedingt auch das Stipendiensystem anpassen.
Ein definierter Schwerpunkt in der BFI-Botschaft 2017-2020 ist die Förderung des akademischen Nachwuchses. Wieso ist das so dringend?
Wir verlieren viele talentierte Wissenschaftler an die Wirtschaft, weil sie dort deutlich mehr verdienen und wir ihnen keine klaren Karriereaussichten bieten können. Nach der Dissertation bleiben sie auf unabsehbare Zeit in der Postdoc-Schlaufe hängen und erhalten keine feste Stelle. Die Unsicherheit schreckt viele ab. Weiter braucht es noch mehr attraktive Doktoratsprogramme.
Wieso wurden letztes Jahr weniger Forschungsgelder abgeholt, als zur Verfügung standen?
Weil wir beim europäischen Forschungsprogramm Horizon 2020 nicht mehr voll assoziiert sind, hat die Beteiligung von Schweizer Forschern an europäischen Konsortien massiv abgenommen. Die von der Schweiz aus koordinierten Projekte sind sogar um das 10-fache eingebrochen. Zwar wäre die Zusammenarbeit theoretisch noch möglich, doch die unklaren künftigen Verhältnisse haben bei Wissenschaftlern aus EU-Ländern starke Verunsicherung ausgelöst. Das ist Gift für den Forschungsplatz Schweiz.
Was für ein Szenario für die künftige Zusammenarbeit mit der EU zeichnet sich ab?
Natürlich hoffen wir wieder auf eine volle Assoziierung, welche die EU von der Personenfreizügigkeit mit Kroatien abhängig macht. Wir drängen darauf, dass die Schweiz das Kroatienprotokoll ratifiziert. Falls nicht, muss eine Lösung gefunden werden, damit sich Schweizer Forschende wieder an ausländischen Projekten beteiligen können und ausländische an solchen in der Schweiz. Dies wird uns mehr Geld kosten. Denn die Schweiz hat in den letzten Jahren stets mehr aus dem EU-Fonds abgeholt, als sie einbezahlt hat.
Abgesehen von der Sicherstellung der Finanzen – was möchten Sie als Präsident von Swissuniversities erreichen?
Ein weiteres wichtiges Thema ist die bessere Koordination der verschiedenen Hochschultypen auf Doktoratsstufe. Schweizer Nachwuchskräfte sollen in der Schweiz doktorieren können. Heute erhalten Doktorierende an Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen oft einen Titel von einer ausländischen Hochschule. Hier gibt es Diskussionsbedarf.
*Michael Hengartner (49) ist seit Anfang Jahr Präsident von Swissuniversities, dem Verband der Schweizerischen Hochschulen. Der Rektor der Universität Zürich ist Naturwissenschaftler.